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Version 1.05 - 2013

Standard "Wundspülung"

 
In eine Zwickmühle geraten Pflegekräfte, wenn sie die Wundspülung an die Vorgaben des Expertenstandards anpassen möchten. Dessen Autoren und das Robert-Koch-Institut fordern die strikte Nutzung von sterilen Wundspüllösungen. Viele behandelnde Ärzte jedoch stellen bereits bei der Verschreibung eines einzigen NaCl-Fläschchens auf stur. Pflegekräfte, die in ihrer Not den Wasserhahn aufdrehen, setzen sich unkalkulierbaren Haftungsrisiken aus.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!
 

Standard "Wundspülung"
Definition:
  • Die Wundspülung ist die Reinigung einer sekundär heilenden Wunde mittels Spüllösung. Damit sollen Wundsekret, Gewebetrümmer oder nekrotisches Gewebe entfernt werden.
  • Insbesondere wird damit der sog. "Biofilm" entfernt, also ein Belag aus Bakterien, der auf chronischen Wunden gehäuft zu finden ist. In diesem Biofilm kommt es zu einem Sauerstoffgefälle. Auf dem Wundgrund siedeln sich daher Anaerobier an, also Bakterien, die unter Sauerstoffabschluss gedeihen. Es droht eine Wundinfektion.
  • Bis zu vier Fünftel der schädlichen Keime können durch eine Spülung aus dem Wundgebiet entfernt werden. Oftmals kann damit die Nutzung von Antiseptika überflüssig gemacht werden.
  • Ein Biofilm hemmt nicht nur die Wundheilung, sondern erschwert auch die Wundbeurteilung. Ohne eine Entfernung des Biofilms sind wir also nicht in der Lage zu überprüfen, ob eine Wunde abheilt oder ob sie sich ausdehnt. Es ist uns somit auch nicht möglich, die Wirksamkeit einer Therapieform bzw. einer Wundauflage zu bestimmen.
  • Auch Wunden, die auf den ersten Blick sauber erscheinen, können ggf. mit steriler physiologischer Ringer- oder Kochsalzlösung vorsichtig gesäubert werden. Denn zusätzlich wird damit die Wunde feucht gehalten.
  • Die Temperatur der Spüllösung ist wichtig für die weitere Wundheilung. Ist die Flüssigkeit zu kalt, kühlt auch das behandelte Wundgebiet aus. Schon eine Absenkung auf unter 28° C wird die Heilungsprozesse zeitweise zum Erliegen bringen.
  • In der Vergangenheit wurden alternativ Wundbäder durchgeführt. Diese Technik ist heute jedoch obsolet, da viele Keime nicht weggeschwemmt werden, sondern sich an anderer Stelle des Hautdefekts erneut festsetzen. Es läge also eine Keimverschleppung vor.
  • Ebenso problematisch ist das Abduschen von Wunden. Hier kann es vor allem durch verkeimte Duschköpfe zu weiteren Infektionen kommen.
  • In keinem Fall werden Hausmittel zur Wundspülung verwendet wie etwa Zitronensaft, destilliertes Wasser oder abgekochtes Leitungswasser.
  • Die Expertengruppe des DNQP schließt sich der Ansicht des Robert-Koch-Instituts an, das strikt auf der Nutzung von sterilen Wundspüllösungen besteht. Es ist unverzichtbar, diese Linie auch nachdrücklich gegenüber den Hausärzten zu vertreten und auf den "Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden" zu verweisen.
Grundsätze:
  • Wir arbeiten eng mit dem Hausarzt zusammen. Alle Anordnungen insbesondere zur Wundreinigung werden präzise umgesetzt, sofern dessen Anweisungen der aktuellen Pflegeforschung nicht widersprechen.
  • Die lokale Versorgung einer offenen Wunde erfolgt grundsätzlich mit sterilen Produkten und sterilen Geräten. Wir verwenden daher niemals Leitungswasser für die Wundspülung.
  • Pflegekräfte dürfen Maßnahmen zur Wundreinigung nur dann durchführen, wenn sie entsprechend qualifiziert sind und eine Einweisung durch den Hausarzt durchgeführt wurde.
  • Fragen zur Delegation ärztlicher Maßnahmen (etwa bei der Wundreinigung) werden mit dem Hausarzt diskutiert. Wir bestehen darauf, dass unsere Pflegekräfte rechtlich abgesichert sind. Wenn nicht klar ist, ob eine durchzuführende Maßnahme delegierbar ist, verweigern wir die Durchführung und lassen die Maßnahme vom Arzt durchführen.
Ziele:
  • Fremdkörper, Zellrückstände und Keime werden ausgeschwemmt. Nekrosen und Beläge lösen sich.
  • Rückstände von Wundtherapeutika werden entfernt.
  • Die Wundheilung wird gefördert.
  • Die Wunde wird so weit gereinigt, dass der Wundzustand erfasst werden kann.
  • Durch eine lückenlose Hygiene wird das Einbringen von zusätzlichen Keimen in die Wunde vermieden. Auch werden keine Keime aus dem Wundbereich verschleppt.
  • Die Schmerzbelastung wird auf ein Minimum reduziert.
  • Infektionen werden bekämpft.
  • Die Geruchsbildung wird reduziert.
  • Die Wunde wird vor dem Auskühlen, Mazeration und einer Retraumatisierung geschützt.
Vorbereitung: Indikation / Kontraindikation
  • Haupteinsatzart ist die Reinigung von chronischen Wunden; dieses insbesondere bei schmierigen und infektiösen Wundzuständen.
  • Darüber hinaus können damit Verbands- oder Arzneimittelrückstände schonend entfernt werden. Eine Wundspülung ermöglicht es, die gelben und übel riechenden Beläge zu entfernen, die beim Einsatz von Hydrokolloidverbänden auftreten.
  • Die Anzahl der Spülungen ist abhängig vom Wundzustand. Zumeist wird eine Spülung vor jedem Verbandswechsel durchgeführt. Bei klinisch infizierten Wunden wird mindestens einmal täglich gespült.
  • Wunden in der Granulations- und in der Epithelisierungsphase (also "sauber granulierende Wunden") werden i.d.R. nicht gespült, da damit die Wundruhe unnötig gestört wird. Zudem werden damit wichtige Mediatoren, wie etwa Wachstumsfaktoren, entfernt.
  • Bei Fistelung wird der Arzt kontaktiert.
  • Wir nutzen die Wundspülung ggf. bei der Erstversorgung akuter Wunden.
Material
  • Material zum Verbandswechsel (laut Standard für die jeweilige Wundauflage)
  • Bettschutz
  • Ringerlösung / NaCL 0,9%
  • sterile Spritze (Volumen je nach zu spülender Wunde)
  • sterile Knopfkanüle oder Einmalspülkatheter (Hinweis: Die Nutzung einer Kanüle ist riskant, da diese oft zu viel Druck erzeugt und das Verletzungsrisiko erhöht.)
  • Nierenschale und Zellstoff
  • sterile Pinzette und sterile Kugeltupfer
  • desinfizierende Lösung, soweit ärztlich verordnet (nur infizierte oder infektionsgefährdete Wunden werden mit Wundantiseptika gespült)
Organisation
  • Wir bilden unsere Fachkräfte regelmäßig zum Thema Wundversorgung fort und halten aktuelle Fachliteratur bereit.
  • Wir benennen einen Wundbeauftragten, der eine entsprechende Weiterbildung erhält.
  • Wir bitten ggf. den Hausarzt um eine Bedarfsmedikation zur Schmerzbehandlung.
  • Ggf. erhält der Bewohner 30 Minuten vor dem Verbandswechsel ein Schmerzmittel.
  • In einem Doppelzimmer wird entweder ein Sichtschutz aufgebaut oder der Mitbewohner für die Zeit nach draußen gebeten.
  • Der Bewohner wird über die anstehenden Maßnahmen informiert und um Zustimmung gebeten.
  • Das Bett wird mit einer geeigneten Schutzauflage vor Durchfeuchtung geschützt.
  • Die Pflegekraft fährt das Bett auf eine Arbeitshöhe, die ein rückenschonendes Arbeiten ermöglicht.
  • Die Spüllösung wird auf Körpertemperatur erwärmt. Wir nutzen dafür einen geeigneten Flaschenwärmer, ein Wasserbad oder einen Wärmeschrank. Nicht genutzt werden Mikrowellengeräte, da es hier aufgrund der ungleichmäßigen Erwärmung zu Verbrennungen kommen kann.
(Hinweis für die ambulante Pflege: Kleine Flaschen können ggf. auch in der Hosentasche vorerwärmt werden.)
  • Die Pflegekraft desinfiziert die Arbeitsoberfläche, richtet die benötigten Materialien und prüft diese auf Vollständigkeit. Unsterile Materialien werden patientennah platziert. Sterile Utensilien werden patientenfern abgelegt.
  • Nach Möglichkeit sollte die Wundspülung von zwei Pflegekräften durchgeführt werden. Falls die Maßnahme von nur einer Mitarbeiterin durchgeführt wird, öffnet diese bereits jetzt die sterilen Materialien und zieht die Spüllösung auf. Sind zwei Kräfte verfügbar, erfolgt das Auspacken erst unmittelbar vor der Applikation.
  • Der Bewohner wird bequem gelagert. Die betroffene Hautregion muss leicht zugänglich sein.
  • Die Pflegekraft führt eine hygienische Händedesinfektion durch.
  • Die Pflegekraft zieht sterile Schutzhandschuhe an. Darüber streift sie ein weiteres Paar steriler Schutzhandschuhe.
  • Wenn die Pflegekraft erkältet ist, zieht sie sich zusätzlich einen Mundschutz an.
  • Die Pflegekraft entfernt den alten Verband und die Wundauflage. Sie entsorgt diese gemeinsam mit dem ersten Paar Schutzhandschuhe im Abwurfbehälter. (Hinweis: Zur Nutzung von sterilen / unsterilen Einmalhandschuhen bei Wundspülungen gibt es in der Fachliteratur verschiedene im Detail abweichende Ansichten. Alternativ werden z.B. zunächst nur unsterile Handschuhe genutzt, um den alten Verband zu entfernen. Nach einer erneuten Händedesinfektion werden dann sterile Handschuhe für die weiteren Maßnahmen angelegt.)
Durchführung: Spülung
  • Aseptische Wunden werden immer vor septischen Wunden versorgt, um eine Keimverschleppung zu vermeiden.
  • Die Wunde wird mit der Spüllösung gesäubert. Eine übermäßige Befeuchtung der weiteren Wundumgebung ist zu verhindern.
  • Zum Auffangen der Flüssigkeit wird die Nierenschale oder eine Kompresse unter die Wunde gehalten.
  • Bei Taschen, Gängen oder tief zerklüfteten Wundbereichen kann die Spritze mit einer Knopfkanüle oder einem Frauenkatheter versehen werden.
  • Mit der Knopfkanüle kann zudem das Wundareal vorsichtig sondiert werden. Gleichzeitig lässt sich so die Taschentiefe ermitteln.
  • Bei erheblichen Verschmutzungen sind große Mengen Flüssigkeit für die Säuberung notwendig. In diesem Fall sollte nur Ringerlösung verwendet werden, da diese eine Elektrolytverschiebung im Wundareal verhindert.



  • Eine Wunde wird immer mit nur mäßigem Druck gespült. Dafür kann ggf. eine kleine Kanüle genutzt werden. Bei zu hohem Druck wird die Wunde zwar deutlich besser gesäubert, gleichzeitig jedoch werden Keime von der Oberfläche in die Tiefe gepresst. Insbesondere bei stark infizierten Wunden muss daher stets ohne diesen schädlichen Druck gespült werden. Zudem kann es insbesondere beim empfindlichen Granulationsgewebe zu Schädigungen kommen.
  • Die Wunde wird solange gespült, bis die Spülflüssigkeit wieder klar ist.
  • Die Pflegekraft tupft die Wunde mit einer Pinzette und sterilen Kugeltupfern aus. (Hinweis: Die Notwendigkeit dieses Schrittes ist in der Fachliteratur umstritten. Kritisiert wird insbesondere ein möglicherweise schädlicher Einfluss auf die Wundheilung.)
  • Der Wundrand muss nach der Spülung getrocknet werden, damit die neue Wundauflage haften kann. Die Pflegekraft tupft den Wundrand dafür sorgfältig sauber. Sie nutzt dafür die Pinzette und die Kugeltupfer.
  • Bei Bedarf applizieren wir ein geeignetes Hautschutzmittel.
(Hinweis: Wir achten darauf, dass die Spüllösung möglichst vollständig vor dem Verbandwechsel wieder entfernt ist. Die Wunde soll lediglich feucht gehalten werden, sie wird jedoch nicht dauerhaft "unter Wasser gesetzt". Zu viel Feuchtigkeit kann zu ausgedehnter Hautmazeration führen.)
weitere Maßnahmen
  • Sofern eine fotografische Wunddokumentation geführt wird, ist jetzt ein idealer Zeitpunkt für die Erstellung eines aktuellen Fotos.
  • Die passende Wundauflage wird aufgebracht und das gesamte Areal verbunden (laut Standard für die jeweilige Wundauflage)
Nachbereitung:
  • Abfälle werden entsorgt. Spitze Gegenstände wie Kanülen müssen in fest umschlossenen Behältern entsorgt werden, um Stichverletzungen zu vermeiden.
  • Der Bewohner wird nach dem Befinden und Schmerzen befragt.
  • Der Bewohner wird bequem gelagert.
  • Alle Maßnahmen werden sorgfältig dokumentiert.
  • Der Einsatz von lokalen Antiseptika sollte eingestellt werden, wenn die Infektionszeichen nachlassen.
  • Ggf. wird die Pflegeplanung angepasst.
  • Der Bestand an Verbrauchsmaterial wird überprüft und ggf. eine Nachbestellung eingeleitet bzw. der Arzt um ein Rezept gebeten.
  • Unkonservierte Spüllösungen werden sofort nach dem Öffnen verwendet. Reste werden spätestens nach 24 Stunden verworfen.
  • Bei konservierten Spüllösungen achten wir sorgfältig auf die Verwendbarkeitsdauer, die auf der Verpackung sowie auf dem Beipackzettel vermerkt ist.
  • Nach der Entnahme sollte die jeweilige Flasche nur noch für den einen Bewohner genutzt werden. Wir reduzieren damit das Risiko einer Keimverschleppung bei unsachgemäßer Handhabung.
Dokumente:
  • Wunddokumentation
  • Berichtsblatt
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Kommunikationsblatt mit dem Arzt
  • Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • Pflegefachkräfte

 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Dekubitus; Wundspülung; Wunde; Wundversorgung
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