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Version 2.09c - 2014

Standard "Spitzfußprophylaxe"

 
Stoffschuhe im Bett? Ein Tennisball am Faden? Bei der Spitzfußprophylaxe sind unkonventionelle Hilfsmittel oftmals erfolgreicher als das Vorgehen strikt nach Lehrbuch. Unser Standard kombiniert klassische Maßnahmen und innovative Ansätze.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Spitzfußprophylaxe"
Definition:
  • Der Spitzfuß (auch "Spitzfußstellung" oder "Pes equinus") ist eine Deformation des Fußes. Der Vorfuß ist in Richtung Fußsohle gebeugt (sog. "Plantarflexion"). Der Fußinnenrand ist nach oben gezogen (sog. "Supination").
  • Es gibt verschiedene Auslöser für diese Schädigung:
    • Relevant für die Altenpflege ist vor allem eine längere Bettruhe (Immobilität) eines Bewohners, ohne dass in dieser Zeit angemessene Lagerungen und Mobilisierungen durchgeführt werden.
    • Der permanente Druck von schwerem Bettzeug auf den Fuß kann ebenfalls zu dieser Deformierung führen.
    • Gehäuft kommt es zu einer Spitzfußstellung nach einer Lähmung des Beines, etwa infolge eines Schlaganfalls oder einer anderen Hirnverletzung.
  • Der Spitzfuß ist die häufigste im Altenheim erworbene Kontraktur.
  • Betroffene können nur mit der vorderen Fläche des Fußes gehen (sog. “Zehengang”). Die Fersen haben beim Gehen keinen Bodenkontakt. Die Mobilität ist in der Folge deutlich eingeschränkt.
  • Auch passiv kann ein betroffenes Gelenk nicht oder nur unter großen Schmerzen bewegt werden.
  • Mittels der Spitzfußprophylaxe soll verhindert werden, dass der Fuß des Bewohners in einer pathologischen Streckstellung verbleibt und nicht mehr bewegt werden kann. Am wirkungsvollsten sind stets aktive Mobilisierungsmaßnahmen mit dem Bewohner. Wenn dessen Mobilität jedoch aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes erheblich eingeschränkt ist, müssen die Pflegekräfte die Bewegungen passiv durchführen.
Grundsätze:
  • Lagerungen allein sind nicht geeignet, das Auftreten eines Spitzfußes zu verhindern. Das beste Mittel zur Vermeidung einer solchen Kontraktur ist aktive Bewegung.
  • Spitzfußprophylaxe ist Aufgabe aller Pflegekräfte und nicht nur die der Physiotherapeuten.
  • Alle Maßnahmen müssen dem individuellen Krankheitsbild angepasst sein und mit dem behandelnden Arzt und mit dem Physiotherapeuten abgesprochen werden.
  • Alle Übungen werden so gewählt, dass sie die Kräfte und die Fähigkeiten der Bewohner nicht überfordern.
  • Alle Maßnahmen zum Durchbewegen sollten nach Möglichkeit von der Bezugspflegekraft durchgeführt werden, da diese die Bewegungseinschränkungen des Bewohners genau kennt. Wir vermeiden damit eine Überbelastung.
Ziele:
  • Die Entstehung einer Spitzfußstellung wird vermieden.
  • Der Bewohner bleibt mobil.
  • Der Bewohner hat keine Schmerzen.
Vorbereitung:
  • Wir achten auf die typischen Symptome einer Spitzfußstellung:
    • Der Bewohner klagt darüber, dass sein Bein “wegrutscht”. Er hat Angst davor, zu fallen oder umgestoßen zu werden.
    • Die Fußspitze des Bewohners zeigt dauerhaft nach unten, also vom Körper weg. Er ist nicht in der Lage, die Fußspitze anzuheben.
    • Der Bewohner ist nicht dazu fähig, die gesamte Fußsohle auf dem Boden aufzusetzen. Er bewegt sich im "Zehengang".
  • Wir bitten den Hausarzt ggf. um eine Verschreibung von Krankengymnastik. Wenn der Physiotherapeut im Haus anwesend ist, sollte die Pflegekraft den Kontakt suchen. Sofern möglich, sollte die Pflegekraft alle Mobilisierungsmaßnahmen mit dem Physiotherapeuten absprechen und diese gemeinsam üben und durchführen.
Durchführung: passive Bewegungsmaßnahmen / Lagerung
  • Wir nutzen einen Bettbogen, um den Druck von der Bettdecke auf die Zehen zu minimieren. Alternativ kann die Bettdecke über das Fußbrett gehängt werden. (Hinweis: Die Pflegekraft sollte darauf achten, dass der Bewohner dabei nicht friert. Es ist also ggf. sinnvoll, eine besonders lange Bettdecke zu beschaffen.)
  • Die Füße eines immobilen Bewohners werden in Rückenlage im rechten Winkel zu den Unterschenkeln gelagert. Die Fußballen werden mithilfe eines Lagerungskissens oder eines Schaumstoffquaders weich abgestützt. Der Auflagedruck sollte damit gleichmäßig verteilt werden. Die Spürinformationen dürfen sich nicht auf die Fußspitze konzentrieren.
  • Die Fußstütze darf nicht zu hart gewählt werden. Das Bettende ist nicht geeignet. Dieses würde die Entwicklung einer Spastizität fördern.
  • Auf die Wade sollte weder Spannung noch Druck ausgeübt werden.
  • Die Fersen werden ggf. weich oder hohl gelagert. Hierbei kann es zu Überschneidungen mit der Dekubitusprophylaxe kommen.
  • Das korrekte Sitzen gilt als sehr effektive und "natürliche" Spitzfußprophylaxe, da die Füße bei richtigem Bodenkontakt automatisch eine 90°-Stellung einnehmen. Der Bewohner sitzt auf einem Stuhl mit Lehne. Die Füße sind mit der ganzen Fußsohle auf dem Boden aufgesetzt und zeigen gerade nach vorne. Bei kleinen Menschen werden die Füße ggf. mit einem Bänkchen oder mit einem Brett unterlegt.
  • Die Füße von Rollstuhlfahrern werden nur während eines Transports auf den Trittbrettern positioniert. Ansonsten sollten die Füße mit der gesamten Fußsohle auf dem Boden aufgestellt werden.
  • Der Bewohner soll bequeme knöchelhohe Schuhe tragen. Diese halten den Fuß in einer 90°-Stellung. Geeignet sind insbesondere Turn- oder Laufschuhe. (Hinweis: Viele Physiotherapeuten empfehlen sog. “Basketballschuhe”.)
  • Wir testen, ob der Bewohner weiche Schuhe auch im Bett tragen sollte. Auch diese können Spürinformationen vermitteln. (Hinweis: Die Nutzung von Schuhen auch im Bett ist in der Fachliteratur umstritten.)
  • Beim Waschen eines immobilen Bewohners im Bett achten wir auf schonende Arbeitsabläufe. Wir heben das Bein des Bewohners nicht an der Ferse hoch, da dieses zu einem unangenehmen Überstrecken des Knies führt. Stattdessen wird das Bein gebeugt und aufgestellt. Dieses Vorgehen ist zudem kräfteschonender für die Pflegekraft.
  • Die Füße werden ggf. passiv durchbewegt, dabei darf die Pflegekraft die Schmerzgrenze des Bewohners nicht überschreiten. Die Vorgaben des Standards "Bewegungsübungen zur Vermeidung von Kontrakturen im Bereich des Fußes" werden beachtet.
Wickeln des Fußes
(Hinweis: Die hier beschriebene Technik ist vergleichsweise neu. Sie sollte nur nach ärztlicher Rücksprache erfolgen.)



Als alternative Maßnahme zur Vermeidung eines Spitzfußes bietet sich das Wickeln des Fußes an.


  • Der Bewohner befindet sich in Rückenlage im Bett. Die Pflegekraft faltet ein Handtuch der Länge nach. Sie legt dieses unter das Sprunggelenk.Die Pflegekraft führt das Tuch von außen über Spann nach innen und dann unter dem Mittelfuß nach außen.

  • Durch den leichten Zug wird nun die Außenkante des Fußes nach oben bewegt.

  • Die Pflegekraft führt das Handtuch unter den Unterschenkel.
  • Abschließend prüft die Pflegekraft die Druckverteilung unter der Ferse. Diese sollte ohne schädlichen Druck auf der Matratze aufliegen.
aktive Bewegungsmaßnahmen
  • Wir führen mit dem Bewohner verschiedene aktive Bewegungsübungen durch. Die einzelnen Übungen werden mit dem behandelnden Arzt und mit dem Physiotherapeuten koordiniert.
  • Der Bewohner wird motiviert, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten zu bewegen. Dazu zählt die Teilnahme an der Gymnastikgruppe aber auch die eigenständige Bewegung der Fußgelenke.
  • Wir fordern den Bewohner auf,
    • den Fuß nach außen und dann nach innen zu drehen,
    • die Zehen anzuziehen und dann zu entspannen,
    • den kompletten Fuß anzuziehen und dann zu entspannen.
  • Der Bewohner wird aufgefordert, im Liegen die Beine aufzustellen und das Becken anzuheben.
  • Wir binden einen Tennisball an eine lange Schnur. Diese befestigen wir an der Decke oberhalb des Fußendes. Der Bewohner wird aufgefordert, diesen Ball mit den Füßen zu bewegen.
  • Bei allen Übungen gibt der Bewohner das Tempo, den Rhythmus und das Ausmaß vor. Die Pflegekraft schätzt die Belastbarkeit des Bewohners ab. Wenn sich der Bewohner überanstrengt, bremst sie ihn.
Nachbereitung: allgemeine Maßnahmen
  • Der Bewohner wird nach dem Befinden und nach etwaigen Schmerzen befragt.
  • Der Bewohner wird bequem gelagert.
  • Alle Maßnahmen werden sorgfältig dokumentiert.
  • Ggf. wird die Pflegeplanung angepasst.
  • Es gibt verschiedene weitere Optionen, mit denen die Spitzfußprophylaxe ergänzt werden kann, etwa Krankengymnastik, orthopädische Spezialschuhe oder Orthesen (etwa eine Schiene, die zur Stabilisierung beitragen kann).
  • Wenn die Wadenmuskulatur bereits verkürzt ist, wird meist ein operativer Eingriff notwendig, um die Fehlstellung zu korrigieren.
Prognose:
  • Eine einmal erworbene Kontraktur wird sich nicht oder nur in geringem Maße zurückbilden.
  • Unterbleiben die hier beschriebenen Prophylaxemaßnahmen, so ist ein Fortschreiten der Schädigung wahrscheinlich. Bereits nach einem Monat Immobilität ist mit den ersten Schädigungen zu rechnen. Neben einer Erschlaffung des Kapselgewebes ist insbesondere eine nachlassende Belastbarkeit der Sehnen zu beobachten.
Dokumente:
  • Berichtsblatt
  • Leistungsnachweis
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • individueller Bewegungsplan (früher Lagerungsplan)
  • Kommunikationsblatt mit dem Arzt
  • Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Pflegekräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Prophylaxe; Kontraktur; Kontrakturenprophylaxe; Lagerung; Spitzfußprophylaxe
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