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Version 2.05 - 2016

Standard "Pflege von blinden und stark sehbehinderten Senioren"

 
90 Prozent aller Informationen über seine Umwelt gewinnt der Mensch über die Augen. Entsprechend große Einschränkungen bringt eine Blindheit oder eine starke Sehbehinderung mit sich. Die Pflege von Betroffenen ist anspruchsvoll und sollte daher für das QM-Handbuch schriftlich fixiert werden.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Pflege von blinden und stark sehbehinderten Senioren"
Definition:
  • Totale Blindheit (Amaurose) ist ein Fehlen des Sehvermögens, das entweder angeboren ist oder erworben wurde.
  • Als "blind" werden auch Menschen bezeichnet, die unter einer so starken Sehschwäche oder Gesichtsfeldeinschränkung leiden, dass sie sich in unvertrauter Umgebung nicht zurechtfinden können. Eine Blindheit liegt vor, wenn die Sehstärke auf dem besseren Auge auf zwei Prozent des Normalwerts gesunken ist oder andere Störungen vorliegen, die dauerhaft die Sehstärke auf 2 Prozent oder weniger senken. In solchen Fällen sind Betroffene nur noch in der Lage, hell und dunkel zu unterscheiden.
  • Die wichtigsten Ursachen für Blindheit sind Schädigungen der Netzhaut, Erkrankungen des Sehnervs, Glaukom ("grüner Star"), Retinopathia diabetica, Katarakt ("grauer Star") sowie Beschädigungen des Sehzentrums im Hirn etwa als Folge von Durchblutungsstörungen, Tumoren oder entzündlichen Prozessen.
Grundsätze:
  • Es ist uns bewusst, dass insbesondere eine frisch eingetretene Blindheit zu Zorn, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Aggressivität führen kann. Wir lassen diese Gefühle soweit möglich zu.
  • Alle Tätigkeiten, die ein sehbehinderter oder blinder Bewohner selbstständig oder mit Unterstützung erledigen kann, sollten nicht voreilig von den Pflegekräften übernommen werden.
  • Sehbehinderte oder blinde Bewohner haben das Recht auf vollständige Teilhabe am sozialen Leben. Der Kontakt mit sehenden Bewohnern wird von uns nach Kräften gefördert.
  • Sehbehinderte oder blinde Bewohner haben das Recht auf eine umfasende Versorgung mit technischen Hilfsmitteln.
Ziele:
  • Der Bewohner wird vor Isolation und vor Einsamkeit geschützt.
  • Verbliebene Sehfähigkeiten werden gefördert.
  • Der Bewohner erhält die bestmögliche medizinische Betreuung und eine gute Versorgung mit Hilfsmitteln.
  • Die Sicherheit des Bewohners ist gewährleistet, insbesondere im Straßenverkehr. Der Bewohner stürzt nicht.
  • Der Bewohner wird mit der Lebenskrise, die eine unlängst erfolgte Blindheit auslöst, nicht allein gelassen.
Vorbereitung:
  • Pflegekräfte sind aufgefordert, sich mit Selbstexperimenten in die Lage des Bewohners einzufühlen, sich also etwa mit geschlossenen Augen von einem Kollegen führen zu lassen.
  • Betroffene Bewohner erhalten eine geschulte und erfahrene Bezugspflegekraft. Diese sollte nach Möglichkeit nicht wechseln.
Durchführung: Kommunikation
  • Bei Begegnungen auf dem Flur oder in Gemeinschaftsräumen nennt die Pflegekraft stets ihren Namen.
  • Beim Betreten des Zimmers stellt sich die Pflegekraft mit Namen vor und erklärt den Zweck ihres Besuchs. Auch Mitbewohner werden gebeten, im Kontakt mit dem erblindeten Senioren stets einleitend ihren Namen zu nennen. Bei schon langjährig Erblindeten kann ggf. darauf verzichtet werden, da er die verschiedenen Pflegepersonen schon am Gang erkennt.
  • Der Bewohner wird immer mit seinem Namen begrüßt. Er weiß dann, dass er (und keine andere Person) angesprochen wurde.
  • Während des Aufenthalts im Zimmer beschreibt die Pflegekraft, welche Tätigkeiten sie aktuell durchführt.
  • Wenn die Pflegekraft das Zimmer verlässt, informiert sie zuvor den Bewohner darüber.
  • Auf Wunsch erhält der Blinde die Möglichkeit, das Gesicht der Pflegekraft abzutasten, um sich ein Bild von seinem Gegenüber machen zu können.
  • Pflegekräfte müssen sich bewusst sein, dass Blinde den nonverbalen Teil der Kommunikation (Mimik, Gestik usw.) nicht erkennen und erfassen können.
  • Alle Erklärungen sollten möglichst konkret und sachlich erfolgen, etwa: "Ihre Brille liegt auf dem Tisch gleich rechts neben Ihrer Pfeife und dem Tabak."
  • Hinweise wie "hier", "da" oder "dort" sind für Betroffene wertlos, da sie die richtungsweisende Geste nicht sehen können.
Gestaltung der Umwelt
  • Beim Heimeinzug wird der Bewohner in sein Zimmer begleitet. Die Pflegekraft erklärt dem Bewohner die Funktion aller hier befindlichen Gegenstände. Der Bewohner erhält ausreichend Zeit, sich per Fühlen und Ertasten mit jedem Objekt vertraut zu machen. Im Badezimmer erklärt die Pflegekraft etwa, wo sich die Toilettenspülung und das Toilettenpapier befinden. Besonders wichtig ist es, den Bewohner in die Rufanlage einzuweisen.
  • So zeitnah wie möglich wird der Bewohner durch die Einrichtung geführt. Er lernt den Speiseraum und seinen Sitzplatz kennen, sowie den Raum für die Beschäftigungsangebote und weitere Gemeinschaftsräume. Dabei werden ihm die Besonderheiten auf den Wegen oder in den Räumen genau erklärt.
  • Das persönliche Ordnungssystem des Bewohners im Zimmer wird beachtet, auch wenn es auf die Pflegekräfte konfus wirkt. Ohne vorherige Absprache mit dem Bewohner werden keine Veränderungen im Zimmer vorgenommen. Dazu zählt das Verrücken von Möbeln ebenso wie die Änderung der Position von wichtigen Gegenständen. Auf diese Vorgabe machen wir insbesondere auch die Reinigungskräfte aufmerksam.
  • Generell sollte auf Hindernisse und auf Gegenstände geachtet werden, über die der Bewohner stolpern könnte. Wichtig ist insbesondere ein kurzer und unverstellter Weg zum Badezimmer.
  • Zerbrechliche Gegenstände können, auf Wunsch des Bewohners, mit doppelseitigem Klebeband fixiert werden.
  • Treppenabsätze, Geländer und Haltegriffe werden mit kontrastreichen Farben versehen. Ggf. können die erste und die letzte Treppenstufe fühlbar gemacht werden.
  • Wir achten auf eine gute Beleuchtung.
  • Die Zimmertür des Bewohners wird mit einem eindeutig fühlbaren Symbol oder mit der fühlbaren Zimmernummer gekennzeichnet.
  • Zimmertüren werden entweder geöffnet oder geschlossen. Halb offene Türen sind ein Kollisionsrisiko.
  • Schranktüren werden ebenfalls immer wieder geschlossen.
  • Bei sich automatisch öffnenden Türen erklärt die Pflegekraft, in welche Richtung sie sich jeweils öffnet und schließt und welcher Abstand eingehalten werden muss.
  • Wir setzten uns mit der Haustechnik zusammen, um diese Dinge umzusetzen.
Hilfsmittel
  • Wenn der Bewohner das Haus verlässt, statten wir ihn mit einem weißen Stock und der gelben Armbinde mit drei schwarzen Punkten aus, sofern er dieses wünscht.
  • Wir prüfen, ob ein Blindenführhund notwendig ist und beantragt werden sollte.
  • Wir testen, ob der Bewohner eine computergestützte Lesehilfe benötigt. Diese kann auf Kosten der Krankenkasse ausgeliehen werden. Alternativ kann der Einsatz von Lupen oder Prismenfernrohrbrillen sinnvoll sein.
  • Wir beraten und übernehmen auf Wunsch die Beantragung von Hilfsmitteln bei der Krankenkasse.
  • Wir stellen den Kontakt zur Arbeitsgemeinschaft der Blindenhörbüchereien her. Auf Wunsch kann der Betroffene von dort verschiedene literarische Werke als Hörbuch beziehen. Bei Sehbehinderten prüfen wir, ob Bücher im Großdruck für den Betroffenen interessant sein könnten.
  • Wir halten ggf. Bücher und Zeitschriften in Brailleschrift bereit.
  • Ggf. statten wir den Bewohner mit einer Uhr zum Ertasten aus. Viele Geräte können mittlerweile auch "sprechen".
  • Die Brille eines Sehbehinderten sollte immer sauber und griffbereit sein.
soziale Kontakte
  • Wir stehen dem Bewohner jederzeit für ein persönliches Gespräch zur Verfügung. Insbesondere, wenn die Erblindung erst vor kurzer Zeit eintrat, ist menschliche Zuwendung sehr wichtig.
  • Wir beraten den Bewohner, der gerade erblindet ist, gerne zu den Themen Blindengeld und Behindertenausweis.
  • In unseren Freizeiträumen halten wir auch Brett- und Gesellschaftsspiele für Blinde bereit. Wenn wir mit dem Blinden den Raum betreten, benennen wir alle anwesenden Personen und erklären, was sie gerade machen.
  • Bei Veranstaltungen im Haus ist es hilfreich, wenn wir dem Bewohner ab und zu vermitteln, was gerade geschieht und wie es aussieht.
  • Wir stellen ggf. den Kontakt zu Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen her.
  • Wir ziehen einen Ergotherapeuten heran. Dieser kann mit dem Bewohner ein Alltagstraining durchführen.
  • Wir regen an, Kontakte zu Freunden und zu Verwandten weiter zu pflegen.
  • Wir ermutigen den Bewohner, Sportarten auszuüben, die seinem individuellen Restsehvermögen angepasst sind.
  • Wir prüfen, ob in unserer Stadt ein ehrenamtlicher Vorleser verfügbar ist.
  • Wir machen den Bewohner mit den neuen elektronischen Medien vertraut, etwa mit einem MP3-Player.
  • Wir ermutigen und beraten den Bewohner zur selbständigen Auswahl des Radio- und / oder Internetangebots.
Vorlesen der Post
  • Briefe werden dem Bewohner ungeöffnet übergeben. Die Pflegekraft nennt lediglich den Absender des Briefs. Der Pflegebedürftige kann selbst entscheiden, welche Pflegekraft oder welcher Angehörige das Vorlesen übernehmen soll.
  • Die Pflegekraft liest langsam und deutlich.
  • Kommentare zum Gelesenen sind zu unterlassen.
  • Der Inhalt des vorgelesenen Briefs ist streng vertraulich.


+++ Gekürzte Version. Das komplette Dokument finden Sie hier. +++



 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Blindheit; Sehbehinderung; Erblindung; Auge
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