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Version 1.08a

Standard "Pflege von Senioren während einer Alkoholentgiftung"

 
Mit dem Heimeinzug bricht für viele Alkoholiker ein jahrelang aufgebautes Versorgungssystem zusammen. Abgeschnitten vom Apfelkorn und Bourbon sind viele Süchtige erstmals seit Jahrzehnten unfreiwillig abstinent. Der kalte Entzug ist nicht nur eine Tortur, sondern auch eine immense Gefahr für die Gesundheit.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!
 
Standard "Pflege von Senioren während einer Alkoholentgiftung"
Definition:
  • Für Alkoholiker ist es sehr wichtig, die stetige Versorgung mit dem Suchtstoff zu gewährleisten. Solange sie körperlich aktiv sind, ist dieses kein größeres Problem. Alkohol kann praktisch überall gekauft werden.
  • Bei nachlassender Mobilität nutzen sie verschiedenste alternative Möglichkeiten, um sich weiterhin mit alkoholischen Getränken zu versorgen. So liefern etwa Pizzabringdienste auch Wein. Oder es wird ein Taxifahrer mit dem Einkauf beauftragt. Mit dem stetigen Fortschreiten der Pflegebedürftigkeit und insbesondere mit Beginn der stationären Versorgung wird der Nachschub unterbrochen. Die hohe Selbstbeteiligung an den Pflegekosten reduziert die finanziellen Möglichkeiten. Gleichzeitig ist der Kontrolldruck in Pflegeheimen ungleich höher als in der eigenen Häuslichkeit. Letztlich erleben viele Senioren in den letzten Lebensjahren einen abrupten Entzug.
  • Alkoholiker haben es im Laufe von Jahrzehnten gelernt, ihren Zustand selbst vor Familienangehörigen, Nachbarn und engen Freunden zu verbergen. Pflegekräften fällt es natürlich noch schwerer, die Sucht zu erkennen. Zum einen kennen sie den neuen Bewohner nicht gut genug, um den Entzug zu bemerken. Zum anderen führt Alkoholentzug zu einem Symptombild, das in ganz ähnlicher Form auch bei vielen hirnorganischen Degenerationsprozessen auftritt. Die Beschwerden können also fälschlicherweise z. B. einer Demenz zugeschrieben werden.
  • Bei langjährigem Alkoholmissbrauch wird der tägliche Konsum in den Stoffwechsel eingebaut. Sobald der Zustrom unterbrochen wird, gerät auch der Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht. Der Delir ist eine Ammoniak-Entgiftungsstörung der Leber sowie eine Funktionsbeeinträchtigung des Gehirns.
  • Ein ungeregelter Entzug kann je nach Ausmaß der Sucht zu verschiedenen Ausfallerscheinungen führen. Bei mäßiger Abhängigkeit tritt oftmals ein sog. "Prädelir" auf, der mit vergleichsweise moderaten Symptomen wie Tremor oder Schweißausbrüchen verbunden ist. Bei intensivem Alkoholmissbrauch erleiden Betroffene einen Entzugsdelir mit massiven Auswirkungen auf Atmung, Kreislaufsystem, Verdauung und Psyche.
  • Medikamente können die oben beschriebene Symptomatik lindern. Voraussetzung ist natürlich, dass der Zustand den Pflegekräften bekannt ist und der Bewohner den Entzug nicht verbergen konnte. Wichtig ist insbesondere eine Versorgung mit Vitamin B1, da ansonsten der Entzug bei 20 Prozent der Betroffenen zum Tode führt.
  • Eine Entgiftung dauert 10 bis 14 Tage. Ist der Bewohner zusätzlich abhängig von Medikamenten oder von Drogen, verlängert sich diese Zeitspanne. Je älter ein Alkoholkranker ist, um so stärker ist die Entzugssymptomatik. Aufgrund von physiologischen Veränderungen (etwa eine verminderte Aktivität des Enzyms Alkoholdehydrogenase) treten schwere Verläufe schon bei vergleichsweise niedrigen Trinkmengen und einer kurzen Suchtdauer auf.
Hinweise:
  • Einzelne im Folgenden beschriebenen Maßnahmen übersteigen die fachlichen Ressourcen eines "normalen" Pflegeheimes und richten sich an stationäre Einrichtungen, die sich auf die Versorgung von suchtkranken Senioren spezialisiert haben.
  • Aufgrund der inhaltlichen Parallelen ist es sinnvoll, diesen Standard gemeinsam mit den Pflegestandards "Vorgehen bei akuter Verwirrtheit" sowie "Pflege von Menschen mit Halluzinationen / Illusionen" zu implementieren.
Grundsätze:
  • Bei mäßiger Sucht kann der Entzug in unserer Einrichtung erfolgen. Die Versorgung von Senioren mit schwerem Alkoholabusus überfordert jedoch unsere personellen und fachlichen Möglichkeiten. Diese Betroffenen sollten in einer Spezialklinik betreut werden.
  • Uns ist bewusst, dass der Entzug von Alkohol ein Risiko mit sich bringt. Es ist aber keine Alternative, dass der Bewohner nach dem Einzug in unsere Einrichtung seinen Alkoholmissbrauch fortsetzt.
  • In keinem Fall wird der Entzug aktiv von uns herbeigeführt, etwa indem wir die Alkoholreserven des Bewohners vernichten.
Ziele:
  • Wir erfahren noch vor dem Heimeinzug von einer etwaigen Alkoholabhängigkeit und können somit den Entzug durch Medikamente und Pflegemaßnahmen erträglicher machen.
  • Durch eine maßvolle und kontrollierte Entwöhnung überwindet der Bewohner seine Sucht.
  • Die Entzugssymptomatik wird soweit gemildert, dass die Lebensqualität des Bewohners erhalten bleibt.
  • Die Stressbelastung des Bewohners wird auf ein Minimum reduziert.
Vorbereitung: Informationssammlung und Organisation

  • Wenn es hinreichende Anzeichen für eine Alkoholsucht gibt, suchen wir den Dialog mit dem Bewohner und seinen Angehörigen. Wir verdeutlichen, wie wichtig es ist, dass wir frühzeitig von einer Abhängigkeit und deren Ausmaß erfahren.
  • Wir suchen den Dialog mit dem behandelnden Arzt. Oftmals verfügt dieser über relevante Informationen zur individuellen Situation.
  • Einem neuen Bewohner mit Suchthintergrund wird eine erfahrene Pflegekraft als Bezugspflegekraft zugeordnet. Die Mitarbeiterin muss insbesondere über die notwendigen Kenntnisse im Bereich der Psychopharmaka verfügen. Weitere Qualifikationen sind eine gute Kommunikationsfähigkeit sowie Einfühlungsvermögen. Die Pflegekraft muss ggf. zudem in der Lage sein, eine Fixierung durchzuführen und diese gewissenhaft zu überwachen.
  • Soziale Bindungen erleichtern den Entzug. Daher prüfen wir, inwieweit Freunde und Angehörige eingebunden werden können. Wir stellen zudem sicher, dass Besucher keinen Alkohol in die Einrichtung schmuggeln.
Symptomatik

Wir achten auf die typischen Symptome eines Alkoholentzuges:
  • Insbesondere am Morgen tritt ein Tremor der Hände auf. Die Finger sind abgespreizt.
  • Die Zunge und die Augenlider zittern.
  • Der Bewohner ist unruhig und leicht reizbar.
  • Der Bewohner erschrickt sich schon bei geringen Anlässen.
  • Es kommt zu Schlafstörungen.
  • Es treten gehäuft Schweißausbrüche auf.
  • Das Verdauungssystem ist beeinträchtigt. Es treten Durchfall und Erbrechen auf.
Wir achten auf die typischen Symptome eines schweren Alkoholentzuges. Ein Delir tritt gehäuft zwei bis drei Tage nach der Unterbrechung der Alkoholversorgung auf.
  • Der Wille des Bewohners ist schwach. Er ist leicht zu beeinflussen.
  • Das Verhalten des Bewohners ist deutlichen Schwankungen ausgesetzt. Es wechseln sich Phasen von extremer Angst und Panik mit Abschnitten von Euphorie ab.
  • Er sucht offensichtlich nach einer Beschäftigung, um sich abzulenken.
  • Der Gang des Bewohners ist unsicher. Der Gleichgewichtssinn ist offenbar gestört.
  • Der Bewohner leidet unter Fieber, ohne dass es weitere Anzeichen für eine Infektion o.Ä. gäbe.
  • Es kommt zu zerebralen Krampfanfällen.
  • Der Bewohner leidet unter Halluzinationen. Insbesondere in Kombination mit Missempfindungen glaubt er, dass viele kleine Tiere über seine Haut krabbelten. Andere sehen weiße Mäuse auf dem Boden oder schwarze Spinnen an der Wand.
Durchführung: allgemeine Maßnahmen
  • Wir intensivieren die Maßnahmen zur Sturzprophylaxe. Insbesondere sollte der Bewohner ggf. entsprechende Protektoren tragen. Bei vielen Betroffenen ist es sinnvoll, dass diese bei jedem Fußweg (etwa zur Toilette) gestützt werden.
  • Viele Alkoholkranke legen wenig Wert auf ihr Äußeres. Während der Entgiftung werden diese Betroffenen die Hygiene ggf. vollends vernachlässigen. Wir animieren den Bewohner, wenigstens ein Minimum an Körperpflege zuzulassen.
  • Wir prüfen, ob wir den Bewohner beschäftigen und somit ablenken können, also etwa mit Gartenarbeiten oder mit Handreichungen in der Hauswirtschaft.
  • Der körperliche und der mentale Zustand des Bewohners werden engmaschig überwacht. Insbesondere am Abend steigt das Risiko eines Delirs.
  • Wenn der Bewohner unter Fieber leidet, wenden wir geeignete Maßnahmen an, um die Körpertemperatur zu regulieren. Die Vorgaben des Standards "Pflege von Senioren mit Fieber" werden beachtet.
  • Wenn die Atemwege des Bewohners aufgrund der Applikation von Clomethiazol sehr verschleimt sind, muss er ggf. abgesaugt werden.
  • Bei einer Infusionstherapie prüfen wir, ob der Bewohner selbstschädigendes Verhalten zeigt. In diesem Fall ist es ggf. erforderlich, den Bewohner zu fixieren. Wir verhindern damit, dass der Bewohner Infusionsschläuche herausreißt.
  • Wir beachten, dass während der Entgiftung das Suizidrisiko erhöht ist; dieses insbesondere bei einem zerbrochenen sozialen Umfeld.
  • Viele Betroffene werden zeitweise inkontinent und müssen mit entsprechenden Hilfsmitteln versorgt werden.
  • Bei jedem zweiten schweren Alkoholentzug kommt es zu tonisch-klonischen Zuckungen. Der Bewohner ist dabei bewusstlos und danach temporär verwirrt.
  • Zwei bis drei Tage nach Unterbrechung des Alkoholkonsums kan

    +++ Gekürzte Version. Das komplette Dokument finden Sie hier. +++





 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Alkohol; Abhängigkeit; Sucht
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