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Version 1.05 - 2015

Standard "Wechseldrucksysteme im Rahmen der Dekubitusprophylaxe"

 
Bei einem hohen Dekubitusrisiko führt an Wechseldrucksystemen kein Weg mehr vorbei. Die Anwendung ist jedoch nicht so trivial und risikoarm, wie es die Hersteller gerne versprechen.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Wechseldrucksysteme im Rahmen der Dekubitusprophylaxe"
Definition:
  • Wenn ein gesunder Mensch sitzt oder liegt, ändert er unbewusst und in regelmäßigen Abständen seine Sitz- oder Liegeposition. Er entlastet damit Hautbereiche, die zuvor dem Auflagedruck ausgesetzt waren und deswegen nicht durchblutet wurden.
  • Bei sehr alten oder kranken Menschen fehlt dieser Impuls. Oft sind auch die körperlichen Ressourcen so weit reduziert, dass der Betroffene seine Lage nicht eigenständig anpassen kann. In der Folge ist das Gewebe dauerhaft einem zu hohem Auflagedruck ausgesetzt. Die reduzierte Durchblutung führt zur Minderversorgung und letztlich zu Gewebsschädigungen wie etwa Dekubitus. In der Pflege ist es daher üblich, immobile Senioren in regelmäßigen Intervallen umzulagern, also ihre Liegeposition zu ändern.
  • Mit Wechseldrucksystemen kann die Durchblutung zusätzlich gefördert werden. Diese speziellen Matratzen oder Matratzenauflagen bestehen aus nebeneinander angeordneten Luftkissen. Über ein Pumpsystem kann der Druck in diesen Zellen gezielt gesteuert werden. Es ist also möglich, Luft in die einzelnen Kammern zu pumpen, bzw. Luft wieder abzulassen.
  • Häufig werden die Kammern in Dreiergruppen kombiniert. Zwei dieser Kammern sind gefüllt, während die benachbarte, dritte Kammer entleert ist. In einem Rhythmus von rund 10 bis 20 Minuten ändert sich der Zustand. Zellen, die zuvor wenig Druck aufwiesen, werden nun gefüllt. Aus anderen Kammern wird gleichzeitig Luft abgelassen. Das Blut im entlasteten Gewebe kann zirkulieren. Es gibt auch Systeme, die in Zweiergruppen kombiniert sind (siehe Bild unten). Hier ist also immer eine Kammer prall gefüllt, während der Druck in der folgenden Kammer reduziert ist. Auf diese Weise werden Hautbereiche wechselseitig vom Auflagedruck entlastet und dann wieder belastet.
  • Zur Lagerung des Kopf- und des Halsbereiches sind die letzten Zellen der Matratze permanent gefüllt (sog. "statische Weichlagerung").
  • Wir unterscheiden zwischen groß- und kleinzelligen Wechseldrucksystemen. Bei großzelligen Modellen haben die Kammern einen Durchmesser von mindestens 10 bis 12 Zentimetern. Die Zellen von kleinzelligen Systemen sind schmaler. Studien deuten darauf hin, dass die Entlastungswirkung von kleinzelligen Wechseldrucksystemen ggf. nicht ausreichend ist, um die Durchblutung zu fördern.

  • Hinweis: Auf dem Markt sind verschiedenste Modelle zu finden, deren jeweilige Bedienung erheblich abweichen kann. Sie sollten daher diesen Standard an die in Ihrem Haus verwendeten Produkte anpassen. Ziehen Sie dazu die Anleitung zurate und kontaktieren Sie ggf. den Hersteller oder den Vertreiber.
Grundsätze:
  • Wechseldrucksysteme sind kein Ersatz für das regelmäßige Umlagern immobiler Senioren. Bei korrekter Anwendung ermöglichen sie es aber, dass die Positionsanpassungen in größeren Zeitabständen erfolgen können.
Ziele:
  • Durch eine Weichlagerung wird die Ausbildung eines Druckgeschwürs verhindert.
  • Komplikationen werden verhindert und ggf. frühzeitig erkannt.
  • Die Lebensqualität des Bewohners bleibt erhalten.
Vorbereitung: Indikation / Kontraindikation
  • Wir nutzen Wechseldrucksysteme bei Senioren mit einem gesteigerten Dekubitusrisiko. Die Anwendung ist insbesondere dann sinnvoll, wenn ein Bewohner aufgrund von Schmerzen oder von Kontrakturen nicht oder nur in größeren Intervallen umgelagert werden kann.
  • Die Anwendung ist i.d.R. nicht sinnvoll bei Senioren mit instabilen Frakturen, Wirbelsäulenverletzungen sowie mit Extensionen.
  • Bei sehr leichten Senioren mit einer Körpermasse von unter 50 kg ist zu prüfen, ob das Wechseldrucksystem überhaupt einen Effekt hat. Die Obergrenze der meisten Modelle liegt bei 160 kg. 
weitere Maßnahmen
  • Die richtige Nutzung der Wechseldrucksysteme ist Teil der Einarbeitung neuer Mitarbeiter.
  • Die Pflegekraft stellt sicher, dass sie mit der Bedienung des Wechseldrucksystems vertraut ist und die Betriebsanleitung gelesen hat.
  • Das Gerät darf nur dann betrieben werden, wenn es intakt ist. Bei Schäden oder bei Fehlfunktionen wird der Bewohner umgehend in ein anderes Bett transferiert. Wir informieren den Hersteller oder den Vertreiber.  Wir bitten um eine zeitnahe Beseitigung der Mängel. In keinem Fall nehmen wir eigenmächtig Reparaturen vor.
Durchführung:
  • Wenn der Bewohner umgelagert oder transferiert werden soll, wird das Wechseldrucksystem in den Statikmodus gebracht. Dafür werden alle Zellen gleichmäßig aufgeblasen. Nach Abschluss der Maßnahme wird die Matratze wieder in den dynamischen Wechselmodus geschaltet.
  • Die Pflegekraft stellt sicher, dass die Matratze gut eingestellt ist und die Hautbereiche korrekt vom Druck entlastet. Sie fährt dafür mit der Hand unter die Hautzone, die dem höchsten Druck ausgesetzt ist; in der Rückenlage also unter das Gesäß, in der 30°-Lage unter den Trochanter. Die Pflegekraft muss in der Lage sein, die Hand mit geringem Kraftaufwand zwischen den Bewohner und die Matratze zu schieben und dort überdies die Finger 2 bis 4 Zentimeter zu bewegen. Das heißt also: Zwischen dem Gesäß bzw. dem Trochanter und der entlüfteten Zelle muss ein Abstand von ca. 3 bis 4 Zentimetern sein. Diese Kontrolle ist nach jeder Umlagerung notwendig.
  • Kann sie die Hand nicht unterschieben, ist der Druck zu gering. Der Bewohner "liegt durch". Haben die Finger zu viel Spielraum, ist der Druck zu groß. In beiden Fällen muss die Pflegekraft die Druckeinstellung anpassen.
  • Der Zustand des Bewohners wird engmaschig überwacht, da Wechseldrucksysteme die Symptomatik verschiedener Krankheiten intensivieren können:
    • Bei Bewohnern mit neurologischen Krankheiten achten wir auf Spastiken.
    • In seltenen Fällen kann es zu Veränderungen der Vitalzeichen kommen, ohne dass dafür offensichtliche Auslöser vorliegen.
    • Wenn Senioren unter Schmerzzuständen leiden, können diese Beschwerden zunehmen. Wir achten insbesondere auf demenziell veränderte Senioren, die bei etwaigen Schmerzen nicht verbal kommunizieren können. Die Schmerzen können auch davon abhängig sein, welche Kammer jeweils gefüllt ist. Die Beschwerden nehmen also zu oder klingen ab, wenn der Füllzustand der Zellen wechselt.
  • Viele Senioren klagen anfangs über eine gestörte Nachtruhe, weil es durch die Pumpe und durch die im Kammersystem strömende Luft zu einer erheblichen Geräuschentwicklung kommt. Zumeist werden sich die meisten Bewohner binnen weniger Tage daran gewöhnen.
  • Wechseldrucksysteme sollten nicht parallel mit anderen Hilfsmitteln wie etwa Gelkissen eingesetzt werden.
  • Bett- und Stecklaken vermindern die Effektivität einer Wechseldruckmatratze. Wir verwenden daher stets nur ein einzelnes Bettlaken. Dieses legen wir locker auf und spannen es nicht fest ein.
  • Der gewünschte Effekt wird auch durch Inkontinenzunterlagen vermindert; dieses insbesondere im Bereich des Kreuzbeins. Der Einsatz von Inkontinenzunterlagen sollte daher stets sorgsam abgewogen werden.
  • Die Bettdecke sollte nicht über das Gerät gelegt werden, da das System überhitzen könnte.
  • Je nach Modell ist der Anstellwinkel der Rückenlehne ggf. limitiert. Dadurch reduzieren sich die Optionen für eine Oberkörperhochlagerung; etwa im Rahmen der Aspirationsprophylaxe.
  • Wir beachten, dass Matratzen mit Wechseldrucksystem i.d.R. dicker sind als herkömmliche Matratzen. Der Bewohner liegt also höher als gewöhnlich. Dadurch kann die Schutzwirkung der Seitengitter reduziert werden. Im Bedarfsfall kann eine entsprechende Seitengittererhöhung zum Schutz des Bewohners angebracht werden.
  • Im Notfall können die Zellen schnell entlüftet werden, um eine Reanimation zu ermöglichen. Wir nutzen dafür das sog. "CPR-Ventil".
  • Die Pflegekraft prüft regelmäßig die Funktionsfähigkeit des Systems. Insbesondere bei einem Stromausfall besteht die Gefahr eines rapiden Druckverlustes.
  • Das Netzkabel und die Versorgungsschläuche dürfen nicht mit einem Rollstuhl o.Ä. überfahren werden.
Nachbereitung:
  • Wechseldrucksysteme müssen gemäß Herstellervorgabe gewartet werden.
  • Der Bewohner wird regelmäßig zu seinem Befinden befragt. Wir achten insbesondere auf Hinweise, die auf eine Reduktion der Körperwahrnehmung und der Eigenbeweglichkeit schließen lassen.
  • Die Effektivität der Maßnahme wird engmaschig überprüft. Wir inspizieren dafür (ggf. mehrfach) täglich den Hautzustand des Bewohners. Bei einer Rötung nutzen wir den Fingertest, um ein sich entwickelndes Hautgeschwür frühzeitig zu erkennen.
  • Die Lagerungsintervalle werden basierend auf diesen Erkenntnissen regelmäßig überprüft und ggf. angepasst. Zeitspannen von bis zu 200 Minuten sind möglich.
  • Das Körpergewicht des Bewohners wird regelmäßig erfasst. Wir beachten, dass bei Gewichtsschwankungen ggf. auch die Druckeinstellung des Wechseldrucksystems angepasst werden muss.
Dokumente:
  • Pflegeplanung
  • Betriebsanleitung des Wechseldrucksystems
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Mitarbeiter
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Prophylaxe; Dekubitus; Lagerung; Dekubitusprophylaxe; Weichlagerung; Wechseldrucksystem
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