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Version 2.05f - 2015

Notfallstandard "Sepsis ('Blutvergiftung')"

 
Allen Hygienemaßnahmen zum Trotz kann es im täglichen Umgang mit Kathetern, mit Drainagen und mit Injektionen immer kleinere Fehler geben. Nicht selten entwickelt sich dann aus einer kleinen Infektion eine handfeste Sepsis. Ein guter Pflegestandard ermöglicht es Ihrem Team, eine solche Blutvergiftung korrekt zu erkennen und schnell die notwendigen Maßnahmen einzuleiten.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Notfallstandard "Sepsis ('Blutvergiftung')"
Definition:
  • Eine Sepsis (auch "Septikämie" oder "Blutvergiftung") ist eine lebensbedrohende Allgemeininfektion mit hohem intermittierendem Fieber und Schüttelfrost.
  • Eine Sepsis entsteht durch die Streuung von Keimen aus einem lokalen Infektionsherd heraus. Der Erreger wird kontinuierlich oder periodisch in die Blutbahn abgegeben. Dabei handelt es sich zumeist um Bakterien, seltener um Pilze. Eine Sepsis wird durch eine allgemeine Abwehrschwäche begünstigt.
  • Durch den Blutstrom werden diese Keime in alle Organe des Körpers transportiert, wo sie septische Metastasen bilden können, also infektiöse Ansiedelungen. Dieses etwa im Gehirn oder in den Herzklappen. Verschiedene Keime können sich auch im Blut selbst vermehren.
  • Das Leitsymptom einer Sepsis ist ein hohes intermittierendes Fieber mit sog. "Fieberzacken". Das Fieber steigt also rasch auf hohe Werte an, sinkt dann aber innerhalb eines Tages wieder deutlich ab. Daraufhin steigt die Körpertemperatur erneut rapide an. (Hinweis: Vor allem bei alten und abwehrgeschwächten Menschen kann das Fieber auch ausbleiben. Eine annähernd normale Körpertemperatur ist somit kein Ausschlusskriterium.)
  • In Deutschland kommt es pro Jahr zu mehr als 100.000 Fällen von Sepsis. Die Hälfte aller Fälle geht vom Urogenitalsystem aus, also etwa nach einer Katheterisierung der Harnblase. Weitere häufige Auslöser sind Cholezystitis (Gallenblasenentzündung) oder Endokarditis (Entzündung der Herzinnenhaut). Sepsisherde können auch Wundinfektionen, Lungenentzündungen, chronische Mandel-, Mittelohr- und Nasennebenhöhlenentzündungen sein.
  • Wichtige Sepsiserreger sind Staphylokokken, Streptokokken, Meningokokken, Pneumokokken, Kolibakterien, Proteus und Pseudomonas.
  • Das Krankheitsgeschehen wird in verschiedene Stadien eingeteilt:
    • SIRS: ("systemic inflammatory response syndrome"), also eine systemische Entzündungsreaktion ohne Nachweis eines auslösenden Erregers
    • Sepsis: eine systemische Entzündungsreaktion als Folge einer nachweisbaren Infektion
    • schwere Sepsis: eine Sepsis mit Organstörungen, etwa der Lunge, der Niere oder der Leber
    • septischer Schock: eine Sepsis mit Schock, die gravierendste Form einer Sepsis
  • Als Bakteriämie hingegen wird das Vorkommen von Bakterien im Blut bezeichnet, wenn keinerlei Symptome eines systemischen Entzündungssyndroms vorliegen. Die Bakterien werden in diesem Fall also vernichtet, bevor sie sich in anderen Organen ansiedeln können.
Grundsätze:
  • Ein sofortiger Therapiebeginn ist entscheidend für das Überleben des Bewohners.
  • Schon ein begründeter Verdacht auf eine sich entwickelnde Sepsis rechtfertigt die sofortige Anforderung eines Arztes / Notarztes.
Ziele:
  • Die Bedrohung durch die Sepsis wird korrekt erkannt.
  • Die ärztliche Therapie wird zeitnah eingeleitet.
  • Der Kreislauf des Bewohners wird stabilisiert, bis Hilfe eingetroffen ist. Die Organfunktionen bleiben erhalten.
Vorbereitung: Vermeidung einer Sepsis
  • Hygienische Standards in unserem Haus werden konsequent umgesetzt. Dazu zählen insbesondere eine lückenlose Händehygiene und aseptische Bedingungen bei Arbeiten an Kathetern, Infusionssystemen, Injektionen usw.
  • Wir prüfen regelmäßig, ob wir an i.v.-Zugängen, an Drainagen oder an Wunden Auffälligkeiten feststellen können.
Risikoprüfung
Wir prüfen, ob der Bewohner einer Risikogruppe angehört. Dazu zählen verschiedene Krankheitsbilder, etwa:
  • Immunsuppression
  • Zytostatikatherapie
  • AIDS
  • Blasenverweilkatheter
  • Venenkatheter
  • Diabetes mellitus
  • Leberzirrhose
  • bösartige Tumore
  • kürzlich zurückliegender operativer Eingriff
Durchführung: Symptome
Wir achten auf die typischen Symptome einer Sepsis:
  • hohes intermittierendes Fieber bis zu 40°C; nur leichtes Fieber bei Pilzsepsis
  • Körpertemperartur von unter 36°C
  • Schüttelfrost
  • erhöhte Atemfrequenz über 20 /Min. bis hin zur Hyperventilation
  • gesteigerter Puls über 90/Min
  • abgesenkter Blutdruck
  • erstmals auftretende Herzgeräusche
  • mangelnder Appetit, dadurch zunehmender körperlicher Verfall
  • Bewusstseinsstörungen
  • Verwirrtheit
  • motorische Unruhe
  • Kopf- und Gliederschmerzen ähnlich einer Grippe
  • Milz- und Lebervergrößerungen
  • Lymphknotenschwellung
  • Ödeme
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Diarrhoe
  • grau-blasse, marmorierte Haut
  • Petechien, also punktförmige Einblutungen in die Haut
  • Exantheme (akut auftretender Hautausschlag)
  • weitere Krankheitszeichen, die auf den Sepsisherd schließen lassen, also z.B. Rückenschmerzen bei einer Nierenbeckenentzündung
Hinweis:
  • Bei vielen Pflegebedürftigen kann eine Sepsis atypisch und somit symptomarm verlaufen. Dann sind allgemeiner Verfall sowie Verwirrtheit die auffälligsten Hinweise. In vielen Fällen kommt es also dazu, dass die Symptomatik einer Sepsis als normale Alterserscheinung fehlgedeutet wird.
spezielle Anzeichen eines septisch-toxischen Schocks
  • Frühstadium: (Der Pflegebedürftige sieht gesünder aus, als er tatsächlich ist.)
  • zunächst warme und gut durchblutete Haut
  • normaler Blutdruck
  • optisch guter Eindruck des Bewohners
  • Atmung und Herzschlag sind beschleunigt
  • hohes Fieber
  • Spätstadium:
  • Blutdruck sinkt
  • kalte Haut
  • Bewusstseinsstörungen
  • Gerinnungsstörungen
  • Nierenversagen
  • Schocklunge
Suche nach Sepsisherden:
Wir prüfen, welche lokale Infektion als Ausgangspunkt für die Sepsis in Betracht kommt. Wir geben diese Information an den (Not-)Arzt weiter. Etwa:
  • Katheter
  • Implantate
  • OP-Wunden
  • Infektionen, vor allem im Urogenitaltrakt
  • Traumata
  • möglicherweise kontaminierte Infusionen und Transfusionen
  • Dekubitus
  • Pneumonie
Notfallmaßnahmen
Wenn wir hinreichende Anzeichen für eine sich entwickelnde Sepsis feststellen, wird unverzüglich der Arzt/Notarzt gerufen. Bis zu dessen Eintreffen sind verschiedene Maßnahmen erforderlich:
  • Die Vitalfunktionen werden engmaschig überwacht, also insbesondere Blutdruck, Puls, Atmung und Bewusstseinszustand.
  • Die Körpertemperatur wird gemessen.
  • Der Hautzustand wird kontrolliert, wir achten insbesondere auf Blässe, Rötungen usw.
  • Der Bewohner soll Bettruhe halten.
  • Alle gemessenen Werte und Beobachtungen werden dokumentiert und dem Arzt mitgeteilt.
Weitere Maßnahmen
Nach Rücksprache mit dem Arzt werden verschiedene Pflegemaßnahmen durchgeführt:
  • Venöse Zugänge, Katheter, Sonden und Drainagen werden entfernt. Gleichzeitig halten wir Material bereit, damit der Arzt diese ggf. neu legen kann. Das verbrauchte Material wird nicht entsorgt, sondern für eine bakteriologische Untersuchung bereitgelegt.
  • Wenn der Bewohner unter Ödemen leidet, werden die entsprechenden Extremitäten hoch gelagert.
  • Hautverletzungen sollten vermieden werden. Petechien werden daher nicht mit einem Pflaster, sondern mit Binden versorgt.
  • Wir stellen alle relevanten Daten für den Arzt zusammen. Insbesondere Informationen zu:
  • Blutgerinnungsstörungen
  • Allergien gegen Antibiotika
  • vorhandene oder vermutete Resistenzen gegen Antibiotika (MRSA u.Ä.)
  • Der Standard "Krankenhauseinweisung" wird umgesetzt.
Nachbereitung: Prognose:
  • 20 bis 30 Prozent aller Sepsis-Patienten versterben innerhalb des ersten Monats nach Beginn der Erkrankung.
  • Wenn es zum septischen Schock kommt, erhöht sich die Sterblichkeit auf 40 bis 60 Prozent.
  • Senioren können auch Monate nach einer Sepsis noch an Gefühlsstörungen sowie an einer reduzierten Muskelkraft leiden. Betroffene erhalten dann Physiotherapie. Ggf. intensivieren wir die Maßnahmen im Rahmen der Sturzprophylaxe.
  • Es kann überdies zu psychischen Veränderungen kommen, also zu Wesensveränderungen.
Weitere Maßnahmen
  • Alle Beobachtungen und Maßnahmen werden sorgfältig dokumentiert.
Dokumente:
  • Berichtsblatt
  • Vitalzeichenkontrollblatt
  • ggf. Fieberkurve
  • Trinkprotokoll / Bilanzierungsbogen
  • Durchführungsnachweis
  • Leistungsnachweis medizinische Pflege
  • Fragen an den Arzt
  • Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Pflegekräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Sepsis; Blutvergiftung; Septikämie; Fieber; Antibiotika; Körpertemperatur
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