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Vers. 2.02b

Pflege von Senioren mit akuter Tonsillitis ("Mandelentzündung")

 
Anders als noch vor zehn oder fünfzehn Jahren sind Ärzte heute deutlich restriktiver beim Verschreiben von Antibiotika. Solange die Mandeln nicht massiv geschwollen oder vereitert sind, bleibt das Penicillin im Schrank. Wir zeigen Ihnen, wie Pflegekräfte die verbleibenden Mittel sinnvoll einsetzen.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!
 

Pflege von Senioren mit akuter Tonsillitis ("Mandelentzündung")
Definition:
  • Eine Tonsillitis liegt vor, wenn eine oder beide Mandeln (Tonsillen) entzündet sind. Die akute Tonsillitis kann sowohl durch Bakterien (Streptokokken) als auch durch Viren (Adeno- und Parainfluenzaviren) ausgelöst werden.
  • Betroffene erleiden starke Halsschmerzen (Schluckbeschwerden), Fieber, Kopf- und Ohrenschmerzen. Oft ist bereits das Öffnen des Mundes schmerzhaft. Die submandibulären Lymphknoten sind geschwollen und druckempfindlich. Die Tonsillen sind gerötet, geschwollen und oftmals mit eitrigen Belägen überzogen. Das Krankheitsbild entwickelt sich zumeist innerhalb weniger Stunden.
  • Verschiedene Infektionskrankheiten beginnen mit einer Tonsillitis. Etwa:
    • Scharlach (klinische Sonderform der Streptokokkeninfektion)
    • Pfeiffer-Drüsenfieber (Mononucleosis infectiosa; Erreger ist der Epstein-Barr-Virus)
    • Diphtherie (seltene Infektion mit Corynebacterium diphtheriae)
Grundsätze:
  • Jeder Bewohner hat Anrecht auf die beste Pflege und medizinische Betreuung.
  • Verfahren der Naturheilkunde kommen als Ergänzung (nicht Ersatz!) konventioneller Therapien in Betracht.
  • Alle Beobachtungen und Vitaldatenmessungen werden sorgfältig dokumentiert.
Ziele:
  • Der Bewohner erholt sich möglichst schnell von der Tonsillitis.
  • Der Bewohner hat keine Schmerzen.
  • Der Bewohner erhält eine angemessene medikamentöse Behandlung. Gleichzeitig erfolgt der Einsatz von Antibiotika erst dann, wenn dieses notwendig ist.
  • Komplikationen werden vermieden, insbesondere
    • lokaler Abszess
    • Mittelohrentzündung
    • Sepsis, wenn die Keime in die Blutbahn verschleppt werden
    • Streuung auf die Herzklappen
    • immunologische Prozesse mit rheumatischem Fieber oder Glomerulonephritis (Entzündung der Niere).
    • Augenkrankheiten
    • Urtikaria (Nesselsucht)
Vorbereitung: allgemeine Maßnahmen
  • Insbesondere in den kühlen Monaten achten wir darauf, dass sich der Bewohner witterungsgemäß kleidet. Eine Unterkühlung sollte vermieden werden.
  • Wir sorgen für einen angemessenen Impfschutz insbesondere gegen Grippe.
  • Unsere Mitarbeiter werden regelmäßig fortgebildet, insbesondere auch zum Krankheitsbild Tonsillitis.
  • Wir halten stets aktuelle Fachliteratur bereit.
Symptome Wir achten auf Symptome, die für eine Tonsillitis sprechen, etwa:
  • kontinuierliches Fieber über 38,5° C.
  • ggf. Schüttelfrost
  • Schluckbeschwerden
  • Schmerzen beim Öffnen des Mundes
  • ausstrahlende Schmerzen bis in die Ohren
  • Druckschmerz; insbesondere im Bereich der Lymphknoten am Kieferwinkel
  • ‚kloßige' Sprache als Folge der Tonsillenvergrößerung
  • Kaum andere klassische Erkältungssymptome, etwa Husten
  • Rötung und Schwellung der Tonsillen
  • Bildung eines schmierigen gelb-weißen Belages ("weiße Stippen") auf den Tonsillen, in Ausnahmefällen ein flächiger Belag
  • Rötung der Rachenschleimhaut
  • Schmerzen, die auf die Ohren ausstrahlen
  • eitriger Geschmack im Mund
  • vermehrter Speichelfluss
  • belegte Zunge
  • allgemeines Krankheitsgefühl
  • Kopf- und Gliederschmerzen
  • starker Mundgeruch
  • Halslymphknoten sind geschwollen und druckempfindlich
Durchführung: Kriterien für das Aufsuchen des Arztes Milde Verlaufsformen erfordern zumeist keinen Arztbesuch. Wir regen einen Arztbesuch an, wenn
  • eitrige Beläge sichtbar sind
  • die Lymphknoten geschwollen sind
  • Beschwerden länger als sieben Tage anhalten
  • der Bewohner große Schmerzen hat
  • es zu einem hohen Fieber kommt und der Bewohner sehr geschwächt wird
  • es zu Atemnot kommt
pflegerische Maßnahmen
  • Bei einer milden Verlaufsform ist eine lokale Therapie zumeist ausreichend. Etwa:
  • Lutschtabletten. Diese wirken lokal antibiotisch, antiseptisch, desinfizierend und anästhesierend.
  • Salbeitee
  • Der Bewohner erhält (kalte oder heiße) Wickel mir Quark, Zwiebeln, Zitronensaft, Leinsamenbrei oder zerquetschten Kartoffeln.
  • Dem Bewohner werden bevorzugt weiche Speisen angeboten, die beim Schlucken weniger Beschwerden verursachen. Danach kann Schritt für Schritt auf Normalkost umgestellt werden.
  • Wir regen die Speichelproduktion an. Der Bewohner soll auf trockener Brotrinde oder Kaugummi kauen. Alternativ soll er zuckerfreie Bonbons oder Drops lutschen.
  • Der Bewohner soll zweimal am Tag mit einem Aufguss inhalieren.
  • Der Bewohner sollte Bettruhe halten. Die Dekubitusgefahr ist deshalb zeitweise erhöht. Alle im Prophylaxestandard beschriebenen Maßnahmen werden umgesetzt.
  • Der Bewohner sollte sich warm halten, aber nicht schwitzen.
  • Wenn der Bewohner (etwa für einen Arztbesuch) das Gebäude verlassen muss, wird er konsequent vor der Kälte geschützt. Insbesondere sollte er einen Schal tragen.
  • Im Winter sollte die Raumluft feucht gehalten werden; also etwa mittels eines Raumbefeuchers.
  • Der Bewohner sollte viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Ideal ist (s.o.) Tee. Fruchtsäfte sollten vermieden werden.
  • Der Bewohner kann mit Salzwasser gurgeln, Wir geben einen Teelöffel Salz auf einen halben Liter lauwarmes Wasser. Alternativ nutzen wir Kamillen-, Salbei- oder Ringelblumentee.
  • Wir achten auf eine vitaminreiche Kost. (Hinweis: Diese sollte der Bewohner idealerweise bereits vor der Erkrankung erhalten.)
Informationssammlung Wir sammeln alle relevanten Informationen, um sicherzustellen, dass der behandelnde Arzt die richtige Therapie wählt. Dieses insbesondere, wenn der Bewohner demenziell erkrankt ist.
  • Gibt es eine bekannte Penicillin-Allergie?
  • Leidet der Bewohner unter einer Nierenfunktionsstörung oder unter Herzerkrankungen? (Hinweis: Penicillin V enthält Kalium)
  • Traten beim Bewohner in den letzten Tagen Magen-Darm-Erkrankungen auf? Hatte der Bewohner Durchfall? (Hinweis: In diesem Fall würde das Penicillin nur unzureichend vom Körper aufgenommen. Eine orale Applikation ist nicht sinnvoll.
  • Leider der Bewohner unter einer Leberfunktionsstörung? (Hinweis: Das Antibiotikum Clarithromycin wird über die Leber ausgeschieden. Verschiedene Antiseptika können die Leber schädigen.)
  • Leidet der Bewohner unter Migräne? Nimmt er deshalb Dihydroergotamin ein? (Hinweis: In diesem Fall darf kein Clarithromycin appliziert werden.)
  • Nimmt der Bewohner eines der folgenden Medikamente ein? Diese führen in Kombination mit Clarithromycin zur Herzrhythmusstörungen.
  • Cisaprid (verstärkt die Motilität im oberen Magen-Darm-Trakt)
  • Pimozid (lindert chronische Psychosen des schizophrenen Formenkreises)
  • Terfenadin (zur Behandlungen von Allergien)
  • Astemizol (zur Behandlungen von Allergien)
  • Ist der Bewohner alkoholkrank? (Hinweis. Antiseptika enthalten Alkohol.)
  • Leidet der Bewohner unter Asthma oder anderen Atemwegserkrankungen? (Hinweis: Chlorhexamed-Fluid enthält Levomenthol.)
Therapie Je nach Schwere der Krankheit stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung. Diese sind teils apothekenpflichtig und teils verschreibungspflichtig.
  • Wir regen ggf. an, einen Streptokokkenschnelltest durchzuführen. Damit kann der Arzt den Erreger oftmals binnen weniger Minuten sicher bestimmen. Alternativ kann eine Bakterienkultur aus einem Rachenabstrich angelegt werden.
  • Ggf. werden geeignete Mittel gewählt, um das Fieber zu senken (Standard "Pflege von Senioren mit Fieber").
  • Eine akute Tonsillitis sollte mindestens vier Tage mit einem Antibiotikum behandelt werden (Richtwert: oral verabreichtes Penicillin dreimal 1 Mio. I.E.).
  • Dem Bewohner wird dringend nahe gelegt, das Antibiotikum über den gesamten verordneten Zeitraum zu nehmen. Keinesfalls darf der Bewohner das Medikament eigenmächtig absetzen, sobald er sich besser fühlt.
  • Wenn der Bewohner Antibiotika einnimmt, achten wir auf den Nahrungs- und Flüssigkeitskonsum. Antibiotika beeinflussen das Geschmacksempfinden.
  • Antibiotika sollte vor dem Essen appliziert werden. Sie erreichen dann die maximale Wirkung.
  • Gegen starke Schluckbeschwerden wirkt Paracetamol. Der Wirkstoff kann ggf. als Zäpfchen verabreicht werden.
  • Wenn der Bewohner mit einem Präparat gurgelt, achten wir darauf, dass der Bewohner dieses danach möglichst vollständig wieder ausspuckt.
  • Wichtig ist auch eine regelmäßige Mundpflege. Wir achten dabei auf Bissverletzungen, die durch die anästesierende Wirkung vieler Präparate unbemerkt bleiben.
  • Bewohner, die von der Wirksamkeit homöopathischer Mittel überzeugt sind, erhalten z.B. Meditonsin oder Tonsiotren.
Pflege nach einer Tonsillektomie Wenn es gehäuft zu Mandelentzündungen kommt, kann es notwendig werden, die Gaumenmandeln operativ zu entfernen. Dieser Eingriff wird stets stationär durchgeführt. Es schließt sich ein zumeist fünftätiger Krankenhausaufenthalt an. Nach der Rückkehr in das Pflegeheim sind Komplikationen selten.
  • Am vierten bis sechsten Tag nach der Operation, also ggf. schon wieder im Pflegeheim, können die Schmerzen noch einmal an Stärke zunehmen. In dieser Heilungsphase wird der Wundschorf abgestoßen.
  • Schmerzen lassen sich oft mit einer sog. "Eiskrawatte" linden.
  • Postoperative Nachblutungen sind innerhalb von bis zu 14 Tagen möglich. Wir inspizieren regelmäßig den Mundraum mit einer Taschenlampe. Wir achten überdies auf Blässe und Tachykardie. Beides sind Anzeichen für Blutungen. Wenn wir spritzenden Blutverlust feststellen, wird unverzüglich der Notarzt gerufen.
  • In den ersten Tagen nach dem Eingriff sollte der Bewohner nicht gurgeln. Er sollte auch kein Mundwasser nutzen.
  • Der Bewohner sollte in den ersten zehn Tagen nach der Rückkehr in das Pflegeheim körperliche Anstrengung vermeiden. Hoher Blutdruck erhöht das Risiko von Nachblutungen.
  • Der Bewohner sollte zunächst auf den Genuss von Zigaretten sowie Kaffee verzichten.
  • Der Bewohner wird vorsichtig gelagert. Abrupte Bewegungen können Nachblutungen auslösen.
  • Der Bewohner sollte nicht heiß duschen.
  • Der Bewohner sollte stark gewürzte Speisen sowie Fruchtsäfte vermeiden, da diese brennende Schmerzen verursachen können. Er sollte zunächst nur breiige oder flüssige Kost erhalten.
  • Die Mundpflege erfolgt direkt nach dem Eingriff nur mit Wasser. In den folgenden Tagen sollte eine milde, insbesondere mentholfreie Zahncreme genutzt werden.
  • Viele Betroffene leiden zeitweise an Dysgeusie (Störung der Geschmackswahrnehmung).
  • Der Bewohner sollte in der ersten Woche nur lauwarm duschen. Vollbäder sowie Haarwäschen unterbleiben.
  • Falls notwendig erhält der Bewohner Schmerzmittel. Diese bevorzugt als Zäpfen. Wir applizieren Paracetamol oder Diclofenac, aber kein Azetylsalizylsäure-Präparat.
Nachbereitung: Allgemeines
  • Wir dokumentieren, welche Maßnahmen dem Bewohner Linderung brachten und welche nicht. Bei einer erneuten Tonsillitis werden dann bevorzugt solche Maßnahmen eingesetzt, die schon zuvor erfolgreich waren.
  • Alle Beobachtungen werden sorgfältig dokumentiert und dem Arzt mitgeteilt. Wichtig sind insbesondere:
    • Allgemeinzustand
    • Mobilität
    • Appetit und Flüssigkeitszufuhr
    • Atmung, Blutdruck und Puls
    • Schweiß, Urin und Stuhl
    • Dem Bewohner wird die Gelegenheit gelassen, Schlaf nachzuholen
    • ggf. wird die Pflegeplanung aktualisiert
Prognose
  • Eine einmal durchgemachte Tonsillitis hinterlässt keine Immunität, sondern erhöht sogar noch die Anfälligkeit für eine erneute Infektion.
  • Eine Tonsillitis heilt zumeist folgenlos ab. Allerdings ist es häufig sinnvoll, nach zehn Tagen eine Urinuntersuchung durchzuführen. Damit kann ausgeschlossen werden, dass es zu einer Streptokokkenzweitinfektion gekommen ist.
  • Streptokokken können Herzklappenentzündungen, Gelenkrheuma und Nierenentzündungen auslösen.
Dokumente:
  • Berichtsblatt
  • Vitalzeichenkontrollblatt
  • ggf. Fieberkurve
  • Trinkprotokoll / Bilanzierungsbogen
  • Durchführungsnachweis
  • Leistungsnachweis medizinische Pflege
  • Fragen an den Arzt
  • Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation: alle Pflegekräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Tonsillitis; Halsschmerzen; Fieber; Schmerz; Mandelentzündung
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