Standard
"Bewegungsübungen zur Vermeidung von Kontrakturen des Knie- und des
Hüftgelenks" |
Definition: |
- Kontrakturen sind dauerhafte
Beweglichkeitseinschränkungen von Gelenken, die daraufhin in
unphysiologisch gebeugten oder gestreckten Positionen verharren. Es
werden verschiedene Formen von Kontrakturen unterschieden:
- Beugekontrakturen, also Gelenksteifen in
Beugestellung
- Streckkontrakturen, also Gelenksteifen in
Streckstellung
- Abduktions- oder Adduktionskontrakturen,
die vor allem die Daumen betreffen
- Eine Kontraktur kann verschiedene Ursachen
haben:
- unflexibles Narbengewebe oberhalb eines
Gelenkes
- Degeneration des Muskelgewebes, etwa in
Folge einer Entzündung, Immobilität oder eines Unfalls
- Verwachsungen der Gelenkflächen,
Schrumpfung der Gelenkkapseln
- neuronale Ursachen wie Multiple Sklerose
oder Rückenmarksverletzungen
- Eine Kontrakturenprophylaxe soll die
Entwicklung solcher Beweglichkeitseinschränkungen und
Fehlstellungen verhindern oder abmildern. Zentraler Bestandteil
dieser Vorsorge sind frühzeitige Maßnahmen zur Mobilisierung,
insbesondere das Durchbewegen der betroffenen Gelenke.
- Wir unterscheiden zwischen verschiedenen
Übungsformen:
- passive Bewegungsübungen: Die Bewegungen
werden von der Pflegekraft durchgeführt. Die Muskulatur des
Bewohners wird nicht genutzt. Passive Bewegungsübungen führen
wir nur durch, wenn sich der Bewohner in einem schlechten
Gesundheitszustand befindet, etwa bei Lähmungen oder völliger
Entkräftung.
- aktiv-assistive Bewegungsübungen: Der
Bewohner führt die Bewegung durch, wird dabei aber von der
Pflegekraft unterstützt. Dieses ist immer dann erforderlich,
wenn der Bewohner z.B. mit dem Gewicht der eigenen Extremität
überfordert ist. Oftmals auch sind Bewohner bei Rotationen nicht
in der Lage, mit ihrer Muskulatur den gesamten
Bewegungsspielraum des Gelenks zu nutzen. Wir setzen diese Form
bei Bewohnern ein, deren Herz-Kreislaufsystem und/oder
Bewegungsapparat beeinträchtigt sind.
- aktive Übungen: Der Bewohner führt die
Bewegung eigenständig durch. Die Rolle der Pflegekraft
beschränkt sich darauf, den Bewohner anzuleiten, diesen zu
motivieren und Fehler zu korrigieren.
- resistive Übungen: Die Pflegekraft
leistet bei den Bewegungsübungen moderaten Widerstand und erhöht
damit den Kraftaufwand für den Bewohner. Bei dieser Durchführung
steht neben einer Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit auch das
Ziel der Steigerung der Muskelkraft im Vordergrund.
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Grundsätze: |
- Das primäre Mittel gegen Kontrakturen ist
Bewegung.
- Bewegungsübungen machen nur dann Sinn, wenn
sie diszipliniert durchgeführt werden; also regelmäßig und im vom
Physiotherapeuten vorgegebenen Umfang.
- Bewegungen, die nur unter Schmerzen möglich
sind, werden strikt vermieden. Sie verringern den Kooperationswillen
des Bewohners und schädigen ggf. dessen Gelenke.
- Wir arbeiten eng mit dem Physiotherapeuten
und dem Arzt zusammen. Deren Vorgaben werden sorgfältig umgesetzt.
Gleichzeitig erwarten wir, dass auch unsere Beobachtungen und
Rückmeldungen bei der Planung der weiteren Therapie berücksichtigt
werden.
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Ziele: |
- Die Beweglichkeit der Gelenke wird erhalten
und gefördert.
- Eine Muskelatrophie wird vermieden. Die
Muskulatur wird gekräftigt.
- Das Körperbild des Bewohners bleibt gewahrt.
Er erkennt, dass er sich aktiv beteiligen muss, um die
Funktionsfähigkeit seines Bewegungsapparates zu erhalten und
auszubauen.
- Das Herzkreislauf-System wird gestärkt.
- Der Zustand des Bewohners wird soweit
verbessert, dass er die Bewegungsübungen in einem immer größeren
Umfang eigenständig durchführen kann.
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Vorbereitung: |
Organisation |
- Die Übungen werden vom Physiotherapeuten
vorgegeben. Wir bitten diesen darum, die Bezugspflegekraft
entsprechend anzuleiten.
- Die Bewegungskapazitäten aller Gelenke werden
in der Pflegedokumentation so genau vermerkt, dass jede Pflegekraft
die Übungen durchführen kann. Eine Über- und Unterforderung wird
dadurch ausgeschlossen.
- Wenn die Pflegekraft den Zustand des
Bewohners nicht genau kennt, verschafft sie sich über die
Pflegedokumentation einen Überblick. Relevant sind insbesondere die
Bewegungsmöglichkeiten der Gelenke sowie relevante Krankheitsbilder
wie Gicht oder rheumatische Erkrankungen.
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Indikation |
- Wir nutzen Bewegungsübungen bei verschiedenen
Krankheitsbildern:
- Bewusstlosigkeit
- Lähmungen
- starke körperliche Schwäche
- nach längerer Ruhigstellung einzelner
Gelenke, etwa nach einer Fraktur mit Gipsbehandlung
- Bewegungsübungen sind unter verschiedenen
Umständen nicht sinnvoll:
- Das Gelenk zeigt Entzündungszeichen, also
insbesondere Rötungen, Schwellungen, Überwärmung oder
Schmerzempfindlichkeit.
- Der Bewohner ist krank, leidet etwa unter
Fieber, Übelkeit oder Kopfschmerzen.
- Der Bewohner befindet sich im
Sterbeprozess.
- weitere Hinweise:
- Die hier beschriebenen Maßnahmen gelten
nicht für Hemiplegie-Patienten. Bei dieser Gruppe kommen
Bewegungsübungen aus dem Bereich des Bobath-Konzeptes zum
Einsatz.
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Durchführung: |
Organisation |
- Der Bewohner liegt in Rückenlage. Das
Kopfteil wird flach gestellt.
- Die Bettdecke wird entfernt. Verzichtbare
Lagerungshilfsmittel und andere störende Gegenstände werden aus dem
Bett genommen.
- Infusionen, Drainagen und
Blasenverweilkatheter werden fixiert.
- Die Pflegekraft klärt den Bewohner über die
geplante Maßnahme auf. Insbesondere bittet sie ihn, sich bei
Schmerzen sofort zu melden.
- Das jeweils nicht bewegte Bein kann in der
Kniekehle mit einem Kissen unterstützt werden.
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Flexion und Extension des
Kniegelenks |
- Die Pflegekraft umfasst mit einer Hand die
Vorderseite des Oberschenkels.
- Die andere Hand liegt auf der Oberseite des
Unterschenkels knapp oberhalb des Fußknöchels.
(Hinweis: Dieses Vorgehen zieht sich als roter
Faden durch alle Übungen: Die erste Hand bewegt das Gelenk, die zweite
verhindert, dass sich andere Körperabschnitte ungewollt mitbewegen.)
- Aus der Neutral-Null-Stellung bewegt die
Pflegekraft den Fuß nun in Richtung Gesäß. Das Kniegelenk wird
gebeugt. Danach wird das Kniegelenk wieder durchgestreckt. Das Bein
wird auf der Matratze abgelegt.
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Flexion und Extension des
Hüftgelenks |
- Der Bewohner wird ggf. aufgefordert das Bein
anzuspannen und den Fuß nach oben zu bewegen.
- Mit der flachen Hand an der Kniekehle
unterstützt die Pflegekraft das Bein des Bewohners.
- Die andere Hand der Pflegekraft liegt am
Becken oberhalb des Hüftgelenks.
- Aus der Neutral-Null-Stellung wird das
gestreckte Bein von der Matratze abgehoben, bis es einen 80°-Winkel
erreicht hat. Es folgt nun die Bewegung zurück in die
Neutral-Null-Stellung.
- Danach soll der Bewohner das Bein wieder
locker lassen.
(Hinweis: Dass zunächst das Knie und erst danach
die Hüfte durchbewegt werden, ist kein Zufall. Man arbeitet sich stets
von außen in Richtung Körperzentrum vor. Dieses liegt vor allem am
gesteigerten Kooperationswillen des Bewohners. Kleinere Gelenke lassen
sich zumeist schonender und folglich mit weniger Schmerzen bewegen.
Etwaige Belastungen steigern sich also nur langsam, und der Bewohner
kann sich besser darauf einstellen.) |
Abduktion und Adduktion des
Hüftgelenks |
- Eine Hand der Pflegekraft liegt an der
Unterseite des Oberschenkels des Bewohners nahe bei der Kniekehle.
- Die andere Hand der Pflegekraft liegt am
Becken oberhalb des Hüftgelenks.
- Der Bewohner wird ggf. wieder aufgefordert
das Bein anzuspannen und die Fußspitze nach oben zeigen zu lassen.
- Die Pflegekraft hebt das Bein einige
Zentimeter von der Matratze ab und führt es in eine seitliche
Abspreizung (Abduktion) mit 45°. Danach bewegt die Pflegekraft das
Bein wieder in die neutrale Ausgangslage zurück. Der Bewohner soll
wieder entspannen. Nach einer kurzen Pause soll er es ggf. wieder
anspannen.
- Danach wird das Bein erneut angehoben, nun
aber in die andere Richtung bewegt (Adduktion). Der Fußknöchel des
bewegten Beines wird also über den Fußknöchel des nicht bewegten
Beines geführt. Abschließend wird das Bein wieder in der
Neutral-Null-Stellung abgelegt. Und der Bewohner soll das Bein
wieder entspannen.
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Innen- und Außenrotation |
- Eine Hand der Pflegekraft umfasst den
Unterschenkel des Bewohners, die andere Hand liegt am Oberschenkel
des Bewohners. Der Bewohner wird wieder aufgefordert in der gleichen
Art und Weise das Bein anzuspannen.
- Das gesamte Bein wird nun nach außen gedreht,
bis es in einer 45°-Außenrotation liegt. Danach geht es zurück in
die Ausgangsposition. Der Bewohner soll kurze Zeit entspannen,
danach wieder anspannen.
- Als nächstes wird das Bein nach innen
gedreht, allerdings nur in eine Innenrotation von 30°. Schließlich
legt die Pflegekraft das Bein in der Neutral-Null-Stellung ab.
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allgemeine Durchführung |
- Es ist wichtig, den Bewegungsspielraum der
Gelenke größtmöglich auszunutzen. Wird ein Gelenk nur unzureichend
bewegt, wird es die ungenutzten Bewegungsmöglichkeiten letztlich
verlieren. Gehen wir über den maximalen Bewegungspunkt hinaus, fügen
wir dem Bewohner Schmerzen zu und schädigen ggf. das Gelenk.
- Bei bewusstlosen Bewohnern wird der
Bewegungsspielraum besonders vorsichtig erkundet. Der Bewohner ist
nicht in der Lage, sich durch Schmerzäußerungen bemerkbar zu machen
und seine Gelenke vor Überforderung zu schützen.
- Jede der oben beschriebenen Bewegungen wird
10 bis 12 Mal pro Übungseinheit wiederholt. Je nach
Gesundheitszustand des Bewohners sollten zwei bis drei
Übungseinheiten pro Tag geplant werden.
- Die Bewegungen werden langsam und rhythmisch
durchgeführt.
- Wir vermeiden es an den Gelenken zu ziehen,
denn durch den Zug können leicht Verletzungen herbeigeführt werden.
(Hinweis: Dieser Punkt ist unsicher. Einige
Therapeuten empfehlen, die Bewegungen zumindest unter leichtem Zug
durchzuführen. Dieses ermöglicht ein Gleiten und verhindert ein Reiben
der Gelenkflächen aufeinander.)
- Die Pflegekraft steht immer auf der Seite des
Bettes, auf der auch das zu bewegende Gelenk liegt. Die Pflegekraft
wird also während der Übungseinheit mehrfach von einer Bettseite auf
die andere wechseln.
- Die Pflegekraft achtet auch auf nonverbale
Schmerzäußerungen wie etwa Grimassen, Zusammenzucken usw.
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Nachbereitung: |
- Der Schwierigkeitsgrad der Übungen wird ggf.
angepasst. Beispiel: Statt passiven Übungen können zukünftig
aktiv-assistive Bewegungsabläufe genutzt werden.
- Die Maßnahme wird sorgfältig dokumentiert.
- Wenn die Pflegekraft relevante Beobachtungen
macht, werden der Physiotherapeut bzw. der Hausarzt informiert.
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Dokumente: |
- Berichtsblatt
- Leistungsnachweis
- Kommunikationsblatt mit dem Arzt
- Pflegeplanung
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Verantwortlichkeit /
Qualifikation: |
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