das Altenpflegemagazin im Internet
www.altenpflegemagazin.de
Start Log-in Service Registrierung AGB+Datenschutz Suche / Stichwortindex Quiz Mobil Impressum

 

Version 1.05

Standard "Pflege von Senioren nach einer Magenresektion"

 
Ein mongolisches Sprichwort sagt: „Ein Mann mag kein Herz haben, aber bestimmt hat er einen Magen.“ Das stimmt nicht immer. Bei mehreren Krebserkrankungen bleibt keine andere Option als die Magenresektion. Wir zeigen, welche pflegerischen Aufgaben sich aus diesem Eingriff ergeben.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!
 

Standard "Pflege von Senioren nach einer Magenresektion"
Definition:
  • Bei einer Magenresektion (auch „Gastrektomie“) wird der Magen ganz oder teilweise chirurgisch entfernt. Auslöser für diesen Eingriff sind etwa ein chronischer Magenulkus, eine Hämorrhagie (Blutung) bei perforierendem Ulkus oder ein maligner Tumor.
  • Je nach Umfang des Eingriffes wird unterschieden zwischen:
    • Billroth-II-Operation: Hierbei werden der Magenausgang (Pylorus) und der Zwölffingerdarm (Duodenum) entfernt. Das Magenende wird durch eine Anastomose mit dem Darm verbunden.
    • Billroth-I-Operation: Bei diesem Eingriff wird der Magenausgang entfernt. Das proximale Ende des Zwölffingerdarms wird durch eine Anastomose mit dem Magen verbunden.
  • Nach einer Entfernung des Magens ist es heute üblich, einen Ersatzmagen zu bilden. Dieser verhindert eine Überdehnung des Darms bei der Nahrungsaufnahme.
Grundsätze:
  • In vielen Fällen ist ein beschwerdefreies Leben nur dann möglich, wenn der Bewohner seine Ernährungsgewohnheiten grundsätzlich ändert.
  • Wir arbeiten eng mit dem behandelnden Hausarzt zusammen. Alle Anweisungen werden genau dokumentiert. Wir drängen stets auf schriftliche Instruktionen.
Ziele:
  • Die gesunde Ernährung des Bewohners ist sichergestellt.
  • Komplikationen werden rechtzeitig und korrekt erkannt.
  • Der Bewohner hat keine Schmerzen.
  • Der Bewohner bewahrt seine Lebensfreude.
  • Der Bewohner stellt seine Ernährung um.
  • Der Bewohner kennt Risikofaktoren und Prophylaxemaßnahmen.
Vorbereitung:  allgemeine Maßnahmen
  • Wir suchen den Kontakt zu Ernährungsberatern und arbeiten mit diesen zusammen.
  • Wir bilden unser Personal kontinuierlich auch zum Thema Magenresektion fort.
  • Wir halten stets aktuelle Literatur bereit.
achten auf Komplikationen
  • Eine häufige Folge der Magenresektion ist das sog. "Dumping-Syndrom".
  • Es handelt sich dabei um ein komplexes Symptombild, zu dem etwa Schwitzen, Übelkeit, Schwindel und Schwächegefühl gehören. Auftreten können zudem Blutdruckabfall, Tachykardie und Kollapsneigung. Die Beschwerden treten rund eine Viertelstunde nach der Nahrungsaufnahme auf, sobald der Mageninhalt zu schnell in den Zwölffingerdarm weitergeleitet wird (sog. „Frühdumping“).
  • Circa vier Stunden später können die gleichen Beschwerden erneut auftreten (sog. „Spätdumping“). Diesmal erweitert sich das Symptombild um Heißhunger und Hypoglykämie (Konzentrationsverminderung von Glukose im Blut).
  • Wenn der Bewohner seine Ernährung konsequent umstellt, bessern sich die Beschwerden zumeist deutlich. Wenn jedoch selbst strenge Diätmaßnahmen das Dumping-Syndrom nicht verhindern können, ist oftmals eine weitere Operation sinnvoll.
  • Eine Ansammlung von Galle und Pankreassekret und mitunter auch Mageninhalt in der zuführenden Darmschlinge führt zum sog. „Afferent-loop-Syndrom“ oder „Syndrom der zuführenden Schlinge“). Betroffene klagen über ein Druckgefühl im Bereich des rechten Oberbauches. Diese Beschwerden verschwinden vollständig, sobald sich der Bewohner übergibt. Wenn der gestaute Schlingeninhalt bakteriell besiedelt wird, leidet der Bewohner zusätzlich unter Durchfällen und oftmals auch unter einer Cholangitis (Entzündung der Gallenwege).
  • Wenn bei der Magenresektion die beiden Vagusnerven durchtrennt wurden, erleidet der Bewohner ein Postvagotomiesyndrom. Dieses führt zu Völlegefühl, Aufstoßen und Diarrhöe.
  • Bei einer Abflussbehinderung in der abführenden Schlinge liegt ein sog. „Efferent-loop-Syndrom“ oder „Syndrom der abführenden Schlinge“ vor. Betroffene klagen über Übelkeit und Erbrechen. Zumeist bessert sich das Symptombild nach einer Korrekturoperation.
  • In vielen Fällen erweist sich der künstlich gebildete Restmagen als zu klein. Betroffene leiden nach dem Essen unter  Völle- und Druckgefühl. Sie essen dadurch noch weniger und verlieren an Gewicht. Dieses Problem lässt sich durch eine Aufteilung der Hauptmahlzeiten in sechs bis acht Zwischenmahlzeiten nur teilweise kompensieren. Ggf. ist auch hier ein erneuter Eingriff erforderlich.
  • Es kommt bei vielen Betroffenen zu verschiedensten Mangelerscheinungen. Bei einer Osteomalazie etwa sind die Knochen aufgrund des mangelhaften Einbaus von Mineralstoffen weicher und biegsamer als sonst. Der Eisenmangel oder der Vitamin-B12-Mangel können eine Anämie auslösen. Das Symptombild verbessert sich rasch, sobald die fehlenden Stoffe dem Bewohner wieder ausreichend zugeführt werden.
Durchführung: allgemeine Lebensweise
  • Wichtig ist eine konsequente Stressvermeidung. Der Bewohner sollte ausreichend Pausen in seinen Tagesablauf einbauen und Überbelastungen vermeiden.
  • Der Bewohner soll seinen Lebensrhythmus normalisieren. Wichtig sind insbesondere konstante Schlafzeiten.
  • Wir machen dem Bewohner klar, dass er seine alte Leistungsfähigkeit ggf. nicht mehr erreichen wird.
  • Verordnete Medikamente sollten tendenziell eher vor dem Essen und nicht nach dem Essen eingenommen werden. Wir kontaktieren in dieser Frage ggf. den Hausarzt.
  • Der Bewohner erhält lebenslang Vitamin B12; dieses zumeist alle vier Wochen bis alle vier Monate. Die Termine sind unbedingt einzuhalten.
  • Das Körpergewicht und der BMI werden mindestens einmal in der Woche ermittelt.
  • Ggf. kann der Bewohner eine elastische Bauchbinde in Hüfthöhe fest anlegen. Damit kann die Entleerung des Magenrests verzögert werden. Zudem reduzieren sich damit ggf. die Beschwerden.
  • Der Bewohner sollte das Rauchen deutlich reduzieren oder besser komplett einstellen.
  • Wir prüfen, ob eine Duodenalsonde oder eine Magensonde sinnvoll sein können.
  • Der Bewohner wird im Rahmen seiner körperlichen Fähigkeiten mobilisiert. Wir nehmen dabei Rücksicht auf die ggf. erhöhte Kollapsneigung. Daher sollte der Bewohner bei Spaziergängen außerhalb der Einrichtung zunächst begleitet werden. Die Maßnahmen im Rahmen der Sturzprophylaxe werden ebenfalls intensiviert.
  • Es ist damit zu rechnen, dass der Eingriff früher oder später auch Auswirkungen auf die psychische Verfassung haben wird. Viele Betroffene leiden unter Depressionen und Angstzuständen. Daher stehen wir dem Bewohner jederzeit für ein persönliches Gespräch zur Verfügung. Zudem vermitteln wir den Kontakt zu anderen Betroffenen, etwa im Rahmen einer Selbsthilfegruppe.
  • Nach Billroth-II-Magenresektionen sind zur frühzeitigen Erkennung eines Magenstumpfkarzinoms regelmäßige Kontrolluntersuchungen inkl. Gastroskopie und Biopsie notwendig.
  • Schon vergleichsweise geringe Veränderungen des Allgemeinbefindens rechtfertigen es, dass der Bewohner einen Arzt aufsucht. Wenn der Bewohner unter unklaren starken Beschwerden im Bauchbereich klagt, wird in jedem Fall der Notarzt gerufen.
Ernährung
  • Bei der Zusammenstellung der Nahrung muss konsequent auf eine angemessene Versorgung mit Eiweiß, Mineralien und Vitaminen geachtet werden. Ggf. arbeiten wir mit einem Ernährungsberater zusammen.
  • Der Bewohner sollte seine Nahrung auf sechs bis acht Mahlzeiten pro Tag verteilen, die in einem Abstand von zwei Stunden eingenommen werden.
  • Es ist wichtig, dass die Mahlzeiten jeden Tag zur gleichen Zeit eingenommen werden.
  • Wenn der Bewohner außerhalb des Hauses unterwegs ist, erhält er ggf. eine verpackte, geeignete Zwischenmahlzeit.
  • Der Bewohner soll die Speisen gut durchkauen. Wir achten dabei insbesondere auf einen angemessenen Zahnzustand bzw. eine gute Versorgung mit Zahnersatz.
  • Der Bewohner nimmt seine Mahlzeiten falls möglich im Sitzen ein und vermeidet damit einen Reflux. Direkt nach dem Essen sollte der Bewohner noch einige Zeit „auf den Beinen“ bleiben. Wenn er sich unbedingt hinlegen möchte, so sollte er den Oberkörper erhöht lagern, also den Kopfbereich des Pflegebettes aufstellen.
  • Der Bewohner sollte während der Mahlzeiten nur wenig trinken. Stattdessen sollte er 30 Minuten vor der Mahlzeit und 30 Minuten danach ein Getränk zu sich nehmen. Die Menge sollte einen Wert von 200 ml nicht übersteigen.
  • Zucker und stark zuckerhaltige Lebensmittel sollte der Bewohner nur in kleinen Mengen zu sich nehmen.
  • Der Konsum von Kaffee und schwarzem Tee sollte reduziert werden. Zucker zum Kaffee ist unbedenklich.
  • Der Bewohner sollte fettreiche und gebratene Speisen meiden.
  • Wir prüfen, ob der Bewohner Vollkornprodukte verträgt. Diese werden deutlich langsamer resorbiert und verhindern damit eine zu schnelle Speisebreipassage. Ggf. können zusätzlich Pektin oder Guar konsumiert werden.
  • Die Verträglichkeit von Milch und Milchprodukten schwankt je nach Betroffenem. Zumeist werden Sauermilcherzeugnisse (etwa Quark oder Jogurt) besser vertragen als Süßmilchprodukte.
  • Die meisten Betroffenen vertragen blähende, stark gewürzte oder gesalzene Speisen nicht und müssen diese in Zukunft meiden. Sofern keine Probleme auftreten, kann der Bewohner diese Speisen jedoch in kleinen Mengen zu sich nehmen.
  • Der Alkoholgenuss muss eingestellt werden.
Nachbereitung: Prognose
  • Wenn das Karzinom früh entdeckt und vollständig entfernt wurde, hat der Bewohner gute Aussichten auf eine vollständige Heilung. Die 5-Jahresüberlebensrate liegt bei rund 90 Prozent.
  • Im späteren Verlauf kommt es zu Metastasierungen in Leber, Lunge, Knochen und im Gehirn. Dieses senkt die Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich. Nach fünf Jahren sind bereits neun von zehn Betroffenen verstorben.
Weiteres
  • Alle Maßnahmen werden sorgfältig dokumentiert:
    • Wie äußert sich der Bewohner zu seinen Beschwerden?
    • Welche Wirkung zeigen die Medikamente, welche Nebenwirkungen werden verzeichnet?
    • Welche Einschränkungen treten auf?
  • Alle relevanten Veränderungen werden umgehend dem Hausarzt mitgeteilt.
  • Die Pflegeplanung wird regelmäßig aktualisiert und auf Umsetzbarkeit kontrolliert.
  • Ggf. aufgetretene Probleme werden im Qualitätszirkel thematisiert.
Dokumente:
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Pflegebericht
  • Pflegeplanung
  • Leistungsnachweis
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Pflegekräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Magenkrebs; Magenkarzinom; Krebs
Genereller Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und Textvorlagen ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden. Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.