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Version 2.05a - 2016

Standard "Dekubitusprophylaxe: Mikrolagerungen"

 
Keiner hat je erforscht, ob und wie sie funktionieren. Es gibt weder eine einheitliche Bezeichnung, noch hat sich bislang eine allgemein akzeptierte Durchführung herausgebildet. Da es aber die Mikrolagerungen dennoch in den Expertenstandard und in die MDK-Grundsatzstellungnahme geschafft haben, sollte diese Lagerungsvariante in jedem QM-Handbuch vorzufinden sein.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Dekubitusprophylaxe: Mikrolagerungen"
Definition:
  • Die wichtigste Komponente einer wirksamen Dekubitusprophylaxe sind regelmäßige Umlagerungen. Der Bewohner wird also in zuvor definierten zeitlichen Abständen im Bett bewegt. Damit ist sichergestellt, dass das Körpergewicht nicht übermäßig lange auf einen zu kleinen Hautbereich einwirkt, diesen schädigt und letztlich ein Druckgeschwür auslöst. Ein gesunder Mensch schützt sich selbstständig durch verschiedenste größere und kleinere Bewegungen. Er verteilt unbewusst die Druckbelastung immer wieder auf wechselnde Hautregionen.
  • Herkömmliche Lagerungen basieren auf Makrobewegungen, also größeren Lastverlagerungen. Diese führt ein gesunder Mensch auch im Schlaf eigenständig durch. Das längere Verharren in einer Lage wird irgendwann unangenehm, sodass der Mensch unbewusst eine andere Körperhaltung einnimmt. Er dreht sich also z. B. von der rechten Seitenlage in die Rückenlage. Da viele immobile Senioren diese Bewegungen nicht eigenständig durchführen, muss dieses Defizit durch regelmäßige Umlagerungen (sog. “Makrolagerungen”) kompensiert werden. Es ist also die Aufgabe der Pflegekraft, den Bewohner in zuvor definierten zeitlichen Abständen im Bett zu bewegen.
  • Zusätzlich zu diesen Makrobewegungen führt der Mensch auch Mikrobewegungen durch. Er verändert also durch kleine Bewegungen die Druckbelastung, ohne seine Körperhaltung grundsätzlich zu ändern. Ein sitzender Mensch verlagert etwa sein Gewicht von einer Gesäßhälfte auf die andere. In der Rückenlage ist dieses z. B. durch das Anziehen eines Beines möglich. In der Folge reduziert sich die Druckbelastung auf einer Körperseite, während sie auf der anderen ansteigt.
  • Das Konzept der Mikrolagerung soll diese kleinen Bewegungen durch vergleichsweise simple Lagerungsmaßnahmen nachahmen. So werden in der Rückenlage verschiedene Körperbereiche z. B. mit einem Handtuch unterlagert. Dadurch sinkt der Auflagedruck in den anderen Hautabschnitten. Bevor es zu Druckschäden kommen kann, wird das Handtuch entfernt und an anderer Stelle erneut untergeschoben. Mikrolagerungen sind also keine druckentlastende, sondern lediglich druckreduzierende Maßnahmen.
  • Ein weiterer Vorteil dieser Lagerungstechnik ist, dass sie der Bewohner schon mit geringen körperlichen Ressourcen eigenständig verändern kann. Wenn sich der Pflegebedürftige in der aktuellen Position nicht wohlfühlt, kann er das Kissen (oder das andere Lagerungsmaterial) wegschieben. Dadurch verändert er die Verteilung des Auflagedrucks.
  • Die Maßnahme wird in der Fachliteratur unter verschiedenen Bezeichnungen geführt, etwa “zeitweilige Kissenposition”, "Mikrolagerung", “Mikropositionswechsel” sowie "zeitweiliges Unterlegen kleiner Kissen". Dazu kommt die sehr ähnliche “10°-Lagerung”.
  • Der tatsächliche Nutzen von Mikrolagerungen für die Dekubitusprophylaxe ist wissenschaftlich noch nicht hinreichend erforscht.

Ein Beispiel für eine selbstständig durchgeführte Mikrolagerungen. Der Bewohner sitzt. Sein Gewicht lagert auf der rechten Gesäßhälfte.



Der Auflagedruck (roter Pfeil) führt zu Beschwerden. Der Bewohner verlagert sein Gewicht auf die linke Gesäßhälfte.



Der Auflagedruck auf der rechten Gesäßhälfte sinkt. Die Beschwerden verschwinden. Dafür steigt der Auflagedruck auf der linken Gesäßhälfte.
Grundsätze:
  • Bereits kleinste Gewichtsverlagerungen können eine prophylaktische Wirkung erzielen.
  • Die Mikrolagerungen dienen zur zeitweiligen Druckminderung, ersetzen aber nicht das regelmäßige Umlagern (“Makrolagerungen”).
Ziele:
  • Die Entstehung eines Dekubitus wird vermieden.
  • Durch den Einsatz von Mikrolagerungen können die Zeitabstände zwischen den herkömmlichen Umlagerungen (Makrolagerungen) vergrößert werden, ohne dass das Risiko eines Druckgeschwürs steigt.
  • Während der Nacht wird der Bewohner seltener umfassend umgelagert. Er wird weniger häufig gestört.
Vorbereitung: Indikation
  • Wir nutzen Mikrolagerungen bei allen Senioren, bei denen es aufgrund der fehlenden autonomen Umlagerungsbewegungen zu einem Dekubitus kommen könnte. Betroffen sind also bewusstlose Bewohner, Bewohner mit Lähmungen oder Verbrennungen, Patienten nach schweren Unfällen sowie Schlaganfallpatienten.
  • Diese Lagerungsform eignet sich insbesondere auch bei Schmerzpatienten, denen größere Umlagerungsbewegungen so selten wie nötig zugemutet werden sollen. Stattdessen werden dann vermehrt Mikrolagerungen durchgeführt.
  • Eine weitere Zielgruppe sind Senioren mit einer instabilen Kreislaufsituation, die größere Umlagerungen als sehr belastend empfinden.
  • Zusätzlich nutzen wir Mikrolagerungen bei Senioren zur Druckentlastung in der Nacht. Umfassende Umlagerungen würden diese Bewohner in der Nachtruhe stören. Ein weiterer Vorteil ist der geringe Kraftaufwand für die Pflegekraft, die die Maßnahme folglich ohne einen zweiten Mitarbeiter durchführen kann.
  • Vor allem sedierte Senioren profitieren von Mikrolagerungen, da die autonome Durchführung der Mikrobewegungen in der Nacht durch die Medikamente unterdrückt wird.
  • Sinnvoll ist die Anwendung bei Senioren, die umfassende Umlagerungen nicht tolerieren und sich immer wieder auf den Rücken zurückdrehen.
  • Wenn bereits ein Dekubitus im Bereich des Steißbeins besteht, ist auf die Rückenlage völlig zu verzichten.
  • Eingeschränkt mobile Senioren können die Mikrolagerung auch eigenständig durchführen.

(Hinweis für die ambulante Pflege: Mikrolagerungen können i. d. R. auch von pflegenden Angehörigen durchgeführt werden. Der Materialaufwand sowie die fachlichen Anforderungen sind relativ gering.)
Material
Für Mikrolagerungen können verschiedenste Materialien genutzt werden, etwa:
  • gerollte oder gefaltete Bettdecken
  • gerollte oder gefaltete Handtücher
  • Kissen
  • kleine Keilkissen
(Hinweis: Es ist i. d. R. sinnvoll, die Anzahl der zeitgleich eingesetzten Hilfsmittel auf ein Minimum zu begrenzen. Es gilt: "Weniger ist mehr".)
Durchführung: Durchführung in liegender Position


Das Lagerungshilfsmittel wird im Uhrzeigersinn unter folgende Körperbereiche geschoben. Die Abstände werden basierend auf der individuellen Gefährdung festgelegt. Üblich sind Intervalle von 30 bis 60 Minuten.


(Hinweis: Dieses ist nur ein Beispiel. Da es keine verbindlichen Vorgaben für die Durchführung von Mikrolagerungen gibt, können Sie die Planung und Durchführung nach eigenen Wünschen anpassen. Die Verwendung des Uhrzeigersystems ist insofern vorteilhaft, als dass jede Pflegekraft intuitiv weiß, wo das Kissen beim nächsten Wechsel untergelegt werden sollte.)
10°-Lagerung:
  • Die 10°-Lagerung ähnelt der 30°-Lagerung, der Winkel ist aber wesentlich flacher. Die Lagerung ist daher mit weniger Kraftaufwand verbunden.
  • Statt Lagerungskissen wird ein Badetuch, eine dünne Decke oder Handtücher genutzt.
  • Die Pflegekraft faltet diese der Länge nach zusammen. Sie legt das Tuch unter die gesamte Körperhälfte, also beginnend vom Schulterblatt bis zur Ferse.
  • Es ist wichtig, dass die Unterlage seitlich nur etwas unter den Körperrand geschoben wird. Es ist also nicht sinnvoll, das Lagerungsmaterial bis zur Wirbelsäule zu schieben.
  • Falls gewünscht, kann die Lagerung auch so modifiziert werden, dass die Dicke des Lagerungsmaterials über die Körperlänge variiert. Die Pflegekraft verwendet dann statt einer gefalteten Decke drei oder vier unterschiedlich dick gefaltete Handtücher. Eines legt sie unter das Schulterblatt, eines unter das Becken, eines unter den Oberschenkel bis zum Knie und eines vom Unterschenkel bis zur Ferse.
Weiteres
  • Die Pflegekraft sollte darauf achten, dass sich im Lagerungsmaterial keine Falten bilden. Durch diese kann sich der Auflagedruck auf einer kleinen Fläche bündeln und Gewebeschäden auslösen.
  • Besondere Vorsicht ist auch nötig, wenn das Lagerungsmaterial unter solche Körperbereiche eingelegt wird, die als besonders anfällig für ein Druckgeschwür gelten. Wenn die Unterlage nicht möglichst großflächig und druckverteilend eingelegt wird, wird das Dekubitusrisiko nicht vermindert, sondern gesteigert.
  • Die Pflegekraft wechselt die Unterlagerung regelmäßig von der rechten auf die linke Seite des Bewohners und zurück.
  • Das Tuch kann so gefaltet werden, dass die Pflegekraft einen Teil des Materials einfach unter dem Körper des Bewohners herauszieht. Aus einer vierfach gefalteten Unterlage wird mit einem Handgriff dann eine zweifach gefaltete Unterlage. Dieses Vorgehen ist ideal bei schlafenden Senioren, da diese dann kaum gestört werden.
  • Das Entfernen des Materials sollte vorsichtig erfolgen. Es könnten Scherkräfte entstehen, die das Gewebe schädigen.
Nachbereitung:
  • Alle Mikrolagerungen werden im Bewegungsplan dokumentiert.
  • Die Wirksamkeit der Lagerung wird regelmäßig überprüft. Wir nutzen dafür den Fingerdrucktest.
  • Wir achten auf Äußerungen des Bewohners über etwaige Schmerzen und mangelnden Liegekomfort.
  • Die Notwendigkeit für Mikrolagerungen wird regelmäßig hinterfragt. Bei Schlaganfallpatienten sowie bei Demenzkranken können Bewegungseinschränkungen reversibel sein. Es kann also später doch wieder zu autonomen Mikrobewegungen kommen.
  • Ggf. wird die Pflegeplanung angepasst.
Dokumente:
  • Berichtsblatt
  • Pflegeplanung
  • Bewegungsplan
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  •  Pflegefachkräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema

Schlüsselwörter für diese Seite Mikrolagerung; Mikrobewegung; Dekubitusprophylaxe
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