das Altenpflegemagazin im Internet
www.altenpflegemagazin.de
Start Log-in Service Registrierung AGB+Datenschutz Suche / Stichwortindex Quiz Mobil Impressum

 

Version 1.05 - 2013

Standard "Pflege von Senioren mit Schwindel"

 
"Mir wurde plötzlich schwarz vor Augen". Dieser Satz findet sich in vielen Sturzprotokollen, wenn der Bewohner plötzlich das Gleichgewicht verlor. Zusätzlich zur Sturzgefährdung ist Schwindel auch ein Warnhinweis für viele Erkrankungen.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!
 
Standard "Pflege von Senioren mit Schwindel"
Definition:
  • Schwindel ist eine Form der Gleichgewichtsstörung. Das Orientierungsvermögen innerhalb des Raumes ist beeinträchtigt. Der Bewohner nimmt Bewegungen seines Körpers wahr, die nicht real sind. Häufig wird der Schwindel begleitet durch Übelkeit und Erbrechen.
  • Es gibt zwei Formen des Schwindels:
    • Beim physiologischen Schwindel wird die Gleichgewichtsstörung durch eine Stimulation des Vestibularapparats ausgelöst, etwa durch anhaltendes Drehen um die eigene Körperachse oder nach einer Achterbahnfahrt. Der Schwindel hält zumeist nur wenige Minuten an.
    • Beim pathologischen Schwindel ist eine zusätzliche Erkrankung die Ursache, also etwa eine Schädigung des Innenohres etwa bei Morbus Menière.
  • Rund jeder fünfte Mann und jede dritte Frau klagen über Schwindel. Mit zunehmendem Lebensalter steigt dieser Anteil.
Grundsätze:
  • Schwindel ist kein schicksalhaftes Leiden, das im Alter hingenommen werden muss. In vielen Fällen ist eine Behandlung möglich und sinnvoll.
  • Wir begreifen Schwindel als eine ernste Einschränkung der Lebensqualität.
Ziele:
  • Die Ursache des Schwindels wird geklärt.
  • Der Bewohner fühlt sich sicher.
  • Der Bewohner erhält die notwendige Unterstützung.
  • Der Bewohner stürzt nicht.
  • Falls sich ein Sturz nicht vermeiden lässt, werden die gesundheitlichen Auswirkungen minimiert.
Vorbereitung: Informationssammlung

Wir tragen Informationen zusammen, die für die weitere Behandlung des Schwindels relevant sein könnten:
  • Seit wann leidet der Bewohner unter Schwindel?
  • Unter welchen Begleitumständen tritt der Schwindel auf?
  • Wie macht sich der Schwindel bemerkbar?
  • Welche Strategien hat der Bewohner entwickelt, um mit dem Schwindel umzugehen?
  • Wie lange hält der Schwindel an?
    • Attackenschwindel, also ein plötzlich auftretender nur zeitweiliger Schwindel
    • Dauerschwindel
  • Unter welcher Form des Schwindels leidet der Bewohner?
    • Drehschwindel: Der Bewohner fühlt sich, als würde er in einem Karussell sitzen. Er wird in eine Richtung gezogen (etwa nach links) und droht das Gleichgewicht zu verlieren.
    • Liftschwindel: Der Bewohner fühlt sich, als würde er in einem Fahrstuhl hoch- und runter fahren.
    • Schwankschwindel: Der Bewohner fühlt sich, als würde er sich auf einem schlingernden Schiff befinden.
    • Benommenheitsschwindel ohne Bewegungsillusion
Ursachenbestimmung

Wir prüfen, ob uns Anhaltspunkte für den Auslöser des Schwindels vorliegen.
  • Leidet der Bewohner unter Durchblutungsstörungen?
  • Gibt es eine bekannte neurologische Erkrankung?
  • Leidet der Bewohner unter Morbus Menière?
  • Steht der Bewohner unter großem Stress? Leidet er an psychischen Erkrankungen?
  • Gibt es eine bekannte HNO-Erkrankung?
  • Nimmt der Bewohner Medikamente, deren Nebenwirkungen den Schwindel auslösen könnten?
  • Leidet der Bewohner unter Hypertonie oder Hypotonie?
Problembestimmung

Wir stellen die Probleme zusammen, die der Schwindel auslöst. Diese werden dem Hausarzt mitgeteilt.
  • Leidet der Bewohner unter Nystagmus (Augenzittern)?
  • Droht der Bewohner zu stürzen? Ist er bereits einmal oder mehrmals gestürzt?
  • Leidet der Bewohner unter Lagerungsschwindel?
  • Ist dem Bewohner schlecht? Muss er sich übergeben?
  • Führt der Bewohner Scheinbewegungen in eine Richtung aus?
  • Lösen Lageveränderungen oder Kopfbewegungen heftigen Schwindel und Übelkeit aus?
  • Leidet der Bewohner unter einer Ataxie (Störung der Koordination von Bewegungsabläufen)?
  • Ist der Bewohner benommen?
  • Sind die Vitalwerte auffällig, insbesondere der Puls und der Blutdruck?
  • Wird dem Bewohner schwarz vor Augen?
Durchführung: allgemeine Maßnahmen
  • Wir wirken beruhigend auf den Bewohner ein.
  • Der Bewohner soll nur langsame und ausgeglichene Bewegungen ausführen.
  • Das Sturzrisiko wird abgeschätzt.
  • Alle Maßnahmen im Rahmen der Sturzprophylaxe werden sorgfältig umgesetzt.
    • Insbesondere sollte der Bewohner auch innerhalb der Einrichtung festes Schuhwerk tragen.
    • Möbel sollten keine herausragenden scharfen Ecken haben.
    • Möbel mit einem unsicheren Stand werden festgestellt oder (soweit möglich) ersetzt.
  • Wir stellen sicher, dass die Klingel und der Lichtschalter stets in Reichweite des Bewohners liegen.
  • Bei allen Tätigkeiten, bei denen dem Bewohner erfahrungsgemäß schwindelig wird, erhält der Bewohner Unterstützung.
  • Wir bitten den Bewohner, vor dem Aufstehen aus dem Bett nach einer Pflegekraft zu klingeln und auf die Hilfe zu warten.
  • Das Bett sollte eine einheitliche Höhe haben, auf die es nach jeder Pflegemaßnahme wieder zurückgestellt wird.
  • Wir achten darauf, dass der Bewohner seine Brille trägt und dass die Glasstärken aktuell sind.
  • Der Bewohner sollte seine Hörgeräte den ganzen Tag tragen. Verbrauchte Batterien werden rechtzeitig ersetzt.
  • Grunderkrankungen, die den Schwindel auslösen, werden konsequent behandelt.
  • Flüssigkeits- und Elektrolytverluste werden konsequent ausgeglichen.
  • Ggf. erhält der Bewohner eine durchblutungsfördernde Infusion.
  • Wir sorgen dafür, dass der Bewohner in seinem Wohnbereich ausreichend Sitzgelegenheiten vorfindet.
  • Wir führen mit dem Bewohner Bewegungsübungen durch.
Anpassung der Medikation
Verschiedene Medikamente können als Nebenwirkung Schwindel auslösen. Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt suchen wir nach alternativen Wirkstoffen.
  • Analgetika
  • Tranquilizer
  • Diuretika
  • Spasmolytika
  • Antiallergika
  • Röntgenkontrastmittel
  • Muskelrelaxanzien
  • Antiphlogistika
  • Lokalanästhetika
  • Parkinsonmedikamente
  • Antidepressiva
  • Tuberkulostatika
  • Antimykotika
  • Betarezeptorenblocker
  • Antihypertonika
  • Antibiotika
Achtung Notfall!
Zumeist ist Schwindel an sich kein ernstes Warnsymptom. Wenn allerdings weitere Einschränkungen auftreten, spricht dieses für eine Gesundheitsgefährdung etwa durch einen Schlaganfall, Gehirntumor, Multiple Sklerose usw. Bei folgenden Symptomen wird der Bewohner umgehend einem Arzt oder ggf. einem Notarzt vorgestellt:
  • nach einem Sturz oder bei Problemen beim Gehen.
  • (stechende) Schmerzen im Brustraum, in die Arme abstrahlende Schmerzen
  • Benommenheit oder anhaltendes Kribbeln
  • Bewusstseinsverlust
  • undeutliche oder verwaschene Sprache
  • Verlust oder Minderung des Hörvermögens
  • Verlust oder Minderung des Sehvermögens
  • starker Kopfschmerz
Nachbereitung:
  • Alle Beobachtungen werden im Berichtsblatt dokumentiert.
  • Alle relevanten Veränderungen werden umgehend dem Hausarzt mitgeteilt.
  • Die Pflegeplanung wird regelmäßig aktualisiert und auf Umsetzbarkeit kontrolliert.
Dokumente:
  • Berichtsblatt
  • Fragen an den Arzt / ärztliche Verordnungen
  • Vitaldatenblatt
  • Pflegenachweis
  • Flüssigkeitsbilanzierung / Trinkprotokoll
  • Mobilisierungs- und Bewegungsplan
  • Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Mitarbeiter
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Schwindel; Sturz; Sturzprophylaxe
Genereller Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und Textvorlagen ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden. Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.