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Version 2.05a - 2015

Standard "Gehblockaden bei Morbus Parkinson"

 
Ein MP3-Player oder ein Laserpointer als Mittel bei Gehblockaden? Was auf den ersten Blick absurd klingt, sind nur zwei von vielen Tricks, mit denen sich das gefürchtete "Einfrieren" überwinden lässt. Wir haben für Sie verschiedenste mentale Strategien und technische Hilfsmittel zusammengestellt.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Gehblockaden bei Morbus Parkinson"
Definition:
  • Zahlreiche Parkinson-Patienten leiden unter Gehblockaden (sog. "Freezing" oder "Einfrieren"). Der Betroffene stoppt mitten in einer Gehbewegung und verharrt in dieser Position für einige Sekunden oder gar eine Minute.
  • Bewegungsblockaden bei Parkinson-Betroffenen treten meist auf, wenn ihr Medikamentenspiegel zu gering ist. Bei einigen Bewohnern wird das Einfrieren aber auch erst durch die Arzneimittel verursacht.
  • Häufige Auslöser für ein Freezing sind Türrahmen und Engpässe wie z. B. eine Supermarktkasse. Viele Betroffene "frieren" ein, wenn sie die Richtung ändern wollen, also etwa um eine Ecke gehen möchten. Psychischer Stress oder Ablenkungen beispielsweise durch ein Gespräch steigern die Wahrscheinlichkeit, dass ein Freezing auftritt.
  • Beim Versuch, die Blockade zu überwinden, schnellt der Oberkörper nach vorne, während die Füße "wie festgeklebt" am Boden bleiben. Wenn der Bewohner nun keinen Gegenstand zum Festhalten findet, droht er zu fallen. Eine solche Störung beeinträchtigt also nicht nur die Selbstständigkeit des Bewohners, sondern führt auch zu einer erhöhten Sturzgefahr.
  • Gehblockaden treten zumeist erst im späteren Verlauf der Erkrankung auf, also mehrere Jahre nach der Diagnosestellung.
  • Die Blockaden lassen sich oft durch verschiedene Impulse durchbrechen, etwa durch die Nutzung technischer Hilfsmittel. Diese funktionieren als "externe Schrittmacher", die den Bewohner z. B. dazu animieren, über ein imaginäres Hindernis hinweg zu steigen und den Weg dann fortzusetzen.
  • Es gibt keine wirksame medikamentöse Therapie, die gezielt gegen die Startschwierigkeiten wirken würde. Durch eine Anpassung der Medikamente können Freezings aber oft gelindert werden. Ansonsten lässt sich die Symptomatik zumeist nur durch Verhaltensschulung und durch Maßnahmen zur Deblockierung reduzieren.
Grundsätze:
  • Wir sind uns stets bewusst, welche seelische Belastung von Gehblockaden ausgeht. Der Bewohner fühlt sich hilf- und machtlos im eigenen Körper.
  • Die Therapie kann nur gelingen, wenn wir eng mit dem Physiotherapeuten zusammenarbeiten.
Ziele:
  • Die Mobilität des Bewohners bleibt erhalten.
  • Ein Sturz wird vermieden.
  • Das Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühl werden gestärkt.
Vorbereitung: Symptome
Wir achten auf Symptome, die auf Gehblockaden hinweisen.
  • Das "Freezing" selbst wird beobachtet, also ein sekundenlanges Innehalten bei Gehbewegungen, das der Bewohner offenbar nicht beeinflussen kann. Vor allem an Türen und bei anderen Engstellen treten diese Blockaden auf. Zudem hat der Bewohner Probleme beim Umdrehen.
  • In Stresssituationen, also etwa unter Zeitdruck, intensiviert sich die Symptomatik.
  • Der Bewohner vermeidet es, längere Strecken zu Fuß zu gehen, obwohl er körperlich dazu in der Lage wäre.
  • Der Bewohner berichtet, dass er sich wie "angeklebt" fühlt.
Organisation
  • Wir intensivieren die Maßnahmen im Rahmen der Sturzprophylaxe. Wichtig ist insbesondere die Nutzung von Hüftprotektoren.
  • Wir suchen den Kontakt zu einem kooperativen Sanitätshaus, das uns die verschiedenen Hilfsmittel probeweise zur Verfügung stellt. Wir vermeiden damit, dass sich ein teuer beschafftes Hilfsmittel später als wirkungslos herausstellt und nicht weiter genutzt wird.
Durchführung: Hilfe durch die Pflegekraft
  • Die Pflegekraft stellt dem Bewohner einen Fuß in den Weg, den er übersteigen muss.

  • Die Pflegekraft stellt sich hinter den Bewohner und bewegt ihn rhythmisch von rechts nach links.
  • Kritische Stellen, an denen der Bewohner häufig "einfriert", können mit einem farbigen Balken am Boden markiert werden. Alternativ können Aufkleber mit farbigen Fußabdrücken eine Spur durch die Zimmer und durch Flure legen, an denen sich der Bewohner orientieren kann.
  • Der Bewohner sollte beim Gehen nicht reden oder auf andere Weise abgelenkt werden; etwa durch ein klingelndes Telefon.
Technische Hilfsmittel
Verschiedene technische Hilfsmittel können dem Bewohner dabei helfen, die Blockade zu überwinden. Sie können aber ggf. nur dann genutzt werden, wenn der Bewohner unter keinem starken Tremor in den Händen leidet.
  • Wir nutzen einen Laserpointer, wie er bei Präsentationen genutzt wird. Wir zeigen damit auf einen Punkt am Fußboden, den der Bewohner mit dem nächsten Schritt erreichen soll. Später sollte der Bewohner den Laserpointer selbstständig nutzen. Er kann diesen an einem Band um den Nacken tragen. Dort fällt er kaum auf und wird bei Bedarf sofort gefunden. (Hinweis: Bei starkem Sonnenschein ist der Lichtpunkt kaum zu erkennen. Oftmals ist aber die Sichtbarkeit eines grünen Lasers besser als die eines roten.)
  • Der Bewohner erhält einen sog. "Anti-Freezing-Gehstock". Auf Knopfdruck klappt dieser in der Nähe des Bodens eine kleine Leiste aus, die als visueller Auslöser funktioniert. Andere Modelle sind mit einem Laser ausgestattet, der eine Linie auf den Boden zeichnet. (Hinweis: Der mechanische Anti-Freezing-Gehstock funktioniert auch in sehr heller Umgebung. Anti-Freezing-Gehstöcke werden von der Krankenkasse bezahlt.)
  • Der Bewohner erhält einen MP3-Spieler mit geeigneter Musik im 2/4- oder im 4/4-Takt, also etwa Marschmusik. Diese soll er beim Gehen hören und versuchen, sich im Takt zu bewegen. (Hinweis: Diese Methode ist im Straßenverkehr nicht sinnvoll.) Alternativ soll der Bewohner den Takt lediglich mitklatschen. (Hinweis: Viele Betroffene machen gute Erfahrungen mit einem elektrischen Metronom, das durch Klacklaute oder Vibrationen einen Takt vorgibt. Erhältlich sind diese ab 10 Euro bei Amazon und bei eBay.)
  • Einigen Bewohnern hilft es, wenn sie beim Gehen mit den Füßen einen Ball vor sich hin rollen.
  • Alternativ kann der Bewohner seinen Gehstock umdrehen, also mit dem Griff nach unten halten. Er steigt dann über den Griff hinweg.
  • Der Bewohner soll ein Papier oder Stoffstück bei sich führen, das an einem Faden hängt. Wenn der Bewohner "einfriert", kann er den Gegenstand vor sich auf den Boden werfen, darüber hinweg steigen und an dem Faden wieder zurückholen.
Mentales Training
Im Idealfall können wir mit dem Bewohner Lösungsstrategien entwickeln, die ohne technische Hilfsmittel auskommen.
  • Der Bewohner kann den Gehrhythmus aufrechterhalten, indem er jeden Schritt mitzählt oder beim Laufen die Silben eines Reims aufsagt.
  • Wenn es dennoch zu einer Blockade kommt, kann es der Bewohner mit verbalen Kommandos an seine Füße probieren, also etwa: "Linker Fuß einen Schritt nach vorne!" Ein Klaps mit der flachen Hand auf den Oberschenkel wirkt oft ebenfalls.
  • Alternativ lässt sich eine Blockade durchbrechen, indem der Bewohner einen Schritt zur Seite macht und erst dann weiter nach vorne geht (sog. "Ausfallschritt").
  • Nicht selten ist auch der "Storchengang" hilfreich. Der Bewohner soll seine Beine (und ggf. auch die Arme) hochreißen, zunächst auf der Stelle gehen und dann seinen Gang fortsetzen.
  • Der Bewohner soll nicht auf die Türschwelle oder auf seine eigenen Füße schauen, sondern das Ziel fixieren.
Nachbereitung: Prognose
Die Prognose wird von zwei gegenläufigen Tendenzen beeinflusst:
  • Durch das Fortschreiten der neurologischen Schädigungen wird sich auch die Intensität der Blockaden steigern.
  • Dieser Effekt kann durch ständiges Training kompensiert werden. Wenn Bewohner regelmäßig üben, verkürzt sich zumeist auch die Dauer der Freezing-Episoden.
Weiteres
  • Die Wirksamkeit einer Maßnahme wird in regelmäßigen Abständen kritisch hinterfragt. Ggf. testen wir alternative Hilfsmittel.
  • Alle relevanten Beobachtungen werden dokumentiert und ggf. an den behandelnden Arzt weitergeleitet.
  • Die Pflegeplanung des Bewohners wird regelmäßig aktualisiert und an die jeweiligen Ressourcen und Probleme angepasst.
Dokumente:
  • Pflegeplanung
  • Meldungen an den Arzt
  • Mobilisierungsbogen
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Pflegekräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Parkinson; Tremor; Gehblockade; Freezing
Genereller Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und Textvorlagen ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden. Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.