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Version 2.09a - 2015

Pflegestandard "Vorgehen bei akuter Verwirrtheit"

 
Nur "akut verwirrt" oder "demenziell erkrankt"? Die korrekte Unterscheidung dieser Diagnosen gelingt nicht immer. Und so entpuppt sich manch "Alzheimer-Krankheit" bei genauer Betrachtung als Flüssigkeitsmangel, als medikamentöse Wechselwirkung - oder als defektes Hörgerät.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


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Pflegestandard "Vorgehen bei akuter Verwirrtheit"
Definition:
  • Akute Verwirrtheit (auch "Delir" oder "delirantes Syndrom") beschreibt unvermittelt auftretende Einschränkungen der Aufmerksamkeit, der kognitiven Fähigkeiten, des Bewusstseins oder des Tag-Nacht-Rhythmus. Im Gegensatz zur chronischen Verwirrtheit besteht das Krankheitsbild zumeist nur wenige Stunden oder Tage. Es treten i.d.R. auch keine Sinnestäuschungen oder Verkennungen auf.
  • Auslöser der Verwirrtheit ist häufig eine Funktionsbeeinträchtigung des Gehirns. Diese kann ihre Ursache wiederum in verschiedensten Erkrankungen oder Störungen haben, also etwa organische Hirnerkrankungen, Psychosen, Neurosen oder Stoffwechselstörungen.
  • Bei Senioren ist der bei Weitem häufigste Auslöser ein Mangel an Flüssigkeit. Gewöhnlich jedoch ist die Symptomatik multifaktoriell bedingt, es kommen also weitere Auslöser hinzu, die die Desorientierung verstärken.
  • Gehäuft tritt Desorientierung in den ersten Tagen nach dem Heimeinzug auf. Der neue Bewohner verliert das Gefühl für Tag und Nacht, ist sozial isoliert und leidet unter Zukunftssorgen. Es kann zu aggressivem Verhalten kommen. Nicht selten verweigern Betroffene die Nahrungsaufnahme sowie jede Kooperation bei der Behandlung und bei der pflegerischen Versorgung.
  • Die Fähigkeit, für die eigene Sicherheit zu sorgen, ist im Zustand einer akuten Verwirrtheit erheblich reduziert. Es kann somit jederzeit zu Unfällen z.B. im Haushalt oder im Straßenverkehr kommen.
  • Eine (prinzipiell heilbare) akute Verwirrtheit wird häufig als (unheilbare) Demenz missdeutet. Die Folgen dieser Fehldiagnose sind für den Betroffenen erheblich. Es kommt dann ggf. zur Bestellung einer rechtlichen Betreuung, zur Fehlberatung von Angehörigen sowie zu einer vermeidbaren stationären Versorgung. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen einer akuten Verwirrtheit und Demenz ist die Geschwindigkeit, mit der die Symptome einsetzen. Bei einer Demenz entwickeln sich die Einschränkungen langsam. Eine akute Verwirrtheit setzt abrupt ein.
Grundsätze:
  • Mit der Diagnose "Verwirrtheit" ist stets vorsichtig umzugehen. Allzu leicht werden auch solche Bewohner als "verwirrt" bezeichnet, deren Verhalten lediglich von der Norm abweicht und als unangemessen empfunden wird.
  • Eine akute Verwirrtheit ist eine ernst zu nehmende Gesundheitsstörung und keine unvermeidliche Begleiterscheinung des Alterns. In jedem Fall muss der Auslöser ärztlich abgeklärt werden.
  • Eine akute Verwirrtheit lässt sich im Frühstadium aussichtsreicher behandeln. Daher achten wir aufmerksam auf alle Anzeichen und nehmen diese ernst.
  • Der Umgang mit akut verwirrten Senioren ist häufig anstrengend und belastend, etwa weil diese fordernd oder gar aggressiv handeln. Wir machen uns daher stets eines klar: Die Ursache für das Verhalten des Bewohners ist kein böser Wille, sondern zumeist Verunsicherung und Angst.
Ziele:
  • Eine akute Verwirrtheit wird schnell als solche erkannt und von ähnlichen Gesundheitsstörungen abgegrenzt.
  • Die Ursachen für die akute Verwirrtheit werden ermittelt und behandelt.
  • Der Bewohner gewinnt die Orientierung möglichst weitgehend wieder zurück.
  • Der Bewohner gefährdet weder sich selbst noch andere Personen.
  • Der Bewohner hat keine Ängste.
Vorbereitung: Vermeidung einer akuten Verwirrtheit
  • Die primäre Prophylaxestrategie besteht in der Identifizierung der möglichen Ursachen und - soweit möglich - deren kausalen Therapie. Dazu zählen etwa die Sicherstellung der Flüssigkeitsversorgung, eine lückenlose Insulintherapie bei Diabetes-mellitus-Patienten, die Senkung von Fieber bei Infektionskrankheiten usw. Darüber hinaus schaffen wir ein Umfeld, das es dem Bewohner erleichtert, sich zu orientieren.
  • Wir setzen das Konzept der Bezugspflege um, halten damit also die Zahl der Bezugs- und Pflegepersonen möglichst gering.
  • Wir sorgen dafür, dass der Bewohner keinem vermeidbaren Stress ausgesetzt wird. Wir planen die täglichen Pflegemaßnahmen so, dass diese "am Stück" durchgeführt werden. Die Ruhephasen des Bewohners sollten nicht immer wieder durch kurze Pflegetätigkeiten unterbrochen werden.
  • Wir führen ggf. ein Realitäts-Orientierungs-Training durch. Wir geben unseren Bewohnern eine laufende zeitliche Orientierung, etwa durch Abreißkalender, durch große Uhren und durch eine jahreszeitliche Gestaltung der Wohnbereiche.
  • Ein neuer Bewohner wird sorgfältig mit dem Leben im Heim vertraut gemacht. Alle Pflegekräfte stellen sich immer wieder mit Namen vor und tragen Namensschilder.
  • Wir klären, wie alt die Brille des Bewohners ist, und regen ggf. die Vorstellung beim Augenarzt an. Der Bewohner sollte seine Brille stets tragen.
  • Wir prüfen, ob das Hörgerät des Bewohners angemessen und funktionstauglich ist. Der Bewohner sollte seine Hörhilfen permanent und beidseitig nutzen.
  • Wir fördern die sozialen Kontakte unter den Bewohnern. Zu beachten ist jedoch dabei, dass der enge Umgang mit anderen desorientierten Senioren die Symptome bei akut verwirrten Bewohnern eher verschlimmern wird.
  • Ein Dämmerlicht hilft dem Bewohner nachts bei der Orientierung und beugt Angstzuständen vor.
Symptome
  • Wir achten intensiv auf Symptome, die für eine einsetzende akute Verwirrtheit sprechen. Wichtig ist dabei immer der Vergleich zum Verhalten, dass der Bewohner noch vor einigen Tagen zeigte. Bei einer leichten Verwirrung sind die betroffenen Bewohner häufig auf den ersten Blick unauffällig. Wenn die Pflegekraft sie jedoch nach dem Namen der Einrichtung oder nach dem Wochentag fragt, kennen sie die Antwort nicht.
  • Folgende Formen der Desorientierung sind relevant:
    • Der Bewohner ist zeitlich verwirrt. Er kann also z.B. das heutige Datum, das aktuelle Jahr oder die Jahreszeit nicht benennen. Der Pflegebedürftige vergisst die Essenszeiten und kommt nicht zu Verabredungen. Der Tag- und Nachtrhythmus ist gestört. Der Bewohner ist also unruhig in der Nacht und schläfrig am Tag. Typisch ist ständiges Fragen, etwa "Wann gibt es Mittagessen?" oder "Wie spät ist es?".
    • Es kommt zu einer örtlichen Verwirrung. Der Bewohner kennt seinen Aufenthaltsort nicht. Er glaubt, er wäre z.B. in einem Hotel. Gemeinschaftsräume oder Toiletten werden nicht gefunden. Der Bewohner findet sich im eigenen Zimmer nicht mehr zurecht. Er verlegt Gegenstände und sucht stundenlang nach ihnen. Er erhebt grundlose Diebstahlsvorwürfe gegen Mitbewohner oder gegen Pflegekräfte. Sehr häufig kommt es zum Weglaufverhalten. Der Bewohner will "nach Hause".
    • Der Bewohner leidet unter einer personellen Verwirrtheit. Es werden also Mitbewohner und Pflegekräfte verwechselt. Bei gravierenderen Störungen werden Angehörige nicht erkannt. Typisch bei verwirrten Senioren ist die plötzliche Nutzung einer ungewöhnlich formellen Sprache, wie sie im Umgang mit völlig fremden Personen üblich wäre. So werden also Freunde oder auch Verwandte gesiezt und mit Aussagen konfrontiert wie: "Verlassen Sie sofort mein Haus. Ich kenne Sie nicht." Ggf. vergisst der Bewohner den eigenen Namen.
    • Es liegt eine situative Desorientierung vor. Der Bewohner erfasst die Realität nicht mehr richtig. Er sieht sich bedroht, etwa weil er den Krimi im Fernsehen für wirklich hält. Oder er glaubt, dass er zur Arbeit gehen oder die Kinder von der Schule abholen müsse.
    • Der Bewohner zeigt sonstiges ungewöhnliches Verhalten. Er hat einen erhöhten Bewegungsdrang, ist unruhig, schreit, schimpft oder tobt. Pflegekräfte beobachten Schweißausbrüche, Zittern, Hypertonie oder Tachykardie. Es kommt zu Wortfindungsproblemen, Schwierigkeiten bei der Satzbildung oder zum vollständigen Verlust der Sprachfähigkeit.
Durchführung: Gefahreneinschätzung
  • Wenn eine akute Verwirrtheit festgestellt wird, muss die Pflegekraft entscheiden, ob die Symptomatik ein Abwarten rechtfertigt oder ob die Alarmierung des Notarztes angemessen ist.
  • Wir warten nur dann zunächst ab, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
  • Wir können mit hinreichender Sicherheit den Auslöser benennen. Wir sind überdies in der Lage, die Ursache so weit zu lindern, dass zeitnah mit einer Normalisierung der Situation zu rechnen ist.
  • Die Desorientierung trat in ähnlicher Form und in vergleichbarer Intensität bereits in der Vergangenheit auf. Der behandelnde Arzt hat eine Bedarfsmedikation angeordnet. Wir sind in der Lage, diese sicher zu applizieren. Es ist wahrscheinlich, dass das Medikament binnen kurzer Zeit den Zustand des Bewohners bessert.
  • Die Symptomatik wirkt insgesamt nicht bedrohlich. Insbesondere sind die Vitaldaten stabil.
  • Ansonsten wird der Arzt bzw. der Notarzt über den Zustand des Bewohners informiert. Wir vermeiden damit, dass bei schweren Erkrankungen, wie etwa einer Hirnschädigung, wertvolle Zeit vergeudet wird. Kriterien für einen Notruf sind:
  • Die gemessenen Vitaldaten lassen auf eine akute Gesundheitsgefährdung schließen.
  • Die Verwirrtheit tritt erstmalig auf oder in einer deutlich intensiveren Form als bislang beim Bewohner üblich.
  • Pflegerische und medikamentöse Maßnahmen, die in bisherigen Fällen die Situation normalisierten, sind in diesem Fall wirkungslos.
Suche nach Auslösern
  • Wir prüfen, ob der Bewohner an einer Exsikkose leidet. Ein Flüssigkeitsmangel zeigt sich u.a. durch ausgetrocknete Mundschleimhäute, eine trockene Zunge, verstärktes Durstgefühl und eine konzentrierte und verminderte Urinausscheidung. Wir führen dem Bewohner Flüssigkeit zu, erstellen einen Trinkplan und beobachten sein Trinkverhalten. In Absprache mit dem behandelnden Arzt erfolgt ggf. eine stationäre Infusionstherapie.
  • Wir prüfen die Vitalzeichen. Wir achten insbesondere auch auf Stoffwechselentgleisungen wie etwa Unterzuckerung ("Hypoglykämie") oder Überzuckerung ("Hyperglykämie"). Außerdem werden der Puls, die Pulsqualität und der Blutdruck ermittelt.
  • Wir prüfen, ob es Anzeichen für eine Infektion gibt. Wir messen dafür insbesondere die Körpertemperatur. Wir achten auf die Atmung (mögliche Lungenentzündung) und auf etwaige Wundinfektionen.
  • Wichtig ist auch der Ausschluss von Harnverhalt und Harnwegsinfektionen. Wir prüfen daher, ob der Bewohner Urin lassen kann.
  • Die Medikamentenversorgung der vergangenen 24 Stunden wird überprüft. Wir achten auf Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Missbrauch oder Überdosierung. Dieses tritt vor allem auf bei Beruhigungsmitteln (Sedativa), S

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Weitere Informationen zu diesem Thema

 
Schlüsselwörter für diese Seite Notfall; Demenz; Verwirrtheit, akute
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