das Altenpflegemagazin im Internet
www.altenpflegemagazin.de
Start Log-in Service Registrierung AGB+Datenschutz Suche / Stichwortindex Quiz Mobil Impressum

 

Version 2.05a - 2017

Standard "Pflege und Betreuung von schwerhörigen Senioren"

 
Schwerhörigkeit mag im Vergleich zur Erblindung oder zum Mobilitätsverlust eher als Zipperlein wirken. Für die Betroffenen bedeutet die Behinderung aber einen enormen Verlust an Lebensqualität.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Pflege und Betreuung von schwerhörigen Senioren"
Definition:
  • Mit fortschreitendem Lebensalter vermindert sich die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehörs. Geräusche mit geringer Lautstärke werden zunehmend schlechter wahrgenommen.
  • Eine Schwerhörigkeit kann verschiedene Ursachen haben. Ein Ohrschmalzpfropf kann den Gehörgang verlegen. Jahrelange Lärmeinwirkung, etwa im Beruf oder im Privatleben, kann das Hörvermögen ebenfalls vorzeitig verschleißen lassen. Weitere Verursacher sind Entzündungen des Gehörgangs, ein Hörsturz oder Verletzungen des Trommelfells. Überdies leiden viele Patienten mit Multipler Sklerose oder mit Krebserkrankungen unter einem rapiden Verfall der Hörfähigkeit.
  • Die Schwerhörigkeit kann einseitig oder beidseitig auftreten. Erste Einschränkungen stellen sich mitunter bereits im vierten Lebensjahrzehnt ein. Sie werden aber häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium bemerkt, da die Hörverminderung sehr langsam voranschreitet. Dem Betroffenen bleibt also viel Zeit, um sich an die Einschränkungen anzupassen.
  • In der Praxis werden viele Schwerhörigkeiten als einsetzende Altersdemenz fehlgedeutet. Tatsächlich scheint eine unbehandelte Schwerhörigkeit das Fortschreiten der demenziellen Symptomatik zu beschleunigen. Dieses droht vor allem, wenn es aufgrund der Hörminderung zu einer sensorischen Deprivation kommt.
  • Eine Einschränkung des Hörvermögens bedeutet nicht, dass der betroffene Bewohner die Sprache seines Gegenübers nur leiser hört. Tatsächlich fehlen oftmals bestimmte Frequenzbereiche. Daher wird die Sprache als unklar, verzerrt und abgehackt wahrgenommen. Diese Einschränkungen verstärken sich, sobald mehrere Menschen gleichzeitig sprechen. Dieser Effekt wird als “Gesellschaftstaubheit” bezeichnet.
  • Daher können auch schwerhörige Senioren lärmempfindlich sein; dieses insbesondere, wenn sie ein Hörgerät tragen. Es ist also für sie ggf. sehr unangenehm, wenn andere Menschen sie laut ansprechen, weil sie glauben, so besser gehört zu werden.
  • Eine Schwerhörigkeit beeinträchtigt den Anpassungsprozess nach einem Umzug in ein Pflegeheim. In der ungewohnten Umgebung funktionieren die bislang bewährten Kompensationsstrategien nicht mehr. Freunde und Angehörige, die bislang halfen und an die Einschränkungen gewöhnt waren, stehen nicht mehr zur Verfügung. Das neue Lebensumfeld kann nur visuell erkundet werden. Viele Senioren, die ihre Häuslichkeit zurücklassen mussten, reagieren auf den Ortswechsel mit Unsicherheit und mit einem Verlust an Selbstständigkeit.
  • Die Nutzung eines Hörgeräts ist im separaten Standard "Pflege eines Hörgerätes" beschrieben.
Grundsätze:
  • Schwerhörigkeit ist keine normale und somit akzeptable Alterserscheinung. Wir sind uns stets bewusst, dass die negativen Auswirkungen eines sich entwickelnden Hörverlustes mit denen vergleichbar sind, die eine Blindheit verursacht.
  • Schwerhörigkeit darf niemals mit einer geistigen Behinderung oder mit Demenz verwechselt werden. Höreinschränkungen sind nicht gleichzusetzen mit einem Intelligenzverlust.
  • Schwerhörige Bewohner haben das Recht auf vollständige Teilhabe am sozialen Leben. Der Kontakt von schwerhörigen Bewohnern mit gut hörenden Senioren wird von uns nach Kräften gefördert.
Ziele:
  • Eine einsetzende Hörminderung wird zeitnah erkannt.
  • Durch eine ärztliche Untersuchung werden mögliche Auslöser der Schwerhörigkeit bestimmt. Potenziell ursächliche Faktoren werden (soweit möglich) zukünftig vermieden. Es gelingt uns, das Fortschreiten der Einschränkungen zu verlangsamen.
  • Der Bewohner erhält eine umfassende Hilfestellung bei der Handhabung geeigneter Hilfsmittel.
  • Der Schwerhörige bleibt im sozialen Leben der Einrichtung eingebunden.
  • Die Lebensqualität und das Selbstwertgefühl des Bewohners bleiben erhalten.
Vorbereitung: Organisation
  • Etwaige Hörbehinderungen werden im Rahmen der Heimaufnahme ausführlich erfragt. Wir beachten, dass viele Senioren im Laufe der Jahre gelernt haben, ihre Schwerhörigkeit zu verbergen. Ihnen ist die Behinderung peinlich.
  • Alle Mitarbeiter im Bereich der Pflege und der Betreuung werden über eine festgestellte oder vermutete Schwerhörigkeit eines Bewohners informiert. Wichtige Punkte dabei sind:
    • Welche Körperseite ist wie stark betroffen?
    • Welche Hilfsmittel stehen dem Bewohner zur Verfügung? Nutzt er diese?
    • Auf welche sonstige Weise kompensiert der Bewohner seine Hörbehinderung?
Symptome einer einsetzenden Schwerhörigkeit
Wir achten auf Hinweise, die auf eine Schwerhörigkeit hindeuten:
  • Der Bewohner reagiert nur, wenn man in sein Blickfeld tritt. Verbale Ansprache wird ignoriert.
  • Der Fernseher und das Radio werden auf eine Lautstärke eingestellt, die Mitbewohner als störend laut empfinden.
  • Die Mimik im Gesicht des Bewohners zeigt, dass er hoch konzentriert ist, wenn die Pflegekraft mit ihm redet. Die „Energiefalte“ zwischen den Augen tritt hervor.
  • Das Freizeitverhalten des Bewohners verändert sich. Er reduziert die Nutzung von hörbetonten Medien, wie etwa CD, Radio usw. Stattdessen liest er mehr oder geht handwerklichen Hobbys nach.
  • Der Bewohner legt die Hand an das Ohr, um besser verstehen zu können. Er beklagt sich darüber, dass Gesprächspartner “nuscheln”. Er klagt ebenfalls über Hintergrundgeräusche, die ihn beim Zuhören stören.
  • Der Bewohner dreht eine bestimmte Kopfseite in Richtung der Pflegekraft, die mit ihm reden will. (Dieses ist ein Hinweis auf eine einseitige Schwerhörigkeit.)
  • Der Bewohner nähert sich einem Gesprächspartner, um diesen besser verstehen zu können.
  • Der Bewohner vermeidet es, Telefonate zu führen.
  • Wenn dem Bewohner eine Frage gestellt wird, gibt dieser oftmals eine zum Thema unpassende Antwort. Oder er gibt stets die gleiche Antwort, wie etwa “ja, ja, das stimmt”.
Wenn es hinreichende Anzeichen für eine Schwerhörigkeit gibt, raten wir dem Bewohner dazu, sich fachärztlich untersuchen zu lassen. Der Arzt entscheidet darüber, ob medizinische Maßnahmen erforderlich sind und ob eine Kompensation der Schwerhörigkeit mittels Hörgerät sinnvoll ist.
Folgen einer fortschreitenden Schwerhörigkeit

Eine nicht kompensierte Schwerhörigkeit kann verschiedene psychische, soziale und körperliche Beeinträchtigungen verursachen.
  • Der Bewohner zieht sich mehr und mehr zurück. Die Kommunikation mit der Familie, mit Freunden und mit Mitbewohnern wird immer mühseliger. Es droht eine soziale Isolation.
  • Der Bewohner glaubt, dass hinter seinem Rücken über ihn gesprochen und gelacht wird. Er wird zunehmend misstrauisch und entwickelt ggf. sogar Wahnvorstellungen.
  • Das Selbstwertgefühl des Bewohners ist beeinträchtigt. Er leidet an Beschwerden mit mutmaßlich psychosomatischem Ursprung. Es häufen sich depressive Phasen.
  • Im Straßenverkehr bewegt sich der Bewohner zunehmend unsicher. Er kann das Geräusch eines sich nähernden Autos oder eine Fahrradklingel nicht hören.
Wir suchen erneut und nachdringlich den Dialog mit dem Bewohner. Spätestens, wenn die hier genannten Probleme auftreten, sollte eine Schwerhörigkeit fachärztlich untersucht und soweit möglich therapiert oder durch ein Hörgerät kompensiert werden.
Durchführung: medizinische Maßnahmen
  • Wir sorgen dafür, dass die Ursachen für die Schwerhörigkeit fachärztlich festgestellt werden. Dieses gilt insbesondere dann, wenn die Hörstörungen unerwartet und plötzlich auftauchen.
  • Bei jedem Medikamenteneinsatz prüfen wir, ob sich der Wirkstoff negativ auf die Hörleistung auswirken kann (z. B. verschiedene Antibiotika und Diuretika).
  • Eine Verstopfung des Gehörgangs mit Cerumen wird von einem Arzt beseitigt.
  • Stoffwechselerkrankungen wie eine Schilddrüsenunterfunktion werden therapiert.
  • Wir drängen auf eine zeitnahe Versorgung mit Hörgeräten, da jede nicht genutzte Woche das Kommunikationsvermögen schwinden lässt.
Kommunikation
  • Vor einem Gespräch werden alle unnötigen Geräuschquellen ausgeschaltet, wie etwa der Fernseher, das Radio usw.
  • Ggf. sollte die Pflegekraft einen ruhigen Ort für Gespräche wählen, also etwa das Zimmer des Bewohners statt des belebten Flurs.
  • Beim Sprechen sollte der Bewohner die Mundbewegungen und das Gesicht des Sprechenden gut sehen können. Dazu kann es auch notwendig sein, z. B. das Licht anzuschalten. Dieses gilt insbesondere für die Nachtwache.
  • Die Pflegekräfte sollten kurze, nicht verschachtelte Sätze formulieren. Ggf. werden wichtige Sätze wiederholt. Sie sollten aber keine “Babysprache” verwenden.
  • Wichtige Informationen wie etwa eine Uhrzeit, ein Datum, Adressen oder Telefonnummern geben wir dem Bewohner schriftlich auf einem Notizblatt.
  • Der Einsatz von Fremdworten und von Fachsprache sollte vermieden werden.
  • Pflegekräfte sollten entweder Hochdeutsch reden oder im gleichen Dialekt wie der Bewohner.
  • Es ist wichtig, langsam, mittellaut und gut artikuliert zu sprechen. Mit einem Kaugummi im Mund ist das nicht möglich. Auch sollte die Pflegekraft beim Reden nicht die Hand vor den Mund legen. Übertriebene Lippenbewegungen sind zu vermeiden.
  • Wir vermeiden es, aus großer Entfernung mit dem Bewohner zu sprechen. Es ist besser, sich dem Bewohner zu nähern, wenn wir mit ihm sprechen möchten.
  • Die Pflegekraft sucht vor dem Sprechen den Blickkontakt mit dem Bewohner. Sie ist nun sicher, dass der Bewohner ihren Mund sehen kann und sich auf das Gespräch konzentriert. Erst dann beginnt sie zu sprechen.
  • Wir verzichten während des Gesprächs mit dem Bewohner darauf, den Kopf zu senken, um Akten zu suchen, Notizen zu machen oder die Tastatur des Computers zu benutzen.
  • Lauter zu sprechen hat meistens keinen positiven Effekt, sondern verschlechtert sogar die Ablesbarkeit von den Lippen. Männer sind für Schwerhörige oftmals die angenehmeren Gesprächspartner. Ihre Stimmen sind tiefer und bewegen sich in einem Frequenzbereich, der zumeist besser gehört wird. Dieses sollte ggf. bei der Zuordnung der Bezugspflegekraft beachtet werden. Allerdings sollten Männer keinen Vollbart tragen, da dieser den Blick auf den Mund verdeckt.
  • Der Bewohner wird ermuntert, stets nachzufragen, wenn er etwas nicht korrekt gehört hat. Er soll nicht vortäuschen, sein Gegenüber zu verstehen, obwohl er tatsächlich nichts verstanden hat. Ggf. kann die Pflegekraft regelmäßig von sich aus nachfragen, ob der Bewohner den Gesprächsinhalt erfasst hat.
  • Nicht alle Pflegekräfte, externen Partner und Mitbewohner wissen um die Hörbehinderung des Bewohners. Daher sollte der Bewohner etwaige Gesprächspartner über seine Schwerhörigkeit aufklären.
  • Beim Telefonieren mit Schwerhörigen ist es wichtig, deutlich, nicht zu schnell und nicht zu laut zu reden. Wir machen Angehörige auf diese Vorgaben aufmerksam, wenn sie häufig mit dem schwerhörigen Bewohner telefonieren. Ggf. ist es sinnvoll, alternativ Videotelefonie (etwa “Skype”) zu nutzen, da der Bewohner hier den Mund des Gesprächspartners sehen kann.
  • Zusätzliche Mimik und Gestik können dem Bewohner das Verstehen erleichtern.
  • Bei vielen schwerhörigen Bewohnern ist die Hörbehinderung auf einer Seite geringer. Hier kann es sinnvoll sein, den Bewohner primär von seiner "besseren" Seite anzusprechen. Bei anderen Senioren führt es hingegen zu Problemen, wenn die Pflegekraft neben dem Bewohner steht und direkt ins “gute” Ohr spricht. Der Bewohner kann dann nicht das Gesicht und insbesondere nicht den Mund sehen, was das Verstehen erheblich erschwert.
  • Wir setzen zudem je nach Krankheitsbild und eventuell vorhandenen demenziellen Erkrankungen weitere Hilfsmittel ein, etwa Bildtafeln und Wortkarten sowie Schreibblock und Stift. Viele komplizierte Sachverhalte lassen sich durch eine Zeichnung besser erklären.
  • Auch wenn Angehörige im Raum sind, wird von uns immer der Bewohner persönlich und direkt angespr

    +++ Gekürzte Version. Das komplette Dokument finden Sie hier. +++



 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Hörgerät; Schwerhörigkeit; Gehörlosigkeit; Taubheit; Hörsturz
Genereller Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und Textvorlagen ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden. Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.