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Version 2.05d - 2016

Standard "Backgruppe in der Tagespflege"

 
Nach 50 oder mehr Jahren Erfahrung als Hausfrau fällt es vielen Seniorinnen schwer, sich versorgen zu lassen. Eine fundiert geführte Backgruppe kann bis ins hohe Alter auf diesen Fähigkeiten aufbauen. Denn die Handgriffe und Abläufe sind oft so tief in den Erinnerungen verwurzelt, dass sie selbst durch eine demenzielle Erkrankung nicht ausgelöscht werden.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Backgruppe" in der Tagespflege
Definition:
  • Wir bieten in unserer Tagespflegeeinrichtung eine Backgruppe an. Einmal in der Woche stellen unsere Tagesgäste unter Anleitung der dafür geschulten Mitarbeiter Kuchen, Kekse und andere einfache Backwaren her.
  • Das Backen weckt bei Seniorinnen andere Erinnerungen als etwa das Kochen. Kochen zählt zu den alltäglichen Routineaufgaben, die insbesondere werktags unter Zeitdruck erfüllt werden mussten. Das Backen hingegen assoziieren die meisten unserer Tagesgäste mit Sonn- und Feiertagen, an denen die Familie gemütlich und entspannt zusammenkommt.
  • Backen eignet sich insbesondere auch für die Betreuung von demenziell veränderten Senioren. Die einzelnen Schritte lassen sich gut voneinander abgrenzen und entsprechend den individuellen Fähigkeiten zuteilen. Zudem führt Backen zu schnellen Erfolgen; die Senioren können ihre Produkte zumeist noch am gleichen Tag probieren.
  • Backen folgt einem bestimmten Rhythmus, etwa beim Kneten der Zutaten oder beim Auswalzen des Teigs. Die Bewegungen werden gleichförmig und immer in der gleichen Geschwindigkeit durchgeführt. Die Fähigkeit dafür bleibt auch bei degenerativen Erkrankungen des Gehirns lange erhalten.
  • Eine Backgruppe ist insbesondere sinnvoll, um depressive Senioren mit Untergewicht und bei Nahrungsverweigerung wieder zu einer regulären Nahrungsaufnahme zu motivieren.

Bild: Das Backen entspricht zumeist nicht dem Rollenverständnis von älteren Männern. Entsprechend schwierig ist es, sie für diese Tätigkeit zu motivieren. Oftmals hilft der Hinweis, dass beim beruflichen Backen Männer in der Überzahl sind. Nur rund 42 Prozent aller Konditoren sind weiblich.
Grundsätze:
  • Die Backgruppe richtet sich vornehmlich - aber nicht ausschließlich - an weibliche Tagesgäste. Auch Männer können daran teilnehmen. Wir respektieren es aber, wenn diese ihrem Rollenbild entsprechend daran kein Interesse zeigen.
  • Wir beachten die Vorgaben der aktivierenden Pflege. Die Übungsleiterin greift nur dann helfend ein, wenn dieses notwendig ist. Ansonsten sollten die Teilnehmer alle Schritte selbst durchführen, auch wenn dieses aufgrund der körperlichen Einschränkungen mühselig ist und länger dauert.
  • Die Hygienevorschriften werden streng beachtet. Überkommene Zubereitungstechniken werden nicht eingesetzt, vor allem nicht die Nutzung von rohen Eiern. Wir nutzen stattdessen Ersatzprodukte, etwa Vollei aus dem Tetrapack.
  • Die produzierten Speisen werden ausschließlich innerhalb der Gruppe der Teilnehmer verzehrt. Die Backwaren sollten insbesondere nicht auf dem Basar verkauft werden. Wir könnten sonst in Haftung genommen werden, wenn Personen aufgrund von Hygienemängeln zu Schaden kommen.
  • Der spielerische Faktor hat Vorrang vor ästhetischen Ansprüchen. Die Backgruppe soll unseren Tagesgästen Spaß machen und nicht zur Pflicht werden. Es ist nicht schlimm, wenn Kekse nicht rund sind oder wenn der Teig ungleichmäßig dick ist.
  • Tagesgäste sollen für ihr Engagement ausführlich gelobt werden.
  • Wir legen Wert auf einen freundschaftlichen Umgang unter den Senioren. Der Übungsleiter wird daher Tagesgäste mit geringen hauswirtschaftlichen Fähigkeiten vor Spott in Schutz nehmen.
Ziele:
  • Hauswirtschaftliche Kompetenzen werden erhalten und gefördert.
  • Erinnerungen werden wachgerufen.
  • Das Gemeinschaftsgefühl ("Wir-Gefühl") der Tagesgäste wird gefördert.
  • Das Selbstvertrauen wird durch Erfolgserlebnisse gestärkt. Die Tagesgäste können ihre Lebenserfahrung und ihr Wissen auf diesem Gebiet einbringen.
  • Die Wahrnehmungsfähigkeiten werden gefördert, etwa der Geruchssinn, der Geschmackssinn und der Tastsinn.
  • Die feinmotorischen Fähigkeiten werden erhalten und gefördert.
  • Durch das Backen von jahreszeitlichen Speisen (etwa Weihnachtsplätzchen) wird die zeitliche Orientierung gefördert.
Vorbereitung:
  • Als Übungsleiter setzen wir erfahrene Pflegekräfte, Ergotherapeuten, Hauswirtschaftskräfte oder Sozialpädagogen ein. Qualifikation:
    • Erfahrungen in Gruppenarbeit
    • umfangreiche hauswirtschaftliche Fähigkeiten
    • Kommunikationsfähigkeit
    • Kenntnisse über Lehrmethoden in der Erwachsenenbildung
    • Kenntnisse über gerontopsychiatrische Krankheitsbilder
  • Die Backgruppe findet einmal in der Woche statt. Die Planung wird mit der Hauswirtschaft abgestimmt.
  • Die genauen Termine für die Backgruppe werden regelmäßig am Schwarzen Brett, auf der Homepage und in Kundenrundschreiben bekannt gegeben. Terminverschiebungen werden allen teilnehmenden Tagesgästen rechtzeitig mitgeteilt. Die Teilnehmer werden aufgefordert, geeignete Kleidung, ihr Hörgerät mit geladenen Batterien und ihre Brille mitzubringen.
  • Verschiedene Krankheitsbilder machen die Teilnahme von Tagesgästen unmöglich:
    • mangelhafte Körperhygiene
    • aggressives Verhalten und suizidale Tendenzen (Umgang mit gefährlichen Küchenutensilien)
    • Erbrechen und Durchfall (Infektionsgefahr!)
  • Die Gruppenleiterin stellt geeignete Rezepte zusammen.
    • Die Rezepte sollten den Teilnehmern bekannt und insbesondere regional verwurzelt sein.
    • Bei der Auswahl der Zutaten sollte die jeweilige Jahreszeit maßgeblich berücksichtigt werden. Sobald etwa die Zeit der Erdbeer-, der Kirsch- oder etwa der Apfelernte ansteht, sollten entsprechende Rezepte gewählt werden.
    • Bei mental sehr eingeschränkten Teilnehmern sollten die Zutaten bereits komplett portioniert und abgewogen auf dem Tisch bereitgestellt werden.
    • In der Weihnachtszeit backen wir Plätzchen, Kekse usw.
    • Rezepte, die auf exotischen Früchten basieren, sind zumeist eher ungeeignet. Dieses gilt auch für "Moderezepte" wie etwa eine "After-Eight-Torte" u.Ä. (Hinweis: In der Praxis ist es jedoch mitunter sinnvoll, auch komplett unbekannte Rezepte auszuprobieren. Dieses hat den Vorteil, dass dann alle Teilnehmer auf dem gleichen Stand sind. Die Gruppe wird dann nicht von ein oder zwei besonders erfahrenen Hausfrauen dominiert.)
    • Wichtig ist auch, dass sich die Abläufe in mehrere einzelne klar abgegrenzte Arbeitsschritte aufteilen lassen.
    • Verschiedene Rezepte sehen längere Wartezeiten vor, etwa für das Abkühlen von Zutaten, für das Aufgehen von Teigen oder für notwendige Ruhezeiten. Diese Rezepte kommen nicht in unsere erste Wahl. Als Obergrenze sollte eine Gesamtarbeitszeit von 45 bis 90 Minuten eingehalten werden.
    • Problematisch sind auch Rezepte mit harten Krusten oder mit harten Zutaten, wie etwa Nüsse, Mandeln, Trockenobst usw. Diese können bei Senioren mit schlechtem Gebisszustand zu Kauproblemen führen.
    • Die Pflegekraft informiert sich über individuelle Diätvorschriften sowie ggf. vorhandene Allergien etwa gegen Steinobst. Für Senioren mit Diabetes mellitus können Diätrezepte ausprobiert werden.
  • Ideal ist eine Teilnehmerzahl von 5 bis 8 Tagesgästen. Wenn diese Größe deutlich überschritten wird, teilen wir die Tagesgäste in zwei Gruppen auf, um eine individuelle Betreuung sicherzustellen. Eine Gruppenteilung ist ebenfalls notwendig, wenn das mentale Leistungsniveau innerhalb der Gruppe stark variiert.
  • Ggf. kann ein Praktikant, ein ehrenamtlicher Mitarbeiter oder ein Pflegeschüler bei der Durchführung der Backgruppe mithelfen.
  • Die Übungsleiterin stellt die Einkaufsliste zusammen. Die Zutaten können über die zentrale Küche beschafft werden. Alternativ kann die Übungsleiterin mit ausgewählten Tagesgästen die Komponenten selbstständig einkaufen.
  • Wir bitten ggf. Angehörige um Spenden, um teurere Zutaten kaufen zu können. Alternativ können Angehörige Obst und Früchte aus dem eigenen Garten beisteuern.
  • Der Raum wird gut gelüftet und beheizt.
  • Die Übungsleiterin stellt sicher, dass der Verbandskasten gefüllt ist und bereit steht.
  • Butter und Margarine werden rechtzeitig warm gestellt.
  • Wir prüfen, ob unsere Tagesgäste lieber "moderne" Geräte nutzen, etwa einen elektrischen Mixer. Ansonsten bieten wir ihnen die herkömmlichen Hilfsmittel an, etwa ein Handrührgerät.
  • Alle notwendigen Kücheninstrumente werden (gut sichtbar für alle Tagesgäste) auf dem Tisch in der Küche abgelegt.
  • Wir sorgen für gute Lichtverhältnisse im Arbeitsbereich, da die visuellen Fähigkeiten vieler Teilnehmer eingeschränkt sein können.
  • Wir bieten allen Tagesgästen vor dem Backen einen Toilettengang an.
Durchführung: Allgemeines
  • Wenn die Teilnehmergruppe aus vielen demenziell erkrankten Senioren besteht, sollten alle Tagesgäste an nur einer Kuchensorte arbeiten. Falls gleichzeitig verschiedene Kuchensorten hergestellt werden, würde das viele Tagesgäste überfordern.
  • Vor dem Backen müssen sich alle Tagesgäste sorgfältig die Hände waschen (und ggf. desinfizieren). Die Übungsleiterin überwacht die Reinigung und unterstützt ggf. die Tagesgäste. Die Reinigung ist zu wiederholen, wenn ein Tagesgast die Hände verschmutzt, etwa durch das Berühren von Müll oder von anderen kontaminierten Flächen.
  • Die Kleidung der Tagesgäste wird durch eine Schürze vor Verschmutzungen geschützt. Durch das Tragen von Bäckermützen kann zusätzliche "Backatmosphäre" geschaffen werden.
  • Die Gruppenleiterin liest das Rezept laut vor. Gemeinsam werden die Arbeitsschritte geplant und besprochen.


  • +++ Gekürzte Version. Das komplette Dokument finden Sie hier. +++

 
 
Infoblock PSG II und SIS
  • Der Bereich der Ernährung ist bei der Begutachtung durch den MDK häufig von Fassadenverhalten und von einer schwankenden Tagesform betroffen. Ein Beispiel:
    • Herr Müller leidet unter einer demenziellen Erkrankung. Bei der Nahrungsaufnahme muss eine Pflegekraft stets ein waches Auge auf ihn haben, da er sonst immer wieder das Essen einstellt, vom Tisch aufsteht oder sich schlimmstenfalls von den Tellern seiner Sitznachbarn bedient. Erschwerend kommt hinzu, dass Herr Müller aufgrund einer rheumatischen Erkrankung seine Handgelenke kaum für präzise Tätigkeiten wie das Schneiden eines Brötchens oder das Schmieren einer Brotscheibe nutzen kann. Die Schmerzen sind zu stark, daher muss dieses von der Pflegekraft übernommen werden.
    • Bei der Begutachtung zeigt sich ein ganz anderes Bild: Herr Müller reißt sich förmlich zusammen. Er ist konzentriert und macht einen orientierten Eindruck. Die Behauptung, er stände vom Esstisch auf, weist er brüsk zurück. Außerdem will er sich keine Blöße geben, beißt die Zähne zusammen und präsentiert - mühsam lächelnd - eine Fingerfertigkeit, die er sonst nie erreicht.
    • Im neuen Begutachtungsinstrument werden vier Grade der Selbstständigkeit unterschieden. Bei Herrn Müller ist eine ständige Motivation notwendig, er braucht ständige Anleitung und muss ständig beaufsichtigt werden. Zudem ist eine Übernahme von Teilhandlungen erforderlich. All das müsste zur Einschätzung führen, dass Herr Müller in diesem Bereich “überwiegend unselbstständig ist”. Tatsächlich jedoch vermerkt der Prüfer, dass die Beeinträchtigungen nur vereinzelnd auftreten und daher nicht zu berücksichtigen sind. Und das Ganze sogar zweimal; im Kriterium “essen” und - gleich darunter - im Punkt “trinken”.
    • Sie sollten daher den Gutachter vorab über das Fassadenverhalten informieren. Dieses ist glaubwürdiger, als wenn Sie im Nachgespräch versuchen, einen bereits gewonnenen Eindruck wieder zurecht zu rücken. Zudem sollten die Defizite natürlich in der Maßnahmenplanung lückenlos vermerkt werden.
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Tagespflege; Backen; Backgruppe; Kuchen; Demenz
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