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Version 3.05b - 2015

Standard "Pflege von Senioren mit einer Beinprothese"

 
Nach einer Beinamputation gilt es, den betroffenen Senioren möglichst schnell wieder aus dem Rollstuhl in den Stand zu mobilisieren. Doch die Hightech-Materialien moderner Prothesen haben neben vielen Vorteilen auch so manche Tücken.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Pflege von Senioren mit einer Beinprothese"
Definition:
  • Angeborene Fehlbildungen, Kriegsschäden, Krankheiten oder Unfälle können zum Verlust eines Beines führen. Mit einer Prothese sollen die funktionellen und optischen Defizite so weit wie möglich ausgeglichen werden. Sie ermöglichen es einem betroffenen Senioren zu gehen und zu stehen; dieses ggf. sogar ohne zusätzliche Unterarmgehhilfen. Zudem wird das äußere Erscheinungsbild zumindest teilweise wieder hergestellt.
  • Prothesen werden von einem Orthopädiemechaniker angepasst, sobald die Stumpfwunde verheilt und abgeschwollen ist.
  • Nach einer Amputation sollte der betroffene Bewohner möglichst zeitnah mit einer Prothese versorgt werden. Es ist wichtig, die Mobilität und die Selbstständigkeit möglichst umfassend wiederzugewinnen. Ein mobilisierter Bewohner ist weniger anfällig für viele Gefahren wie Druckgeschwüre, Kontrakturen, Pneumonie usw.
  • Es gibt verschiedene Optionen, um eine Prothese am Stumpf zu fixieren. Etwa:
    • Silikon-Liner, deren Führungspin im Schaft einrastet
    • Anziehhilfen wie Prothesenstrümpfe oder Schlauchbinden
    • zusätzliche Tragegurte
Grundsätze:
  • Im Umgang mit betroffenen Senioren ist großes Einfühlungsvermögen erforderlich. Wir sind uns stets bewusst, dass der Verlust der Extremität für den Bewohner ein Schock ist, der auch nach Monaten oft nicht vollständig verarbeitet wird.
  • Eine Prothese muss trotz der robusten Materialien sehr vorsichtig behandelt werden. Vor allem die Schale darf nicht durch Fingernägel oder durch scharfe Gegenstände beschädigt werden.
  • Eine Prothese wird nicht getragen, wenn die Haut des Stumpfes bereits Symptome einer Druckschädigung zeigt.
Ziele:
  • Die Funktionen der verlorenen Extremität werden soweit es geht von der Prothese übernommen.
  • Die Haut des Stumpfes bleibt trotz der hohen Beanspruchung intakt und belastbar.
  • Die Selbstständigkeit und die Mobilität des Bewohners bleiben so weit wie möglich erhalten.
  • Durch eine sachgerechte Pflege wird die Funktionsfähigkeit der Prothese möglichst lange erhalten.
Vorbereitung:
  • Wir übernehmen das Anlegen der Unterschenkelprothese nur dann, wenn der Bewohner diese Maßnahme nicht selbstständig oder teilselbstständig durchführen kann. Dieses ist oft nach Abschluss der Rehabilitation der Fall, wenn der Bewohner in der Handhabung noch nicht sicher genug ist. Sinnvoll ist Unterstützung auch, wenn die motorische oder die geistige Leistungsfähigkeit des Bewohners eingeschränkt ist.
  • Wenn der Bewohner eine Prothese erhält oder mitbringt, deren Bautyp uns bislang nicht vertraut ist, so lassen wir uns vom Orthopädiemechaniker einweisen. Wichtig ist neben dem An- und Ablegen der Prothese auch die richtige Materialpflege. Die Kontaktdaten des zuständigen Technikers werden in der Pflegedokumentation erfasst.
  • Wir erfragen, wie der Bewohner seine Prothese bisher angezogen hat. Die vertrauten Techniken sollten auch nach dem Umzug in das Pflegeheim weitergeführt werden. Die Generation der Kriegsbeschädigten bevorzugt häufig einen Trikotschlauch zum Einziehen des Stumpfes in den Prothesenschaft. Jüngere Menschen hingegen nutzen lieber Anziehhilfen aus Ballonseide.
  • Der Bewohner wird befragt, wann er die Prothese anlegen möchte, etwa morgens nach der Ganzkörperwäsche.
  • Das Betreten des Zimmers durch Angehörige oder durch Mitbewohner wird unterbunden. Wenn der Bewohner Schamgefühle zeigt, werden insbesondere Praktikanten und ehrenamtliche Mitarbeiter vor die Tür gebeten.
  • Wenn der Stumpf zuvor gereinigt wurde, stellt die Pflegekraft sicher, dass die Haut komplett getrocknet ist. Restfeuchtigkeit würde dazu führen, dass der Stumpf später in erheblichem Maß jucken würde. Auch das Risiko von Hautinfektionen würde steigen.
  • Wenn der Stumpf geschwollen ist, kann er für einige Minuten erhöht gelagert werden.
  • Ein Stuhl oder ein Hocker wird als Ablagefläche ans Bettende gestellt.
  • Das Bett wird auf eine angenehme Arbeitshöhe gestellt.
  • Der Bewohner wird über die anstehende Maßnahme informiert.
  • Die Pflegekraft führt eine hygienische Händedesinfektion durch.
Durchführung: Anlegen der Prothese
Derzeit sind zahlreiche verschiedene Prothesensysteme verfügbar. Je nach Anschlusstyp und verwendetem Material kann deren Handhabung im Detail von diesem Standard abweichen. Beispielhaft sind im Folgenden zwei häufige Systeme beschrieben.

Anziehen einer Unterschenkelprothese mit Silikon-Liner ("pin lock liner" oder "locking Liner"):
  • Der Bewohner wird an die Bettkante mobilisiert.
  • Ggf. wird der Stumpf mit einem Nylonstrumpf geschützt.
  • Das Innere der Schale wird (wie ein Strumpf) nach außen ("auf links") gedreht.

  • Der untere Teil der Schale wird auf den Stumpf gesetzt. Ein Lufteinschluss muss vermieden werden.
  • Der nach außen gedrehte Teil der Schale wird nun über den Stumpf gestülpt, ohne dass es dabei zu einer Faltenbildung kommt. Die Pflegekraft stellt sicher, dass die Schale über den Stumpf gerollt und nicht gezogen wird. Das würde die Haut dehnen und für den Bewohner auf Dauer unbequem sein.
  • Die Pflegekraft prüft, ob die Schale glatt anliegt.
  • Ggf. wird über die angelegte Prothesenschale nun Schlauchmull gestülpt. Dieser erleichtert das sichere Fixieren der Prothese. Zusätzlicher Schlauchmull ist insbesondere sinnvoll, wenn der Stumpf durch die fortschreitende Heilung noch weiter schrumpft.
  • Die Pflegekraft führt nun den Beinstumpf samt Prothesenschale und Schlauchmull in die Prothese ein. In der Prothese ist ein Loch, das den Pin der Prothesenschale passgenau umfasst. Der Pin wird nun hörbar einrasten. (Hinweis: Manchmal klickt es später bei den ersten Schritten noch einige weitere Male.)
  • Wenn der Bewohner die Prothese wieder ausziehen will, muss der Pin zuvor entriegelt werden.
Oberschenkelprothese mit Schlauchbinde
  • Die Pflegekraft zieht die Schlauchbinde über den Stumpf.
  • Nun soll der Bewohner den Stumpf samt Schlauchbinde in den Prothesenschaft einführen. Das Ende der Schlauchbinde wird durch das Ventilloch gezogen.
  • Falls der Bewohner unbewusst seine Beinmuskulatur anspannt, wird es schwierig, den Stumpf einzuführen. Ggf. lenkt ihn die Pflegekraft kurz ab.
  • Die Pflegekraft zieht nun mit mäßiger Kraft an der Schlauchbinde. Der Stumpf wird in den Prothesenschaft gezogen.
  • Das heraushängende Schlauchende wird in den Prothesenschaft zurückgeschoben. (Bei anderen Systemen wird die Anziehhilfe komplett herausgezogen.)
  • Die Pflegekraft verschließt das Ventilloch am Prothesenschaft.
Weiteres Vorgehen bei allen Systemen
  • Die Pflegekraft prüft den korrekten Sitz der Prothese.
  • Der Bewohner soll nun testweise einige Schritte gehen.
  • Die Pflegekraft führt eine hygienische Händedesinfektion durch.
Beratung und Information
  • Die Pflegekraft rät dem Bewohner, sich bei Druckschmerzen umgehend zu melden. Sie stellt sicher, dass die Rufanlage in Reichweite des Bewohners abgelegt wird.
  • Die Haut des Stumpfes wird regelmäßig auf krankhafte Veränderungen überprüft, insbesondere auf Schäden durch übermäßige Druckbelastung.
Nachbereitung: Allgemeines
  • Auch Monate nach der Amputation kann sich der Stumpf weiter umformen. Dieses wirkt sich immer auch auf die Passgenauigkeit der Schale aus. Wenn der Bewohner gehäuft über Druckschmerzen klagt, prüfen wir, ob die Prothese ggf. vom Orthopädiemechaniker überarbeitet werden muss.
  • Die Maßnahme und alle relevanten Beobachtungen werden dokumentiert.
  • Die Pflegeplanung wird ggf. aktualisiert. Dieses insbesondere, wenn der Bewohner im Umgang mit der Prothese sicherer wird und weniger Hilfe benötigt.
  • Wenn die Prothese über einen längeren Zeitraum nicht getragen wird, kann es zu Beugekontrakturen an den benachbarten Gelenken kommen. Dieses lässt sich durch Lagerungen vermeiden.
Reinigung und Lagerung des Liners
  • Die regelmäßige Reinigung der Prothese und des Stumpfes beugt nicht nur einer unangenehmen Geruchsentwicklung vor, sondern senkt auch das Risiko von Hautinfektionen.
  • Die Pflegekraft reinigt täglich die innere Seite der Schale. Sie nutzt dafür lauwarmes Wasser und ein vom Hersteller zugelassenes mildes (antibakterielles) Reinigungsmittel.
  • Danach wird die Schale mit viel Wasser abgespült und sorgfältig mit einem Tuch abgetrocknet. Die Schale sollte nun an der Luft trocknen. Soweit vorhanden kann ein spezieller Trocknungsständer genutzt werden, also ein langer Kunststoffzylinder mit abgerundeter Spitze, über den die feuchte Schale gezogen wird.
  • Die Schale wird an einem kühlen und trockenen Ort aufbewahrt.
  • Wenn die Schale für einen langen Zeitraum nicht benutzt wird, lagert sie die Pflegekraft in einem sauberen Plastikbeutel ein.
  • Die Außenseite der Prothese wird bei Verschmutzung mit Wasser und Seife gesäubert.
Kontrolle der Prothese
  • Die Pflegekraft überprüft regelmäßig die innere und die äußere Seite der Schale.
  • Wenn die Schale oder die restliche Prothese verschlissen oder beschädigt sind, kontaktiert die Pflegekraft den Orthopädiemechaniker.
Dokumente:
  • Anwendungsvorgaben des Herstellers
  • Leistungsnachweis
  • Berichtsblatt

Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  •  alle Mitarbeiter
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Sturz; Beinprothese; Bein; Amputation; Prothese
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