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Version 2.07a - 2014

Standard "Pflege von Menschen mit Halluzinationen / Illusionen"

 
Nicht jeder Senior, der im Tapetenmuster eine Fratze erkennt, ist gleich ein Fall für die Alterspsychiatrie. Mit einer einfühlsamen Betreuung und einer gewissenhaften Ursachenforschung können Pflegekräfte frühzeitig verhindern, dass sich Sinnestäuschungen zu einem gefährlichen Wahn festigen.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


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Standard "Pflege von Menschen mit Halluzinationen / Illusionen"
Definition: Halluzination
  • Eine Halluzination ist eine sensorische Wahrnehmung, die nicht durch einen externen Reiz ausgelöst wird. Sie tritt (als Abgrenzung zum Traum) im Wachzustand auf. Der Betroffene hält das Wahrnehmungserlebnis für einen realen Sinneseindruck.
  • Halluzinationen treten auf bei akuter Verwirrtheit, bei organischen Psychosen, bei Schizophrenie, als Nebenwirkung verschiedener Medikamente sowie bei hirnorganischen Schädigungen.
  • Die Veranlagung für Halluzinationen und für Illusionen ist erblich.
  • Einfache Sinnestäuschungen wie etwa Lichtblitze oder unspezifische Geräusche können auch bei Gesunden auftreten, wenn diese z.B. übermüdet sind.
  • Wir unterscheiden zwischen verschiedenen Formen von Halluzinationen:
  • Optische Halluzinationen: Der Bewohner sieht Personen oder Gegenstände, die tatsächlich nicht existieren. Alkoholkranke erblicken z.B. oftmals kleine weiße Mäuse. Andere Betroffene sehen angreifende Ungeheuer oder Menschen.
  • Akustische Halluzinationen: Der Bewohner hört Stimmen oder andere Geräusche. Nicht selten kommentieren diese Stimmen sein Verhalten oder geben ihm Befehle.
  • Haptische Halluzinationen: Der Bewohner glaubt, angefasst oder berührt zu werden.
  • Olfaktorische Halluzinationen: Der Bewohner nimmt nicht existierende Gerüche wahr. Diese sind zumeist unangenehm (Exkremente) oder gefährlich (Rauch und Gas).
  • Körperhalluzinationen: Der Bewohner nimmt seinen Körper verändert wahr. Er fühlt Strom durch den Körper fließen. Oder er glaubt, dass sich der Körper verformt. Manche Betroffene spüren Ungeziefer über die Haut krabbeln.
  • Halluzinationen können Angst und Unruhe auslösen. Betroffene reagieren ggf. mit Aggressionen. Bei anhaltender Symptomatik kann sich diese Störung zum Wahn verfestigen und das Suizidrisiko erhöhen.
  • Viele Senioren haben gelernt, mit Halluzinationen zu leben. Die Stimmen, Trugbilder usw. sind also nach wie vor vorhanden. Der Betroffene ist jedoch in der Lage, diese falschen Sinneseindrücke zu ignorieren.
  • Wahnerkrankungen sind abzugrenzen von Halluzinationen. Nicht jeder Wahnkranke hat Halluzinationen. Und nicht jede Person, die Halluzinationen erlebt, ist wahnkrank.
Illusion
  • Eine Illusion ist eine falsche Interpretation eines externen Reizes. Im Gegensatz zur Halluzination existieren die Objekte oder Reizauslöser tatsächlich, werden aber subjektiv umgedeutet oder verkannt. Der betroffene Bewohner nimmt also einen Reiz wahr, den er aber aufgrund einer Störung seiner kognitiven Fähigkeiten nicht korrekt einordnen kann. Die Deutung der Wahrnehmung wird beeinflusst durch innere Wünsche oder Ängste. Beispiel: Der Kleiderständer im Flur wird für einen Mann mit Mantel und Hut gehalten.
  • Illusionen treten auf bei Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis, organischen Psychosen (etwa Alkoholdelir, Drogenintoxikation) oder Epilepsie.
Grundsätze:
  • Wir nehmen Sinnestäuschungen unserer Bewohner stets ernst. Der Bewohner ist davon überzeugt, dass seine Eindrücke real sind.
  • Das zentrale Element in der Pflege von Menschen mit Sinnestäuschungen ist das Vertrauen zwischen Bewohner und Pflegekraft.
  • Sinnestäuschungen sind oftmals ein ernstes Warnsignal für tiefer gehende physische oder psychische Störungen, die stets ärztlich untersucht werden müssen.
Ziele:
  • Die Angstgefühle des Bewohners werden reduziert.
  • Der Bewohner fühlt sich ernst genommen. Er hat Vertrauen zu seinen Pflegekräften.
  • Der Bewohner zweifelt an der Realität der Sinnestäuschungen und beachtet diese in Zukunft weniger.
  • Der Bewohner ist in der Lage, kontrolliert auf Sinnestäuschungen zu reagieren.
  • Der Bewohner wird unter dem Eindruck der Sinnestäuschungen nicht aggressiv.
  • Der Bewohner stellt für sich und für andere Menschen keine Gefahr dar.
  • Die Sinnestäuschung verfestigt sich nicht zum Wahn.
  • Die Intensität der Sinnestäuschungen nimmt ab.
  • Der Bewohner hat langfristig keine Sinnestäuschungen mehr.
Vorbereitung: allgemeine Maßnahmen
  • Der Umgang mit halluzinierenden Bewohnern wird ggf. in Rollenspielen geübt.
  • Bei der Auswahl der Bezugspflegekraft achten wir darauf, dass eine Pflegekraft eingesetzt wird, die mit diesem Krankheitsbild bereits Erfahrungen hat. Diese Zuordnung sollte nach Möglichkeit nicht wechseln.
  • Wichtig ist der einheitliche Umgang mit dem Bewohner innerhalb des Teams. Die Pflege von Bewohnern mit Sinnestäuschungen wird daher in Teambesprechungen regelmäßig thematisiert. Gemeinsam sprechen wir das weitere Vorgehen ab.
Informationssammlung und Erkennung von Sinnestäuschungen
  • Eine fundierte Biografiearbeit liefert häufig wichtige Informationen für eine erfolgreiche pflegerische Versorgung. Wir suchen daher den Dialog mit den Angehörigen. Wir fragen nach Lebenskrisen, die beim Bewohner zu einer existenziellen Lebensangst geführt haben könnten.
  • Wir beachten, dass viele Betroffene nicht gerne über ihre Halluzinationen reden. Ggf. leugnet der Bewohner das Vorhandensein von Halluzinationen.
  • Mitunter bemerken Pflegekräfte zunächst, dass das Verhalten des Bewohners vom Üblichen abweicht. Der Bewohner führt z.B. Selbstgespräche oder blickt angsterfüllt in eine bestimmte Ecke eines Raums usw. Der Bewohner offenbart sich dann ggf. erst nach gezieltem Nachfragen.
  • Problematisch ist auch, dass viele Menschen ihre Trugbilder nur schwer in Worte fassen können.
Kriterien für eine ärztliche Therapie
Wir prüfen, ob die von uns beobachtete Symptomatik die Vorstellung des Bewohners beim Arzt rechtfertigt. Dieses ist nur dann der Fall, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
  • Die trügerischen Wahrnehmungen treten wiederholt auf.
  • Der Bewohner empfindet die Wahrnehmungen als bedrohlich. Er ist verängstigt.
  • Der Bewohner hört Stimmen.
  • Die Sinnestäuschungen wirken sich negativ auf die Lebensqualität des Bewohners aus. Der Bewohner klagt über Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Muskelkrämpfe, Muskelschwäche, Zittern, Gedächtnisprobleme oder über Kopfschmerzen.
  • Der Bewohner findet in der Nacht nicht mehr ausreichend Schlaf.
  • Die Sinnestäuschungen sind mutmaßlich die Nebenwirkung eines verordneten Medikaments.
  • Der Bewohner nimmt Drogen, die die Sinnestäuschungen verursachen. Der Bewohner konsumiert große Mengen Alkohol.
  • Sofern die Sinnestäuschungen gemeinsam mit einseitigen Lähmungserscheinungen, Seh- und Sprachstörungen, Kopfschmerzen und Übelkeit auftreten, kann ein Schlaganfall vorliegen. Wir rufen dann unverzüglich den Notarzt.
Durchführung: allgemeine Maßnahmen bei Sinnestäuschungen
  • Wenn der Bewohner unerwartet unter Sinnestäuschungen leidet, klären wir zunächst, ob andere Faktoren dafür verantwortlich sein können. Etwa:
    • Entzugsdelir
    • hohes Fieber
    • Exsikkose
    • Übermüdung
    • Angst
    • Stress
    • Depressionen
    • Migräne
    • Demenz
    • psychotrop wirkende Medikamente
    • Drogenmissbrauch
    • Hypoglykämie
    • Schilddrüsenfunktionsstörungen
    • Konsum von giftigen Pflanzen wie Stechapfel oder Tollkirsche
    • nachlassende Sehkraft, unangepasste Brille
    • nachlassende Hörfähigkeit, defektes Hörgerät
    • Reizüberflutung durch Fernsehen oder Radio
  • Bewohner, die vermehrt unter Sinnestäuschungen leiden, werden engmaschiger überwacht, insbesondere bei einem akuten Schub.
  • Bei akuten Schüben versuchen wir, den Bewohner von äußeren Belastungen abzuschirmen.
  • Wir erarbeiten mit dem Bewohner einen Tagesablauf, der ihm viele verschiedene Sinneseindrücke ermöglicht.
  • Wir sorgen für eine gute und schattenfreie Beleuchtung im Bewohnerzimmer.
  • Häufig wirkt Körperkontakt beruhigend auf den Bewohner, etwa das Halten seiner Hand.
  • Die Pflegekraft hört dem Bewohner geduldig zu und versucht, sich in die Sinnestäuschung hineinzuversetzen, ohne diese zu bewerten oder zu übernehmen. Wir bitten den Bewohner, zu beschreiben, was er sieht und was er hört.
  • Die Pflegekraft klärt, ob die Sinnestäuschung einen Bezug zur Bewohnerbiografie hat. Ggf. nimmt sie Kontakt mit Angehörigen und mit Freunden auf.
  • Wir achten auf akute Gefährdungen, wie etwa Rückzug und Isolation sowie Nahrungsverweigerung.
  • Wir versuchen, den Bewohner stärker in das soziale Gefüge de

    +++ Gekürzte Version. Das komplette Dokument finden Sie hier. +++



 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Wahn; Aggression; Halluzinationen; Illusionen; Schizophrenie; Alkohol;Fieber; Demenz; Entzug
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