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Version 2.05a - 2015 |
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Standard "Harnverhalt" |
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es ein Tumor, ein verstopfter Katheterschlauch ... oder war schlichtweg
das letzte Bier zu kalt? Verschiedenste Faktoren können bei Senioren
dazu führen, dass sie trotz eines quälenden Blasendrucks "einfach nicht
können". Wir zeigen, wie Ihr Pflegeteam Bagatellen von echten
Gefahrensituationen unterscheidet und Betroffenen effektiv hilft. |
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Wichtige Hinweise:
- Zweck unseres Musters ist es nicht,
unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser
Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und
an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
- Unverzichtbar ist immer auch eine
inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte,
da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen.
Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten
Krankheitsbildern kontraindiziert.
- Dieser Standard eignet sich für die
ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen
jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen
"Patient".
Dieses Dokument ist auch
als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar.
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Standard "Harnverhalt" |
Definition:
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- Harnverhalt ist als Unvermögen definiert, trotz
gefüllter Harnblase Urin zu lassen. Es ist also nicht die
Urinproduktion gehemmt, sondern die Urinausscheidung beeinträchtigt.
- Hauptursache bei Männern ist die Vergrößerung
der Prostata. Ein häufiger Auslöser bei beiden Geschlechtern sind
Tumore der Harnröhre oder der Blase.
- Mehrere Liter Urin können sich in der Harnblase
anstauen. Dieses ist für Betroffene extrem unangenehm und schmerzhaft.
Wenn die Blasenfüllung dazu führt, dass der Blasendruck den
Schließmuskel überwindet, geht der Urin tröpfchenweise ab. Dieses
Phänomen wird "Überlaufblase" genannt.
- Wir unterscheiden zwischen einem akuten
Harnverhalt und einem chronischen Krankheitsverlauf. Bei einem akuten
Geschehen ist die Schmerzsymptomatik deutlich intensiver, während eine
chronische Beeinträchtigung weniger Beschwerden verursacht.
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Grundsätze:
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- Ein Harnverhalt bei unklarer Grunderkrankung ist immer als Notfall zu werten.
- Uns ist bewusst, dass das Wasserlassen
insbesondere in Anwesenheit anderer Personen für viele Senioren
unangenehm ist. Der Widerwille kann so groß sein, dass der Betroffene
die Schließmuskulatur nicht entspannen kann, um Wasser zu lassen. Wir
werden dem Bewohner daher keinen Vorwurf machen.
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Ziele:
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- Der Bewohner kann schmerzfrei Wasser lassen und seine Harnblase dabei nahezu vollständig entleeren.
- Die Pflegekräfte erkennen Gefährdungssituationen zeitnah und reagieren angemessen.
- Die Nieren werden vor Spätschäden geschützt.
- Bei risikoarmen Auslösern finden wir ein
wirksames Hausmittel, um den Harnabfluss zu erleichtern und
gleichzeitig die Schmerzbelastung zu reduzieren.
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Vorbereitung: |
Symptome
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Wir achten auf Symptome, die für Harnverhalt sprechen:
- Der Bewohner klagt über Harndrang, ist aber nicht in der Lage, Wasser zu lassen.
- Der Bewohner klagt über Schmerzen im
Unterbauch. Wichtig: Bei neurogenen Störungen kann ein Harnverhalt auch
schmerzfrei verlaufen.
- Der Bewohner klagt über Übelkeit oder Erbrechen.
- Der Bewohner ist unruhig. Bei fehlender
Kommunikationsfähigkeit aufgrund einer Demenz ist diese
Verhaltensauffälligkeit ein zentrales, oft das einzige Symptom.
- Der Bewohner ist blass. Es kommt zur Kaltschweißigkeit, zu erhöhter Pulsfrequenz und zu anderen Schockzeichen.
- Der Bewohner klagt über ein ständiges Urintröpfeln, da die vollständig gefüllte Harnblase "überläuft".
- Die vergrößerte Harnblase zeichnet sich durch
eine Hautwölbung sichtbar ab. Sie ist zudem unter dem Nabel (über dem
Schambein) auch gut tastbar.
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Organische Ursachen
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Wir
prüfen, ob sich aus der Krankheitsgeschichte des Bewohners mögliche
Ursachen für den Harnverhalt ableiten lassen. Mögliche Faktoren sind:
- Verlegung der Harnröhre als Folge einer Prostatavergrößerung
- zurückliegende operative Eingriffe im
Unterbauch, die zu einer Narbenbildung und zu einer Verlegung der
Harnleiter führen könnten
- Blasensteine
- Tumorwachstum
- Stuhlverhalt, Obstipation
- neurogene Störungen, wie etwa Multiple Sklerose
- Querschnittlähmung
- Bandscheibenvorfall
- Polyneuropathie bei Diabetes mellitus
- verschiedene Arzneimittel, etwa Benzodiazepin-Derivate, Antidepressiva sowie Opioide
- Blasenentzündung mit dadurch ausgelöster Schmerzsymptomatik
(Hinweis: Bei Senioren mit einer Prostatahyperplasie kann bereits der Genuss eines kalten Biers zu einem Harnverhalt führen.)
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Durchführung:
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Maßnahmen bei organischen Ursachen
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- Wir prüfen, ob ein Notfall vorliegt. Dieses ist der Fall bei folgenden Beobachtungen:
- Die Schmerzsymptomatik ist sehr intensiv.
- Die Beschwerden treten in dieser Form und Intensität erstmalig auf.
- Bei einem Notfall wird der Notarzt gerufen und
die Krankenhauseinweisung vorbereitet. Der Bewohner wird mit einem
leicht erhöhten Oberkörper gelagert. Er erhält bis zum Eintreffen des
Arztes keine Getränke. Der Bewohner wird mit einer Vorlage versorgt, um
etwaiges Harnträufeln zu kompensieren.
- Wenn der Bewohner einen Blasenverweilkatheter hat, prüfen wir, ob der Katheter verstopft oder abgeklemmt sein könnte.
- Bei einem Katheter, der durch die Harnröhre
führt, kann ein unbeabsichtigter Zug am Ableitungsschlauch dazu führen,
dass die Katheteröffnung trotz Blockung von der Harnröhre umschlossen
und verstopft wird. In diesem Fall ist ein sofortiger Katheterwechsel
erforderlich.
- Nach Rücksprache mit dem Arzt erfolgt eine
Einmalkatheterisierung. Bei der Durchführung muss sichergestellt sein,
dass die Engstelle ohne Verletzung passiert werden kann.
- Bei einem großen Harnvolumen von mehr als 800
ml ist eine fraktionierte Entleerung erforderlich. Die Urinausleitung
erfolgt also in Teilschritten zu jeweils nicht mehr als 500 ml. Danach
wird eine Pause von 30 Minuten eingelegt. Ansonsten besteht das Risiko
einer Blasenblutung als Folge der plötzlichen Entlastung der
Blasenschleimhaut.
- Harnverhalt ist häufig die Nebenwirkung von
Opioid-Einnahmen. In diesem Fall muss der behandelnde Arzt informiert
werden. Dieser entscheidet über das weitere Vorgehen, also etwa eine
Änderung der Medikation.
(Hinweis: Bei post-operativem Harnverhalt wird häufig ein Parasympatholytikum appliziert.)
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Psychische Faktoren
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Wir prüfen stets, ob es psychische Faktoren gibt, die die Harnausscheidung beeinträchtigen:
- Der Bewohner ist erst seit kurzer Zeit
bettlägerig. Die Nutzung einer Urinflasche ist ihm peinlich. Er leidet
unter einer sog. "schüchternen Blase". In diesem Fall sollte der
Bewohner die Möglichkeit haben, in Abwesenheit der Pflegekraft Wasser
zu lassen. Voraussetzung ist, dass die Flasche im Bett nicht
verrutschen kann.
- Wir prüfen, ob es eine biografisch bedingte
Ablehnung von andersgeschlechtlichen Pflegekräften gibt. In diesem Fall
müsste die Zuordnung insbesondere der Bezugspflegekraft überdacht
werden.
- In einem Zweibettzimmer kann die mangelnde
Intimsphäre zu mentalen Blockaden führen. In diesem Fall wäre ggf. die
Nutzung eines Raumteilers sinnvoll.
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"Hausmittel"
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Wir nutzen
"Hausmittel" nur dann, wenn nach ärztlicher Diagnose keine gravierenden
organischen Faktoren ursächlich für den Harnverhalt sind:
- Wir tauchen die Hände des Bewohners in warmes Wasser oder lassen ihn auf- und abgehen.
- Wir lassen den Wasserhahn laufen. Wichtig ist vor allem das Geräusch von laufendem Wasser.
- Wir nutzen Wärmeanwendungen im Bereich der
Blasen- und Nierengegend, also insbesondere eine Wärmflasche,
feuchtwarme Wickel oder Dampfkompressen.
- Der Auffangbehälter des Toilettenstuhls wird zu
einem Drittel mit warmem Wasser gefüllt. Der Bewohner wird dann auf den
Toilettenstuhl mobilisiert.
- Die Pflegekraft kann den Bereich der Blasenregion vorsichtig(!) massieren.
- Der Bauch des Bewohners wird mit ätherischen
und pflanzlichen Ölen eingerieben. Alternativ verwenden wir
Ölkompressen. Wir nutzen insbesondere die harntreibende Wirkung von
Rosmarin, Fenchel oder Salbei.
- Der Bewohner soll ausreichend Flüssigkeit zu
sich nehmen, also möglichst mehr als zwei Liter pro Tag. Er erhält
harntreibende Nieren-Blasen-Tees.
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Nachbereitung: |
Prognose
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- Harnverhalt wird bei bewusstlosen Senioren häufig übersehen und daher auch nicht therapiert.
- Wenn ein Harnverhalt nicht korrekt behandelt
wird, tritt letztlich eine Gewöhnung an die anhaltende Überdehnung ein.
Zudem kann es durch den Harnrückstau zu einer Nierenschädigung bis hin
zum Nierenversagen kommen.
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Weitere Maßnahmen
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- Alle Beobachtungen werden sorgfältig dokumentiert.
- Die Pflegeplanung wird regelmäßig an die aktuellen Ressourcen und Pflegeprobleme angepasst.
- Alle relevanten Informationen werden zeitnah an
den behandelnden Arzt weitergeleitet. Die Daten sollen es dem Arzt
insbesondere ermöglichen, den Gesundheitszustand des Bewohners korrekt
zu erfassen sowie die Wirksamkeit der Therapie korrekt zu bewerten.
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Dokumente: |
- Berichtsblatt
- Pflegeplanung
- Fragen an den Arzt
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Verantwortlichkeit / Qualifikation: |
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Weitere Informationen
zu diesem Thema |
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Schlüsselwörter für diese Seite |
Harnverhalt, Blasenkatheter; Prophylaxe; Katheterisierung; Inkontinenz; Einmalkatheterisierung; Dauerkatheterisierung |
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Genereller
Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und
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Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der
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angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen
bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert. |
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