Standard "Anwendung von Hüftprotektoren" |
Definition:
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- Rund jeder dritte Mensch über 65 Jahre stürzt
mindestens einmal pro Jahr. Bei den über 80-Jährigen steigt dieser Wert
auf 50 Prozent. Wenn es dabei zu einem ungeschützten Aufprall auf einem
harten Untergrund kommt, erleiden viele Betroffene einen
Schenkelhalsbruch. Rund 120.000 dieser Verletzungen treten pro Jahr in
Deutschland auf. Ein Teil davon könnte durch die Nutzung von
Protektoren vermieden werden.
- Der Fachhandel bietet eine Vielzahl
verschiedener Protektoren, die sich im Preis, in der
Materialbeschaffenheit und hinsichtlich des Tragekomforts
unterscheiden. Bei einigen Produkten sind die Kunststoffpolster in die
Unterwäsche eingenäht. Andere Systeme bestehen aus spezieller
Unterwäsche, in deren taschenförmige Aussparungen der Protektor
eingeschoben wird. Darüber hinaus werden Sicherheitsgürtel mit
eingenähten Schutzschalen und Klettverschluss angeboten. Die Gestaltung
ermöglicht ein unkompliziertes An- und Ablegen. Es gibt Damen-, Herren-
und Unisexmodelle.
- Hüftprotektoren nutzen je nach Modell zwei
unterschiedliche Wirkungsprinzipien. Polsterprotektoren sind etwas
voluminöser, können sich aber bei einem Sturz verformen und damit einen
Teil der auftretenden Kräfte absorbieren. Hartschalenprotektoren
hingegen verteilen die Aufprallenergie auf eine möglichst große Fläche
um den zu schützenden Knochen herum.
- Ein Teil der Schutzwirkung eines Protektors ist ein psychologischer Effekt:
- Angst vor einem Sturz ist selbst ein
relevanter Risikofaktor. Übermäßig besorgte Senioren vermeiden es, zu
Fuß unterwegs zu sein. Sie glauben, dass sie dann weniger
sturzgefährdet sind. Außerdem achten sie auf jeden ihrer Schritte.
Dadurch werden Bewegungsabläufe weniger flüssig. In der Folge erhöht
sich die individuelle Unfallgefährdung.
- Ein Protektor kehrt diese Entwicklung um. Der
Bewohner verlässt sich auf die Schutzwirkung des Protektors. Er traut
sich mehr zu, ist häufiger zu Fuß unterwegs und steigert damit seine
Kondition. Zudem fokussiert er seine Konzentration nicht mehr allein
auf das Gehen. Das Gangbild verbessert sich dadurch.
- Wir sind verpflichtet, unsere Bewohner auf den
möglichen Einsatz von Hüftprotektoren hinzuweisen. Wir setzen uns sonst
gegebenenfalls haftungsrechtlichen Regressansprüchen aus.
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Grundsätze:
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- Protektoren bieten einen begrenzten Schutz vor
Schenkelhalsfrakturen. Als isolierte Maßnahme ist dieses Schutzsystem
hingegen unzureichend. Es ist unverzichtbar, dass zusätzlich weitere
Präventionsmaßnahmen ergriffen werden.
- Die Motivation des Bewohners ist ein
entscheidender Faktor. Protektorsysteme machen nur dann Sinn, wenn sie
auch kontinuierlich getragen werden.
- Wir respektieren, wenn Bewohner den Protektor
als Symbol der Pflegebedürftigkeit ablehnen. Gleichwohl verdeutlichen
wir dem Bewohner die Sturzfolgen, wenn er auf ein notwendiges
Schutzsystem verzichtet.
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Ziele:
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- Wir schätzen das Sturz- und das
Verletzungsrisiko jedes Bewohners so genau wie möglich. Wir wägen
korrekt ab, ob die Nutzung eines Protektors die Sicherheit des
Bewohners wirklich erhöht.
- Das Körpergefühl insbesondere von demenziell veränderten Senioren bleibt weitgehend erhalten.
- Die Autonomie des Bewohners wird so weit wie
möglich gewahrt. Vor allem sind Betroffene trotz Protektorsystem in der
Lage, eigenständig eine Toilette aufzusuchen.
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Vorbereitung: |
Organisation
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- Unser Personal wird regelmäßig zum Thema Sturz geschult. Dazu zählt auch der richtige Einsatz von Hüftprotektoren.
- Die Vorgaben des Expertenstandards
"Sturzprophylaxe in der Pflege" werden sorgfältig umgesetzt und die
Abläufe im QM-Handbuch abgebildet.
- Wir arbeiten eng mit den Anbietern der
Protektoren zusammen. Es ist uns dabei wichtig, über ein möglichst
breites Spektrum verschiedenster Systeme verfügen zu können. Nur so ist
es möglich, auf die individuellen Bedürfnisse jedes Bewohners eingehen
zu können.
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Durchführung:
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Indikation für die Nutzung von Protektoren
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- Die individuelle Sturzgefährdung unserer
Bewohner wird regelmäßig eingeschätzt. Wir erfassen zusätzlich
Faktoren, die im Fall eines Sturzes die Verletzungsrisiken erhöhen.
Dazu zählen insbesondere Osteoporose sowie Blutgerinnungsstörungen.
Bewohner mit erheblichen Risikofaktoren sollten einen Protektor tragen.
Sie werden daher über die Vorzüge, Nachteile und Kosten von Protektoren
beraten. Wir arbeiten eng mit dem behandelnden Hausarzt zusammen.
- Viele Bewohner haben übertriebene Angst vor
einem Sturz. In diesen Fällen kann die Nutzung von Protektoren auch
dann sinnvoll sein, wenn keine relevant erhöhten Risiken vorhanden
sind. Die Schutzsysteme geben den Betroffenen die notwendige
Selbstsicherheit, um mobil zu bleiben.
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Kontraindikationen und Risiken bei der Nutzung von Protektoren
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- Wir wägen den Sicherheitsgewinn durch die Protektoren mit den Nachteilen und Risiken ab.
- Eng anliegende Modelle lassen sich bei einem
eiligen Toilettengang häufig nicht schnell genug ausziehen. Die
Kleidung wird dann durch Stuhl und Urin verschmutzt. (Hinweis: Es ist
sinnvoll, verschiedene Modelle zu testen und sich nicht gleich vom
ersten Misserfolg abschrecken zu lassen.)
- Bei demenziell erkrankten Senioren kann das
veränderte Körperbild zu Orientierungsstörungen führen und die
Verwirrtheit intensivieren.
- Die Kunststoffschalen können Druck auf die
darunter befindlichen Hautbereiche ausüben; dieses insbesondere beim
Liegen oder im Sitzen. Das Dekubitusrisiko könnte steigen.
- Bei stark unterernährten Senioren sind
Hartschalenprotektoren kontraindiziert. Diese Betroffenen verfügen
nicht über das notwendige Fettgewebe, um die auftretenden Energien
abzuleiten. Kachektische Bewohner erhalten daher Polsterprotektoren.
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Information des Bewohners und der Angehörigen
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- Wir stellen klar, dass mit Protektoren die
Anzahl der Stürze nicht sinken wird. Dieses Schutzsystem wird lediglich
das Risiko einer Schenkelhalsfraktur vermindern. Wir weisen auch darauf
hin, dass verschiedene Pflegewissenschaftler die Schutzwirkung der
Protektoren für vergleichsweise gering halten.
- Wir vergleichen ggf. die Schutzwirkung eines
Hüftprotektors mit der Schutzkleidung eines Eishockeyspielers. Diese
Sportler würden niemals ohne Schutzkleidung auf das Eis gehen.
- Wir machen deutlich, dass Protektoren zumeist
weder von den Kassen bezahlt noch von uns gestellt werden. Daraus
folgt: Wenn der Bewohner und seine Angehörigen bzw. Betreuer die Kosten
nicht tragen können oder wollen, werden keine Protektoren beschafft.
Dieses auch bei einem hohen Verletzungsrisiko.
- Wir regen an, dass die Kleidung zukünftig
einige Nummern größer gewählt wird, damit der Protektor ausreichend
Platz findet. Insbesondere sollte der Bewohner beim Anprobieren neuer
Kleidung den Protektor tragen.
- Bei inkontinenten Senioren kann es sinnvoll
sein, mehrere Exemplare zu beschaffen. Der Bewohner ist dann auch
geschützt, wenn eine Protektorhose verschmutzt wurde.
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Sicherstellung der Kooperationsbereitschaft
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- Erfahrungsgemäß ist die Einsicht bei kognitiv
gesunden Menschen am höchsten. Auch ein unlängst zurückliegender Sturz
erhöht zumeist die Bereitschaft, die Protektoren zu nutzen. Wir fordern
den Bewohner beharrlich dazu auf, vorhandene Protektoren auch
tatsächlich dauerhaft zu tragen.
- Zumeist ist der Widerwille gegen das Tragen von
Protektoren bei leichter oder bei mittlerer Demenz stärker. Diese
Betroffenen verstehen den Zweck von Hüftprotektoren nicht und entfernen
diese häufig. Ein solches Verhalten ist problematisch, da in dieser
Phase der Bewegungsdrang und somit das Unfallrisiko besonders hoch sind.
- Bei Demenz-Patienten ist der Tragekomfort
besonders wichtig. Die Schalen sollten den Bewohner so wenig wie
möglich einschränken. Idealerweise vergisst der Bewohner, dass er einen
Protektor trägt.
- In vielen Fällen lässt sich die Akzeptanz
erhöhen, wenn dem Bewohner jedes Mal vor dem Anlegen der Sinn der
Protektoren in angemessener Weise erklärt wird.
- Mit Fortschreiten der demenziellen Erkrankung baut sich ein etwaiger Widerwille gegen das Tragen von Protektoren ab.
- Wenn sich der Bewohner weigert, die Protektoren
durchgehend zu tragen, schlagen wir als Kompromiss eine zeitlich
begrenzte Nutzung vor. Wir prüfen, ob es beim Bewohner eine
tageszeitliche Häufung von Sturzereignissen gibt. In der Folge könnte
der Bewohner die Schutzschalen nur am Nachmittag und am Abend tragen,
nicht aber am Vormittag.
- Viele Bewohner lehnen Protektoren aus optischen
Gründen ab, da sie die Figurlinie beeinträchtigen. Solchen Senioren
empfehlen wir, weite Kleidung zu tragen, die die Schutzkleidung
überdeckt. Wir suchen zudem nach Modellen, die möglichst flach sind.
- Ethisch umstritten, aber ggf. sehr effektiv ist
die Täuschung eines demenziell erkrankten Bewohners über den Zweck des
Protektors. Die Pflegekraft kann einer Bewohnerin erläutern, dass die
Protektor-Unterwäsche der Figurformung dient. Derartige
"Schlankheitsgürtel" sind vielen Seniorinnen biografisch vertraut. Sie
werden ggf. dann besser akzeptiert.
- Bei vielen Männern kann darauf aufgebaut
werden, dass Protektoren aus dem Sport oder aus dem Arbeitsleben
bekannt sind. Auch schon in den 50er-Jahren wurden im Radrennsport, im
Boxsport oder im Fußball Protektoren genutzt.
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Weiteres
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- Wir halten weiche Sitzgelegenheiten bereit, die
auch Senioren mit angelegten Protektoren einen bequemen Sitzkomfort
ermöglichen.
- Im Fall einer gleichzeitigen Inkontinenz ist es
wichtig, dass der Bewohner die Unterkleidung schnell ausziehen kann und
dass insbesondere die parallele Nutzung von Inkontinenzmaterial möglich
ist. Wir prüfen dann, welche der am Markt verfügbaren Modelle infrage
kommen.
- Die Pflegekräfte achten auf einen optimalen
Sitz des Protektors. Wenn dieser nicht korrekt über dem
Oberschenkelhals platziert wird, kann es bei einem Sturz sogar zu einer
Intensivierung der einwirkenden Kräfte kommen. Die Energien werden dann
in Richtung Oberschenkelhals gebündelt.
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Nachbereitung: |
Bei relevanten Beobachtungen wird ggf. der Hausarzt informiert. Faktoren dabei sind:
- Standstabilität
- Körperhaltung
- Gangbild
- Kooperationsbereitschaft
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Dokumente: |
- Berichtsblatt
- ärztliches Verordnungsblatt
- Therapieblatt
- Pflegeplanung
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Verantwortlichkeit / Qualifikation: |
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