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Version 2.15 - 2014

Standard "Beschwerdemanagement in der stationären Pflege"

 
In der Altenpflege herrscht zwischen "Kunde" und "Anbieter" ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis. Anders als im Supermarkt oder in der Autowerkstatt kann ein verärgerter Senior nicht einfach zur Konkurrenz wechseln. Er und seine Angehörigen schlucken ihren Frust oftmals so lange herunter, bis es zum großen Knall kommt. Ein gutes Beschwerdemanagement soll genau das verhindern.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


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Standard "Beschwerdemanagement in der stationären Pflege"
Definition:
  • Bei einer Beschwerde handelt es sich um eine mündliche oder um eine schriftliche Äußerung in der:
    • Unzufriedenheit gegenüber dem Unternehmen geäußert wird
    • auf ein Fehlverhalten hingewiesen wird
    • Wiedergutmachung für eine erlittene Beeinträchtigung erreicht werden soll
    • eine Änderung des Verhaltens bewirkt werden soll.
  • Ein Beschwerdemanagement ist gekennzeichnet durch geregelte Strukturen, Abläufe und durch Verantwortlichkeiten, die es möglich machen, eine Beschwerde zur größtmöglichen Zufriedenheit des Bewohners zu lösen.
  • Teil des Beschwerdemanagements ist die Beschwerdestimulierung. Damit möchten wir unsere Bewohner und deren Angehörige animieren, sich zeitnah zu beschweren, wenn sie mit unseren Leistungen unzufrieden sind.
  • Jeder kann Beschwerdeführer sein (Bewohner, Angehörige, externe Partner, Mitarbeiter etc.).
Grundsätze:
  • Die Kundenzufriedenheit hat in unserer Einrichtung oberste Priorität.
  • Auch die Mitarbeiterzufriedenheit ist uns wichtig.
  • Jede Beschwerde ist eine kostenlose Beratung.
  • Beschwerden sind eine Chance, Qualitätsmängel zu beseitigen und das Qualitätsniveau unserer Einrichtung zu steigern.
  • Bewohner und (im weiteren Sinn) auch deren Angehörige sind unsere Kunden. Unsere wirtschaftliche Existenz ist davon abhängig, dass die Kunden und die externen Partner mit unserer Arbeit zufrieden sind.
  • Wir gehen allen Beschwerden nach. Auch dann, wenn diese von Beschwerdeführern geäußert werden, die uns gegenüber eine sehr kritische Grundhaltung zeigen und sich bereits in der Vergangenheit mehrfach grundlos beschwert haben.
  • Auf Wunsch wird die Identität des Beschwerdeführers gegenüber dem betreffenden Mitarbeiter (dessen Arbeit bemängelt wird) vertraulich behandelt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Beschwerdeführer trotz unserer Vorsichtsmaßnahmen Repressalien etwa vom Pflegepersonal befürchtet.
  • Wir sind uns stets bewusst, dass es vielen Bewohnern schwerfallen wird, sich zu beschweren. Durch die oftmals jahrelange Versorgung entsteht zwischen Pflegekraft und Bewohner eine Beziehung, die dieser nicht durch eine Beschwerde belasten will.
  • Wir arbeiten bei der Lösung von Problemen eng mit dem Heimbeirat zusammen.
Ziele:
  • Durch einen konsequenten Abbau von Hemmnissen ermuntern wir unsere Bewohner, sich zu beschweren, wenn sie unzufrieden sind. Die Anzahl der eingehenden Beschwerden wird dadurch gesteigert. Wir erhalten so die notwendigen Informationen, um unser Angebot besser an die Bedürfnisse der Bewohner anzupassen.
  • Jeder unzufriedene Kunde fühlt sich mit seiner Beschwerde ernst genommen. Er erfährt eine positive Reaktion durch uns. Wir vermeiden es, dass sich der Ärger über mehrere Wochen und Monate anstaut.
  • Der Bewohner und seine Angehörigen sind wieder mit unserem Angebot zufrieden.
  • Gefährdete Kundenbeziehungen werden stabilisiert.
  • Negative Mund-zu-Mund-Propaganda wird vermieden.
  • Die Qualität unserer Arbeit wird kontinuierlich verbessert. Schwachstellen werden gefunden und konsequent beseitigt.
Vorbereitung: Organisationsstrukturen
  • Schon im Erstgespräch mit dem Bewohner und mit seinen Angehörigen weisen wir diese auf unser Beschwerdemanagement hin. Wir bitten unsere Kunden, sich bei Unzufriedenheit umgehend bei uns zu melden. Wir verdeutlichen unseren Kunden, dass sie bei einer Beschwerde keine negativen Konsequenzen fürchten müssen.
  • Bewohner, Angehörige und externe Partner werden regelmäßig darauf hingewiesen, dass sie sich bei Problemen beschweren können und dass alle Beschwerden erwünscht sind. Dieses geschieht etwa in der Heimzeitung, per Hinweis auf den Schwarzen Brettern der Wohnbereiche oder mittels eines Formulars auf unserer Homepage. Auch im Heimvertrag sind die Ansprechpartner für Beschwerden benannt.
  • Unser Qualitätsbeauftragter ist verantwortlich für unser Beschwerdemanagement und direkter Ansprechpartner bei Beschwerden.
  • Auch außerhalb der Bürozeiten können Beschwerden telefonisch auf unserer Mailbox hinterlassen werden.
  • Wir führen regelmäßig Kundenbefragungen durch. Dabei erfassen wir auch, ob der Befragte eine Beschwerde vorbringen möchte.
  • Auf den Angehörigenabenden fragen wir stets, ob es Beschwerden gibt. Diese können auf Wunsch auch unter vier Augen aufgenommen werden.
  • Besonders engagierte Angehörige werden zu einem "Workshop" eingeladen, der sich mit der Qualitätsverbesserung befasst. Wir diskutieren über gemeinsame Ideen zur Verbesserung unseres Angebots.
  • Wir installieren einen Beschwerdebriefkasten und legen entsprechende Formulare aus. Die Box wird so aufgehängt, dass sie auch von Rollstuhlfahrern erreicht werden kann. Zudem sollte es möglich sein, den Zettel ungesehen einzuwerfen. Wir gestalten ein großes Infoblatt, das direkt über dem Briefkasten platziert wird. Dieses Plakat beschreibt die Ziele des Beschwerdebriefkastens und fordert unsere Kunden dazu auf, ihn ggf. auch anonym zu nutzen.
  • Zudem führen wir regelmäßige Pflegevisiten durch. Wir fragen dabei immer auch nach Beschwerden.
Kompetenzen
  • Für die Bearbeitung von Beschwerden gilt folgende Zuständigkeit:
  • Jeder Mitarbeiter nimmt zwar Beschwerden an, aber begleitet persönlich den Beschwerdeführer zum Qualitätsbeauftragten.
  • Erst dort wird die Beschwerde schriftlich fixiert. (Hinweis: Ggf. kann geregelt werden, dass Bezugspflegekräfte Beschwerden annehmen und bearbeiten dürfen, wenn es direkt die von ihnen betreuten Bewohner betrifft.)
  • Er entscheidet über das weitere Vorgehen.
  • Die Beschwerden, die über die anderen Kanäle (Beschwerdebriefkasten, eMail, telefonisch) eintreffen, werden ebenfalls von unserem Qualitätsbeauftragten bearbeitet.
  • An die Heimleitung und an die Geschäftsführung werden lediglich dann Beschwerden weitergeleitet, wenn nur diese die Entscheidungsbefugnisse haben, um das Problem zu lösen.
Schulung der Mitarbeiter
  • Der Umgang mit unzufriedenen Kunden wird im Rollenspiel geübt. Außerdem wird unser Personal regelmäßig zu diesem Thema fortgebildet.
  • Wir verdeutlichen unseren Mitarbeitern, dass eine Beschwerde keine persönliche Kritik ist, sondern als wertvolle Rückmeldung zu werten ist.
  • Bewohner, die Beschwerden vorbringen, dürfen in keinem Fall "bestraft" werden; auch nicht in subtiler Form. Dieses wird jedem Mitarbeiter eindringlich dargelegt.
  • Wir definieren frühzeitig, welche Ermessensspielräume unser Qualitätsbeauftragter bei der Bearbeitung von Beschwerden hat. Soweit nicht anders festgelegt, darf er bei einem materiellen Schaden Zusagen bis 50 Euro machen, wenn die Beschwerde offensichtlich durch einen Fehler unsererseits ausgelöst wurde.
Durchführung: Gesprächsführung
  • Der Beschwerdeführer wird freundlich und zuvorkommend durch unseren Qualitätsbeauftragten begrüßt.
  • Zu Beginn des Gesprächs sollte er den Beschwerdeführer nicht unterbrechen, sondern ihm zunächst Gelegenheit geben, "Dampf abzulassen". Unser Qualitätsbeauftragter zeigt Problembewusstsein und sagt eine Problemlösung innerhalb von 14 Tagen zu. Im Gespräch mit dem Beschwerdeführer wird der Grund für die Beschwerde nicht angezweifelt.
  • Unser Qualitätsbeauftragter hält den Blickkontakt zum Beschwerdeführer und zeigt ehrliches Interesse, etwa indem er signalisiert, dass er den Kunden versteht. (Beispiele: "Ja, ich verstehe", "ich kann Ihnen folgen" usw.)
Erfassung der Beschwerde
  • Die Beschwerde wird schriftlich auf dem Beschwerdeerfassungsprotokoll dokumentiert. Der Sachverhalt muss genau festgehalten werden. Ggf. fragt der Qualitätsbeauftragte freundlich nach.
  • Folgende Punkte sind besonders relevant und sollten präzise dokumentiert werden:
    • Was ist passiert?
    • Wann ist es passiert?
    • Wie ist es dazu gekommen?
    • Welche Personen waren beteiligt?
    • Welche Folgen sind für wen aus der Situation entstanden?
    • Wie verärgert ist der Kunde?
    • Welche Bereiche der Einrichtung sind betroffen? Etwa: Hauswirtschaft, Verwaltung, Pflegebereich, Haustechnik usw.
  • Das Beschwerdeerfassungsprotokoll sollte nicht schematisch ausgefüllt werden. Stattdessen sollte der Qualitätsbeauftragte die Informationen im Dialog gewinnen. Er sollte den Gesprächsfluss nicht unnötig unterbrechen.
  • Dem Bewohner wird verdeutlicht, dass das Protokoll ein wichtiges Hilfsmittel ist. Wir erläutern ihm, dass wir die gesammelten Informationen nur dazu nutzen, um sein Anliegen zu bearbeiten und um unsere Dienstleistungen kontinuierlich zu verbessern.
  • Viele Beschwerden sind Marginalien, die sich binnen weniger Minuten aus der Welt schaffen lassen.
  • Sofern der Kunde mit der Lösung offensichtlich zufrieden ist, wird der Vorgang somit abgeschlossen.
  • Persönliche Beleidigungen oder Drohungen sind keine Beschwerden und werden auch nicht wie solche schriftlich aufgenommen. Stattdessen sucht unser Qualitätsbeauftragter umgehend den Kontakt mit der Heimleitung und schildert den Vorfall.

 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema


Schlüsselwörter für diese Seite Beschwerde; Kundenzufriedenheit; Angehöriger; Beschwerdemanagement
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