das Altenpflegemagazin im Internet
www.altenpflegemagazin.de
Start Log-in Service Registrierung AGB+Datenschutz Suche / Stichwortindex Quiz Mobil Impressum

 

Version 2.05 - 2016

Standard "Sitztanz"

 
Der Sitztanz ist wesentlich mehr als eine spaßige Freizeitbeschäftigung. Die Bewegung bringt den Kreislauf in Fahrt, das Selbstwertgefühl wird gestärkt und sogar neue soziale Kontakte können entstehen.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Sitztanz"
Definition:
  • Der Tanz ist für viele Menschen auch im hohen Alter ein wichtiger Bestandteil des Lebens und insbesondere der Freizeitgestaltung. Da herkömmliche Gesellschaftstänze hohe Anforderungen an die körperliche und geistige Belastbarkeit stellen, kommen diese für viele unserer  Tagesgäste nicht mehr infrage.
  • Sitztänze bieten in diesen Fällen eine sinnvolle Alternative. Sie können auch von Senioren mit eingeschränkten körperlichen und geistigen Fähigkeiten durchgeführt werden. Ein Sitztanz ist nicht so kompliziert wie ein normaler Tanz. Die Koordination kann je nach Choreografie aber durchaus fordernd sein.
  • Die meisten Menschen sind bereits seit frühesten Kindheitstagen mit Musik in Kontakt gekommen. Daher sind auch bei einer fortschreitenden demenziellen Erkrankung die meisten Betroffenen in der Lage, sich zum Takt und zum Rhythmus zu bewegen.
  • Bei vielen dementen Menschen funktioniert die Musik wie ein "Türöffner". Zuvor apathische Tagesgäste werden richtig wach, ahmen Bewegungen nach, bewegen sich zum Takt der Musik und singen häufig sogar mit. Einige Demenzpatienten haben einen gesteigerten Bewegungsdrang. Beim Sitztanz wird dieses Bedürfnis in einer geschützten Umgebung gestillt.
  • Aufgrund des herrschenden Rollenverständnisses ist damit zu rechnen, dass Frauen Tanzangebote eher annehmen werden.
Grundsätze:
  • Tagesgäste werden stets mit Namen angesprochen.
  • Der Sitztanz ist ein elementarer Bestandteil der Bewegungsförderung bei Senioren.
  • Der spielerische Faktor hat Vorrang vor therapeutischen oder vor musikalischen Zielen. Der Sitztanz soll unseren Tagesgästen Spaß machen.
  • Es gibt beim Sitztanz kein richtig und kein falsch. Jede Bewegung ist eine gute Bewegung.
  • Die Teilnahme am Sitztanz ist freiwillig.
  • Mit Lob und mit Anerkennung für alle Teilnehmer wird nicht gespart.
  • Wir legen Wert auf einen freundschaftlichen Umgang unter den Senioren. Der Übungsleiter wird daher körperlich eingeschränkte Tagesgäste  vor Spott der anderen Tagesgäste in Schutz nehmen.
Ziele:
  • Der körperliche und der geistige Abbau werden insgesamt verlangsamt.
  • Der Tanz weckt die Lebensfreude des Tagesgasts.
  • Alte Erinnerungen werden wieder geweckt und für den Tagesgast verfügbar gemacht.
  • Tagesgäste, die sich ansonsten zurückziehen, werden wieder im gesellschaftlichen Leben der Einrichtung integriert.
  • Die Kontakte zwischen demenziell veränderten und geistig gesunden Tagesgästen werden intensiviert.
  • Durch die harmonischen Bewegungsabläufe wird die allgemeine Beweglichkeit des Tagesgasts gestärkt.
  • Die Körperwahrnehmung und die Koordinationsfähigkeiten werden verbessert.
  • Das Konzentrationsvermögen wird gestärkt.
  • Das Herzkreislaufsystem und die Atemfunktionen werden unterstützt.
  • Aggressionen werden abgebaut.
  • Der Tagesgast wird von Schmerzen abgelenkt.
  • Die Selbstheilungskräfte werden aktiviert.
  • Das Selbstwertgefühl wird gestärkt.
Vorbereitung:
  • Als Übungsleiter setzen wir erfahrene Pflegekräfte, Ergotherapeuten oder Sozialpädagogen ein. Qualifikation:
    • Ggf. Ausbildung beim Bundesverband Seniorentanz e.V.
    • Ggf. Ausbildungslehrgang zum Sitztanzleiter beim Malteser Hilfsdienst e. V.
    • Erfahrungen in Gruppenarbeit
    • Kommunikationsfähigkeit
    • musikalische Grundkenntnisse
    • Kenntnisse über Lehrmethoden in der Erwachsenenbildung
    • Kenntnisse über gerontopsychiatrische Krankheitsbilder
  • Da das Tanzen hohe Konzentration und Aufmerksamkeit erfordert, ist der Vormittag als Termin die beste Wahl. Der Sitztanz findet einmal in der Woche statt. Die Planung wird mit dem Pflegeteam und mit der Hauswirtschaft abgestimmt.
  • Die genauen Termine für den Sitztanz werden regelmäßig am Schwarzen Brett, in der Kundenzeitung sowie auf der Homepage bekannt gegeben. Terminverschiebungen werden allen teilnehmenden Tagesgästen rechtzeitig mitgeteilt. Die Teilnehmer werden aufgefordert, geeignete Kleidung, ihr Hörgerät mit geladenen Batterien und ihre Brille mitzubringen.
  • Gemeinsam mit der Bezugspflegekraft nimmt der Übungsleiter Kontakt zu neuen Tagesgästen auf und lädt diese zum Sitztanz ein. Bezugspflegekräfte werden gebeten, relevante Diagnosen rechtzeitig dem Übungsleiter mitzuteilen.
  • Der Übungsleiter wählt die Tänze und die dazu passenden Musikstücke aus. Dabei werden verschiedene Kriterien berücksichtigt:
  • Die Tänze müssen den körperlichen Ressourcen der Tagesgäste angepasst sein. Diese können durch das Lebensalter und durch Krankheiten (Hemiplegie, Herzinsuffizienz usw.) deutlich variieren. Falls das Leistungsgefälle innerhalb der Gruppe zu groß ist, sollte eine Teilung der Gruppe erwogen werden.
  • Die Musik sollte möglichst vielen Tagesgästen bereits vertraut sein. Es bieten sich insbesondere Lieder an, die aus der Jugendzeit der Tagesgäste stammen.
  • Die Musik kann einen Bezug zur Region haben.
  • Die Jahreszeit und insbesondere nahe Feiertage (Erntezeit, Karneval, Weihnachten usw.) sollten berücksichtigt werden.
  • Ideal sind einfache Volksweisen oder Seniorentanzmusik. Diese sind gleichmäßig aufgebaut und sind für rhythmische Bewegungsfolgen gut geeignet.
  • Hinweis: Eine große Auswahl an verschiedenen Tänzen hat der Bundesverband Seniorentanz e.V. (www.seniorentanz.de) zusammengestellt.
  • Der Gruppenraum wird reserviert. Ideal ist eine Teilnehmerzahl von 12 bis 15 Personen.
  • Der Übungsleiter legt einen CD- oder MP3-Spieler mit integrierten Boxen bereit.
  • Ggf. kann ein Praktikant, ein "Bufdi" (Bundesfreiwilligendienst), ein ehrenamtlicher Mitarbeiter oder ein Pflegeschüler bei der Durchführung des Sitztanzes mithelfen.
  • Die Wohnbereiche der teilnehmenden Senioren werden informiert. Tagesgäste, die nicht selbstständig den Gruppenraum aufsuchen können, werden von Pflegekräften stets dorthin begleitet und später wieder abgeholt.
  • Der Übungsleiter lüftet den Raum durch und stellt ggf. die Heizung an.
  • Ausreichend Stühle werden im Halbkreis aufgestellt. Ggf. werden in der Mitte Tische positioniert.
  • Die Stühle sollten schwer sein und einen stabilen Stand haben. Sie dürfen auch dann nicht kippen, wenn der Tagesgast mit seinem Gesäß nur im vorderen Drittel der Sitzfläche sitzt.
  • Die Stühle sollten keine Armlehnen haben, da diese den Bewegungsraum einschränken.
  • Der Raum wird mittels Tischdekoration freundlich gestaltet.
Durchführung:
  • Jeder Tagesgast wird von dem Übungsleiter begrüßt.
  • Den Teilnehmern wird ein Toilettengang angeboten.
  • Der Übungsleiter legt eine Teilnehmerliste an.


  • Tagesgäste mit eingeschränkten Hörfähigkeiten werden nahe am CD-Spieler positioniert. Sehbehinderte Senioren sollten dem Gruppenleiter möglichst gegenübersitzen. Der Übungsleiter sollte so sitzen, dass er von allen Teilnehmern gut gesehen werden kann (Bild).
  • Es wird sichergestellt, dass alle Tagesgäste ihr Hörgerät angeschaltet haben.
  • Das Telefon im Gruppenraum wird umgeleitet.
  • Neue Musikstücke werden den Tagesgästen einmal vorgespielt. Ggf. gibt der Gruppenleiter Informationen zum Lied, also etwa zum Entstehungsjahr, zum Interpreten usw.
  • Die Tanzbewegungen werden zunächst ohne Musik geübt. Zumeist reicht es aus, die Bewegungsabfolgen ein- oder zweimal "trocken" vorzuführen.
  • Beim Erklären sollte der Gruppenleiter darauf achten, dass er langsam und gut verständlich redet.
  • Einsätze und Wechsel der Bewegungsabläufe innerhalb eines Stücks werden rechtzeitig angesagt. Diese Tanzansagen müssen immer mit den gleichen Worten formuliert werden, um die Teilnehmer nicht zu verwirren.
  • Es werden ausreichend Pausen eingeplant. In diesen Pausen sollten alle Teilnehmer etwas trinken.
  • Die Tagesgäste werden ermutigt, normal weiter zu atmen, den Atem also unter Spannung nicht anzuhalten.
  • Die Anforderungen werden nur langsam gesteigert. Auch der schwächste Teilnehmer muss beim Sitztanz folgen können.
  • Wenn die Gruppe mit einer Übung überfordert ist, wird der Tanz ggf. wieder vereinfacht.
  • Der Gruppenleiter achtet darauf, dass alle Bewegungen möglichst rücken- und gelenkschonend durchgeführt werden.
  • Wenn ein einzelner Teilnehmer einen Fehler macht, sollte er nicht vor den Augen der anderen Senioren darauf angesprochen werden. Dieses könnte sein Selbstvertrauen beschädigen. Sinnvoller ist es, der gesamten Gruppe den Bewegungsablauf noch einmal zu demonstrieren.
  • Leistungsdruck sollte unterbleiben. Der Gruppenleiter bremst übereifrige Teilnehmer und ermahnt die gesamte Gruppe, die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit zu beachten.
  • Die Tagesgäste werden ausgiebig gelobt.
  • Die Anweisungen sollten kurz und präzise sein. Zu viele Erklärungen hemmen den Ablauf.
Nachbereitung:
  • Der Raum wird gelüftet und aufgeräumt.
  • Relevante Beobachtungen werden an die Bezugspflegekräfte weitergegeben.
  • Die Übungsstunde wird protokolliert.
Dokumente:
  • Berichtsblatt
  • Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • Altenpfleger- und helfer
  • Ergotherapeuten
  • Krankengymnasten
  • Krankenschwestern
  • Altentherapeuten und
  • ähnliche in der Altenarbeit tätige Berufsgruppen
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Sitztanz; Musik; Demenz
Genereller Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und Textvorlagen ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden. Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.