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Version 2.05f - 2015

Standard "Gewinnung von Mittelstrahlurin"

 
Die Gewinnung von Mittelstrahlurin ist gar nicht mal so einfach. Schon kleine Nachlässigkeiten können dazu führen, dass Desinfektionsmittel, Keime oder Erythrozyten in die Probe geraten - mit unabsehbaren Folgen für die Diagnostik.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Gewinnung von Mittelstrahlurin"
Definition:
  • Die Laboruntersuchung des Urins ermöglicht Rückschlüsse auf zugrunde liegende Erkrankungen. Insbesondere ist Urin ein aussagekräftiges Untersuchungsmaterial beim Verdacht auf Harnwegsinfektionen. Die Untersuchung erfolgt zumeist auf ärztliche Anweisung. Es liegt dann an den Pflegekräften, den Bewohner über die Urinprobengewinnung zu informieren und ihn ggf. bei der korrekten Durchführung zu unterstützen.
  • Zumeist wird der Morgenurin für die Untersuchung genutzt. Dieser ist i.d.R. am konzentriertesten, da der Bewohner in der Nacht keine oder nur geringe Mengen Flüssigkeit zu sich genommen hat.
  • Zur Gewinnung von Mittelstrahlurin wird zunächst knapp die Hälfte des in der Blase angestauten Urins in die Toilette abgelassen. Bakterien, die in der Harnröhre oder am Ende des äußeren Genitals siedeln, werden dadurch größtenteils weggespült. Auch Leukozyten, Erythrozyten und Epithelzellen werden dadurch entfernt.
  • Der nun folgende Urin wird in einem Gefäß gesammelt und für chemische, mikroskopische oder bakteriologische Untersuchungen genutzt. Die Bezeichnung "Mittelstrahlurin" leitet sich daraus ab, dass der "mittlere" Teil der Harnausscheidung genutzt wird.
  • Die Nutzung von Mittelstrahlurin hat verschiedene Vorzüge:
    • Die Probengewinnung ist vergleichsweise einfach.
    • Die Durchführung ist schmerzfrei.
    • Die Intimsphäre bleibt weitgehend gewahrt, sofern der Bewohner die Probe selbstständig beim Toilettengang gewinnt.
    • Falls notwendig kann eine zweite Probe gewonnen werden.
    • Der Materialeinsatz ist gering. Für die Durchführung ist ein Urinbecher ausreichend.
    • Die Probengewinnung ist risikoarm.
  • Die Nutzung von Mittelstrahlurin hat aber auch verschiedene Nachteile:
    • Die diagnostische Qualität einer Probenentnahme per Katheterisierung ist höher, da der Urin dann keine ggf. verkeimte und verschmutzte Harnröhre passieren muss.
    • Der Aussagewert der Urinprobe ist davon abhängig, dass der Bewohner die Durchführung verstanden hat und kooperativ ist. Bei demenziell erkrankten Senioren besteht somit immer das Risiko, dass es zu Fehlern kommt.
Grundsätze:
  • Die Urinprobengewinnung ist ein Eingriff in die Intimsphäre eines Bewohners und muss daher mit dem gebotenen Einfühlungsvermögen erfolgen.
  • Die Maßnahme wird nur dann durchgeführt, wenn der Bewohner zustimmt.
  • Soweit der Bewohner dazu in der Lage ist, sollte er die Maßnahme selbstständig oder zumindest teilweise selbstständig durchführen.
  • Uns ist bewusst, dass die Gewinnung von Mittelstrahlurin zwar einfach ist, diese Methode aber gleichzeitig sehr anfällig für Kontaminationen ist. Eine verfälschte Untersuchung jedoch kann den Therapieerfolg gefährden.
Ziele:
  • Die Würde des Bewohners bleibt gewahrt.
  • Es wird möglichst kontaminationsfreier Urin für die Laboruntersuchung gewonnen.
Vorbereitung: Indikation
  • Wir nutzen diese Form der Urinprobengewinnung nach ärztlicher Anweisung. Dieses etwa, um Bakterienbefall nachzuweisen oder auszuschließen.
  • Wir prüfen, ob der Bewohner in der Lage ist, den Harnstrahl willentlich zu unterbrechen. Dieses ist insbesondere bei inkontinenten Bewohnern zumeist nicht der Fall. Bei diesen Betroffenen wird der Urin durch eine Einmalkatheterisierung gewonnen.
Material
Wir halten das notwendige Material für die Untersuchung bereit:
  • Urinprobenbecher
  • Einmalhandschuhe
  • Abwurfbehälter
  • pH-neutrale Seife
  • Einmalwaschlappen
allgemeine Maßnahmen
  • Der Bewohner wird schon am Abend vor der Untersuchung über die folgende Urinprobengewinnung informiert. Er wird insbesondere gebeten, nicht direkt nach dem Aufstehen die Toilette aufzusuchen.
  • Zwischen der letzten Blasenentleerung und der Probenentnahme sollten mindestens 3 Stunden vergangen sein.
  • Die Pflegekraft füllt ggf. das selbstklebende Etikett für die Probe aus. Es sollte zumindest den Namen, den Vornamen, den Namen der Einrichtung, das Geburtsdatum sowie das Datum und die Uhrzeit der Probe enthalten.
  • Wir sorgen für die notwendige Privatsphäre. Besucher werden kurz vor die Tür gebeten.
  • Störende Kleidung wird entfernt.
  • Die Pflegekraft führt eine hygienische Händedesinfektion durch.
  • Die Pflegekraft desinfiziert die Arbeitsfläche, richtet die notwendigen Gegenstände und prüft diese auf Vollständigkeit.
  • Der Bewohner wird aufgefordert, sich die Hände zu waschen.
  • Soweit möglich, sollte der Bewohner die Probe eigenständig gewinnen. Er wird durch die Pflegekraft in die richtige Durchführung eingewiesen.
Durchführung: Reinigung
Um eine Kontamination des Urins zu vermeiden, sollte der Bewohner eine Intimtoilette durchführen. Ggf. wird der Bewohner dabei unterstützt.


  • Bei einer Bewohnerin: Die Labien werden gespreizt und das Genital mit Wasser und mit einem Einmalwaschlappen ("von vorn nach hinten") gewaschen.
  • Bei einem Bewohner: Die Vorhaut wird zurückgezogen. Die Eichel und die Harnröhre werden mit Wasser und mit einem Einmalwaschlappen gewaschen. (Hinweis: Die Vorhaut muss nach der Maßnahme wieder zurückgeschoben werden.)
  • Nach der Wäsche wird die Schleimhaut der Intimregion nicht mit dem Handtuch trocken gerieben, sondern vorsichtig getupft. Ansonsten könnte es insbesondere bei Frauen zu Mikroblutungen kommen, die eine positive Erythrozytenbeimengung vortäuschen könnten.
  • Die Intimregion wird in keinem Fall mit einem Desinfektionsmittel behandelt, da der Wirkstoff insbesondere bakteriologische Befunde massiv verfälschen könnte.
  • Alternativ: Der Bewohner wird aufgefordert, die Intimregion unter der Dusche eigenständig zu reinigen.
(Die Frage, ob die oben beschriebene Reinigung der Intimregion das Risiko einer Kontamination vermindert, ist umstritten. Daher ist es sinnvoll, hinsichtlich dieser Frage den Dialog mit dem behandelnden Arzt zu suchen. Ggf. kann es auch sinnvoll sein, die Entnahmetechnik mit dem zuständigen Labor abzusprechen.)
Gewinnung der Probe
  • Eine Bewohnerin sollte sich mit gespreizten Beinen über die Toilette stellen.
  • Wenn der Bewohner immobil ist, erfolgt die Urinprobengewinnung liegend im Bett mit einem Steckbecken. Das Kopfteil des Bettes wird aufgestellt, damit der Bewohner wie auf einer Toilette sitzt. Es ist hilfreich, wenn die Maßnahme von zwei Pflegekräften durchgeführt wird.
  • Die Pflegekraft bittet den Bewohner, einen Teil des Blaseninhalts in die Toilette zu entleeren und dann den Harnstrahl zu stoppen. In einigen Fällen kann eine Penisklemme genutzt werden, falls der Bewohner den Harnstrahl nicht stoppen kann.
  • Wenn der Bewohner nicht "auf Befehl" Wasser lassen kann, hilft oft ein Handbad oder das Aufdrehen des Wasserhahns.
  • Die Vorhaut wird zurückgezogen. Oder: Die Labien werden gespreizt, bis die Uringewinnung abgeschlossen ist. Der Bewohner / die Bewohnerin lässt 50 ml in den Urinprobenbecher fließen. Der Urin sollte dabei möglichst frei fließen und insbesondere nicht die Schambehaarung streifen. Die Pflegekraft sollte mit dem Becher oder mit dem Deckel auch nicht die Haut des Bewohners berühren.
  • Danach kann der Bewohner die Blase komplett in die Toilette entleeren.
  • Der Deckel des Urinprobenbechers wird geschlossen und der Verschluss noch einmal überprüft.
Nachbereitung:
  • Die Pflegekraft achtet auf die Urinfarbe, auf Urinbeimengungen und auf den Uringeruch. Auffälligkeiten werden dokumentiert und ggf. an den behandelnden Arzt weitergeleitet.
  • Die Pflegekraft stellt sicher, dass das Etikett mit den Bewohnerdaten keine Fehler enthält, und klebt dieses auf den Becher.
  • Nicht relevant für die Altenpflege: Bei Bewohnerinnen während der Menstruation wird dieses ebenfalls vermerkt, da Blutbeimengungen das Ergebnis verfälschen könnten.
  • Der Bewohner wird aufgefordert, sich die Hände zu waschen.
  • Der Bewohner wird beim Anziehen unterstützt.
  • Der Bewohner wird bequem gelagert.
  • Die Pflegekraft führt eine hygienische Händedesinfektion durch.
  • Die Maßnahme wird dokumentiert.
  • Der Becher wird entsprechend den ärztlichen Anweisungen zur Untersuchung weitergeleitet.
Dokumente:
  • Laboranforderungsschein
  • Berichtsblatt
  • Leistungsnachweis medizinische Behandlungspflege
  • Fragen an den Arzt
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • Pflegefachkraft
  • Pflegehilfskraft als Assistenz
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Urin; Urinprobe; Mittelstrahlurin; Zystitis; Harnwegsinfektionen; Inkontinenz; Blasenentzündung; Urethritis; Pyelonephritis
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