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Version 1.05

Standard "Nutzung einer Desault-Weste nach einer Humerusfraktur"

 
Der Bruch des Oberarmknochens zählt zu den häufigsten Verletzungsfolgen eines Sturzes im Alter. Bis zur Abheilung der Fraktur liegt es an den Pflegekräften, die vielfältigen Selbstversorgungsdefizite zu kompensieren.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!
 

Standard "Nutzung einer Desault-Weste nach einer Humerusfraktur"
Definition:
  • Die Humerusfraktur, also der Bruch des Oberarmknochens, ist zumeist die Folge eines Sturzes auf den gestreckten Arm oder auf den Ellenbogen. Zumeist verläuft die Bruchlinie direkt unterhalb des Oberarmkopfes.
  • In den meisten Fällen erfolgt eine konservative Behandlung. Der Arm wird mittels einer Desault-Weste ruhiggestellt. Schon nach einer Woche beginnen Bewegungsübungen, um eine Schulterversteifung zu verhindern.
  • Der "klassische" Desault-Verband ist ein Stützverband zur Ruhigstellung des Schultergelenks und des Oberarms. In der Vergangenheit wurde dieser Verband häufig aus zahlreichen Lagen Kompressionsbinden gefertigt. Üblich war auch, ein Stück Schlauchverband (sog. "Körperschlauch" oder "Trikotschlauch") in eine entsprechende Form zu schneiden.
  • Inzwischen haben sich vorgefertigte Desault-Westen (auch "Berrehail-Westen") mit Klettverschlüssen durchgesetzt. Diese gibt es in den Größen XXS (weniger als 55 cm) bis XXXL (145 cm und mehr). Die Westen verfügen oft über zahlreiche Luftlöcher und können Körperwärme daher besser als ein konventioneller Bindenverband ableiten.
  • Anders als bei einem großflächigen Gipsverband werden die Gelenke durch die Desault-Weste nicht vollständig fixiert. Die verbliebene Bewegungsfähigkeit verzögert die Entwicklung einer Schultergelenksversteifung. Desault-Westen können daher bis zu drei Wochen getragen werden.
Grundsätze:
  • Das Anlegen einer Desault-Weste erfolgt nur auf ärztliche Anweisung.
  • Wir beachten das Prinzip der aktivierenden Pflege. Ein Bewohner erhält daher nur die Unterstützung, die im aktuellen Heilungsstadium erforderlich ist. Mit fortschreitender Genesung werden die Hilfeleistungen schrittweise reduziert.
Ziele:
  • Nach einem Sturz wird eine Humerusfraktur richtig erkannt. Wir leiten zeitnah eine ärztliche Behandlung ein.
  • Die Schulter wird ruhiggestellt. Die Fraktur kann verheilen.
  • Eine Schultergelenksversteifung wird vermieden.
Vorbereitung: Symptome
Wir setzen die Vorgaben um, die im Standard "Maßnahmen nach einem Sturz" beschrieben sind. Darüber hinaus achten wir auf Symptome, die für eine Humerusfraktur typisch sind. Bei hinreichenden Anzeichen für eine derartige Fraktur wird der Arzt / Notarzt gerufen.
  • Das Schultergelenk kann nur noch eingeschränkt und unter Schmerzen bewegt werden.
  • Der Bewohner klagt über Druckschmerz.
  • Der Oberarm ist geschwollen. Dort ist nach einigen Stunden ein ausgedehntes Hämatom sichtbar.
Durchführung: Mithilfe bei der ärztlichen Therapie
  • Bei einer gestauchten oder nur mäßig verschobenen Fraktur wird die Schulter mit einem Desault- oder mit einem Gilchrist-Verband ruhiggestellt.
  • Danach erhält der Bewohner zumeist Physiotherapie, damit es zu keiner Versteifung des Schultergelenks kommt. Sofern dem Bewohner aufgetragen wird, die Übungen auch allein fortzuführen, wird er ggf. von uns dazu motiviert und angeleitet. I.d.R. handelt es sich dabei um Pendel- und Anhebeübungen. Der Bewohner soll dafür seinen Oberkörper leicht nach vorne beugen.
  • Bei gravierenden Schädigungen ist zumeist ein operativer Eingriff erforderlich. Nach Rückkehr aus dem Krankenhaus zählt es auch zu unseren Aufgaben, die Wundheilung zu überwachen und bei Komplikationen zeitnah den Arzt zu informieren.
Wechsel der Desault-Weste
(Die Durchführung kann je nach Modell variieren. Passen Sie den folgenden Abschnitt ggf. an das von Ihrem Pflegeteam genutzte Produkt an.)
  • Die Desault-Weste wird im Rahmen der täglichen Körperpflege an- und ausgezogen, bzw. gewechselt.
  • Beim Anziehen der Weste kann es leicht passieren, dass diese verkehrt angelegt wird; also etwa mit der Oberseite nach unten oder mit der Innenseite nach außen. Daher entfaltet die Pflegekraft die Weste vollständig und prüft die richtige Ausrichtung.
  • Die Pflegekraft breitet die Brustseite der Weste auf dem Brustkorb des Bewohners aus. Ein "Flügel" wird unter dem Arm der beeinträchtigten Körperseite durchgeführt und über die Schulter gelegt.
  • Das Rückenteil der Weste wird um den Rücken des Bewohners geführt. Die Pflegekraft verbindet mit den Klettbändern die Brustseite mit der Rückenseite. Die Weste sollte fest anliegen, aber nicht einschneiden. Es dürfen keine Falten auftreten. Auch darf die Atmung nicht behindert werden.
  • Der Bewohner soll sich im Rahmen seiner Fähigkeiten an der Maßnahme beteiligen. So kann er z.B. mit der Hand seiner intakten Seite den Unterarm seiner geschädigten Seite halten.
  • Um dem betroffenen Unterarm Halt zu geben, führt die Pflegekraft den anderen Flügel nach oben. Er wird mittels der Klettbänder auf der Brust fixiert. Der Ober- und der Unterarm sollten sich nun in einem rechten Winkel befinden.
  • Mit zusätzlichen Klettbändern wird der Unterarm abgestützt. Ein Klettband wird um den Oberarm herum von hinten nach vorne geführt. Ein weiteres dient als zusätzlicher Tragegurt und wird von hinten nach vorne um den Unterarm geführt.


(Hinweis: Im Handel sind verschiedene Desault-Westen zu finden, deren Funktion im Detail abweicht.)
  • Wenn der Verband zu locker oder zu fest sitzt, kann die Pflegekraft diesen durch die Klettverschlüsse anpassen.
  • Wir intensivieren die Bemühungen zur Intertrigoprophylaxe. Gefährdete Hautbereiche wie etwa die Achsel oder die Hautfalte unter der (weiblichen) Brust werden mit Mullkompressen oder mit Polsterwatte unterlegt. Wir verhindern, dass Haut auf Haut reibt oder dass es zu Einschnürungen kommt.
  • Im Bereich der Handöffnung kann es durch das Scheuern des Verbands zu Hautirritationen kommen. Wir achten auf entsprechende Schädigungen.
weitere Maßnahmen
  • Wir erfragen beim behandelnden Arzt, ab wann und in welchem Maß das betroffene Gelenk wieder belastet werden darf. Wir stellen sicher, dass der Bewohner diese Begrenzungen beachtet, also insbesondere nicht zu schwere Lasten hebt.
  • Bei bettlägerigen Bewohnern ist es ggf. notwendig, die Umgebung entsprechend anzupassen; also insbesondere den Beistelltisch auf die andere Bettseite zu stellen. Der Bewohner muss vor allem in der Lage sein, mit seinem intakten Arm das Telefon und die Rufanlage zu erreichen.
  • Wir prüfen, inwieweit durch die Verletzung zusätzliche Selbstversorgungsdefizite entstehen. Dieses kann insbesondere im Bereich der Körperpflege der Fall sein. Der Bewohner erhält dann zusätzliche Hilfestellungen. Die Pflegeplanung wird entsprechend angepasst.
  • Zudem ist mit einer erhöhten Sturzgefährdung zu rechnen. Der Bewohner kann sich mit der betroffenen Hand nicht festhalten, wenn er beim Gehen das Gleichgewicht verliert. Auch die Nutzung von Gehhilfen ist unmöglich.
  • Ggf. befragen wir den Arzt, ob die Desault-Weste durch einen Gilchrist-Verband ersetzt werden kann.
Nachbereitung: Prognose
  • Die Prognose ist abhängig vom Allgemeinzustand des Bewohners. Bei frühzeitig und konsequent durchgeführten krankengymnastischen Übungen können Bewegungseinschränkungen zumeist minimiert werden.
  • Bei sehr alten Bewohnern mit gravierenden Grunderkrankungen muss mit Pseudoarthrose ("Scheingelenk") gerechnet werden, also dem Ausbleiben der Heilung. Sind Arterien durch die Fraktur verletzt, kann es zur Nekrose des Humeruskopfes kommen.
Dokumente:
  • Berichtsblatt
  • Leistungsnachweis medizinische Behandlungspflege
  • Fragen an den Arzt
  • Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • Pflegefachkräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Humerusfraktur; Fraktur; Schulter; Kontraktur; Kontrakturenprophylaxe; Sturz
Genereller Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und Textvorlagen ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden. Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.