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Vers. 2.15g

Standard "Essen und Trinken anreichen in der stationären Pflege"

 
Im hohen Alter wird manch Hochbetagter wieder zum Kleinkind degradiert. Er bekommt ein "Lätzchen" umgehängt, wird "gefüttert" und in Babysprache angeredet. Der Löffel mit dem (im Mixer erzeugten) Nahrungsbrei schwebt schon vor dem Mund, lange bevor die vorherige Portion geschluckt werden konnte. Und hat sich die Pflegekraft eigentlich vorher die Hände gewaschen? Mit einem Standard können Sie solche großen und viele kleine Schnitzer vermeiden.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Essen und Trinken anreichen in der stationären Pflege"

Definition:
  • Je nach Krankheitsbild und Krankheitsfortschritt benötigen Bewohner bei der Nahrungsaufnahme ein unterschiedlich großes Maß an Hilfe. Wir versuchen diesen Unterstützungsbedarf genau zu ermitteln, um eine Über- oder Unterversorgung des Bewohners zu vermeiden.
  • Es ist uns bewusst, dass es oft einfacher und zeitsparender wäre, auch solchen Bewohnern das Essen anzureichen, die mit etwas Unterstützung die Nahrungsaufnahme zumindest teilweise selbst durchführen könnten. Das Prinzip der aktivierenden Pflege verlangt jedoch, dass wir die Selbstständigkeit und das Selbstvertrauen des Bewohners so lange wie möglich erhalten.
  • Im hektischen Pflegealltag bleibt für das Essenanreichen häufig nicht ausreichend Zeit. Für Bewohner, die aufgrund ihrer Immobilität an das Bett gefesselt sind, bilden die drei Mahlzeiten jedoch sehr wichtige Fixpunkte im Tagesablauf.
Grundsätze:
  • Das Essenanreichen hat unter allen Pflege- und Betreuungsmaßnahmen eine hohe Priorität. Daher sollten sich Pflegekräfte so viel Zeit wie möglich dafür nehmen.
  • Hektik beim Essenanreichen kann Aggressionen erzeugen.
  • Wir achten auf eine menschenwürdige Sprache. Bewohner werden nicht "gefüttert", sondern es wird ihnen das Essen angereicht. Es gibt weder "Lätzchen" noch "Esslatze" sondern nur Servietten.
  • Bei Bewohnern mit Schluckstörungen oder einem eingetrübten Bewusstsein ist stets von einer erhöhten Aspirationsgefahr auszugehen.
  • Das Anreichen des Essens ist eine wichtige pflegerische Aufgabe, die insbesondere bei dementen Bewohnern viel Einfühlungsvermögen und Berufserfahrung erfordert. In Problemfällen wird diese Tätigkeit daher stets von Pflegefachkräften durchgeführt und nicht etwa von Zivildienstleistenden oder Praktikanten.
  • Das Eingeben des Essens sollte i.d.R. durch die Bezugspflegekraft erfolgen. Durch die personelle Kontinuität wird insbesondere bei dementen Senioren die Bereitschaft erhöht, ausreichend Nahrung zu sich zu nehmen.
  • Das Eingeben der Speisen ist immer auch eine ideale Aufgabe für Angehörige, die sich aktiv an der Pflege beteiligen möchten. Es muss dabei aber immer verdeutlicht werden, dass wir diese Hilfe nicht einfordern. Es könnte sonst der Eindruck entstehen, dass wir keine Zeit für das Eingeben der Speisen haben und die Durchführung daher an den Angehörigen delegieren. Bei Schluckstörungen muss die Maßnahme von der Pflegekraft durchgeführt werden.
Ziele:
  • Der Bewohner kann in möglichst angenehmer Atmosphäre seine Mahlzeiten zu sich nehmen.
  • Zwischen Bewohner und Pflegekraft entwickelt sich ein Vertrauensverhältnis.
  • Vorhandene Restfähigkeiten werden erhalten und gefördert.
  • Gesundheitliche Beeinträchtigungen werden rechtzeitig erkannt. Eine Aspiration wird vermieden.
Vorbereitung: Organisation
  • Wir prüfen, welchen Umfang die Hilfsbedürftigkeit hat. Wir nutzen eventuell vorhandene Restfähigkeiten, um die Selbständigkeit des Bewohners zu fördern. Häufig ist ein Bewohner etwa in der Lage, sein Frühstücksbrot allein zu essen, wenn ihm dieses zuvor belegt und in kleine Quadrate zerschnitten wurde. Andere Senioren können zumindest ein- oder zweimal eigenständig den Löffel zum Mund führen. Erst danach wird die Maßnahme dann von der Pflegekraft fortgeführt.
  • Wir nutzen nach Möglichkeit kein Essgeschirr oder Trinkgefäße aus Kunststoff. Diese können aufgrund des geringeren Gewichts leichter umfallen und beeinträchtigen oftmals auch das geschmackliche Empfinden.
  • Hilfsmittel wie Schnabeltassen werden nur dann eingesetzt, wenn dieses zwingend erforderlich ist. Dieses gilt auch für den generellen Ersatz der Gabel durch einen Löffel.
  • Im Rahmen der Biografiearbeit sowie im Dialog mit Angehörigen erheben wir auch Daten zum Ernährungsverhalten. Diese Informationen nutzen wir, um die Gewohnheiten des Bewohners auch in der Einrichtung zu beachten. So sollte der Bewohner insbesondere zu vertrauten Tageszeiten seine Nahrung aufnehmen.
  • Das Eingeben der Nahrung wird im Rahmen der Einarbeitung neuer Mitarbeiter geübt. Wir empfehlen insbesondere allen Mitarbeitern, sich probeweise von einem Kollegen die Nahrung eingeben zu lassen und diese Maßnahme aus der Sicht der Bewohner zu erleben.
  • Pflegebedürftige, die an einer Halbseitenlähmung leiden, erhalten geeignetes Geschirr. Dazu zählen etwa Besteck mit verstärkten Griffen, feststehende Teller mit Rand oder Schneidebretter mit Seitenbegrenzung.
  • Wenn der Bewohner erfahrungsgemäß sehr langsam isst, nutzen wir einen Warmhalteteller.
  • Die Pflegekraft wäscht sich die Hände und führt eine hygienische Händedesinfektion durch. Dieses sollte in Sichtweite des Bewohners geschehen.
  • Die Pflegekraft sollte nicht unmittelbar nach der Desinfektion der Hände mit der Zubereitung der Speisen beginnen. Der Geruch des Mittels kann an verschiedenen Speisen anhaften und durch den verfälschenden Geruch den Appetit mindern.
  • Wenn der Bewohner in einem Zweibettzimmer lebt, wird sichergestellt, dass der Mitbewohner alle planbaren Ausscheidungsprozesse rechtzeitig abschließt. Beispiel: Einläufe oder rektales Ausräumen.
  • Bei ausgeprägten Schluckstörungen wird ggf. ein Absauggerät bereitgehalten.
  • Vor der Essenseingabe überprüft die Pflegekraft, ob der Bewohner die richtigen Speisen erhalten hat. Dieses ist insbesondere wichtig, wenn der Bewohner Schonkost erhalten soll oder sich kalorienreduziert ernährt.
  • Die Pflegekraft bleibt während des gesamten Essenanreichens beim Bewohner sitzen und erledigt in dieser Zeit keine anderen Tätigkeiten.
  • Bei Bewohnern, die sich nicht mehr sprachlich äußern können, verabreden wir nonverbale Zeichen. Wenn der Bewohner satt ist, soll er z.B. die Augen schließen, den Kopf wegdrehen, den Kopf schütteln oder mit der Hand den Arm der Pflegekraft drücken. Das Öffnen des Mundes oder ein Kopfnicken hingegen kann dann bedeuten, dass die Pflegekraft den nächsten Bissen oder Löffel zum Mund führen soll.
Vorbereitung auf das Esseneingeben
  • Das Zimmer wird gelüftet.
  • Wir nehmen mit dem Bewohner Kontakt auf. Bei dementiell erkrankten Senioren kann dieses z.B. auch mittels Handkontakt geschehen.
  • Die Pflegekraft setzt sich so ans Bett, dass sie dem Bewohner gegenüber sitzt und sich auf Augenhöhe befindet. Ggf. wird das Pflegebett höher gefahren. Nach Möglichkeit sollte die Pflegekraft nicht "von oben" auf den Bewohner herabsehen. Der Bewohner sollte beim Essen den Kopf nicht überstrecken.
  • Ein ggf. hochgefahrenes Bettgitter wird heruntergefahren.
  • Falls notwendig und möglich wird der Nachttisch auf eine angemessene Höhe eingestellt.
  • Das Bett und die Bekleidung des Bewohners werden mit einer Serviette vor Verschmutzung geschützt. Dieses ist appetitlicher als die Nutzung von Zellstoff. Ein zusätzlicher Bettschutz wird nur dann angebracht, wenn der Bewohner erfahrungsgemäß häufiger kleckert.
  • Der Teller wird so nah wie möglich beim Bewohner aufgestellt. Er soll das Gefühl bekommen, dass er von "seinem" Teller isst und nicht von dem der Pflegekraft. Zudem sollte der Bewohner den Inhalt des Tellers sehen können.
  • Rechtshändern stellt die Pflegekraft Glas und Messer auf die rechte Seite; bei Linkshändern ist dieses häufig (aber nicht immer) andersherum.
  • Niedriges Geschirr steht vorne, hohes Geschirr wird weiter hinten positioniert. Damit wird die Gefahr reduziert, dass der Bewohner etwas umwirft.
  • Wenn der Bewohner stark zittert, werden die Tassen und Becher nur bis zur Hälfte gefüllt.
  • Die Mahlzeit wird vor den Augen des Bewohners zerkleinert.
Vorbereitung des Bewohners
  • Wenn möglich sollte der Bewohner soweit mobilisiert werden, dass er das Essen an einem Tisch im Zimmer einnehmen kann.
  • Ggf. wird der Bewohner daran erinnert, die Zahnprothese einzusetzen. Falls notwendig wird er dabei unterstützt.
  • Ein immobiler Bewohner sollte sich im Bett möglichst aufrichten. Dazu wird das Kopfende des Bettes hochgefahren. Das Gewicht des Bewohners sollte auf seinem Becken liegen.
  • Wenn das Aufrichten nicht möglich oder kontraindiziert ist, ist die Aspirationsgefahr deutlich erhöht. Zum Trinken muss dann ein geeignetes Gefäß verwendet werden, etwa eine Schnabeltasse oder ein Becher mit abknickbarem Trinkhalm.
  • Wenn der Bewohner vor dem Essen Medikamente einnehmen muss, werden diese nun appliziert.
  • Medikamente werden dem Bewohner nicht unwissentlich "unter das Essen gerührt". Dieses könnte das Vertrauensverhältnis zerstören.
Durchführung:
  • Die Pflegekraft überprüft die Temperatur der Speisen. Dieses ggf. mit einer eigenen (zusätzlichen) Gabel. Wenn die Speisen bereits erkaltet sind, wärmt die Pflegekraft diese in der Mikrowelle wieder auf.
  • Bei blinden oder stark sehbehinderten Bewohnern sagen wir vor jedem Bissen an, welche Speisenkomponente als nächstes angereicht wird. Also etwa ein paar Bohnen, eine halbe Kartoffel, ein Stück Fleisch usw.
  • Bei Bewohnern mit Halbseitenlähmung sollte die Pflegekraft die betroffene Hand führen. Das Essen wird über die betroffene Seite angereicht.

  • Wenn die Hand des Bewohners geführt werden muss, nutzt die Pflegekraft zwei Kontaktpunkte: Mit einer Hand unterstützt sie den Ellenbogen des Bewohners und mit der anderen Hand dessen Oberarm.
  • Die Pflegekraft überprüft den Schluckvorgang beim Bewohner. Insbesondere nach einem Schlaganfall leiden viele Betroffene unter Kau- und Schluckproblemen.
  • Der Bewohner bestimmt die Geschwindigkeit, mit der er isst. Die Pflegekraft wartet ab, bis er die vorherige Portion schlucken konnte. Erst dann führt sie den nächsten Löffel oder die nächste Gabel zum Mund des Bewohners.
  • Dem Bewohner wird vor und nach dem Essen sowie während des Essens ein Getränk angeboten. Bei heißen Getränken prüft die Pflegekraft die Temperatur, indem sie das Gefäß an die Innenseite Ihres Ellenbogens hält.
  • Danach gibt die Pflegekraft dem Bewohner die Flüssigkeit schluckweise ein. Sie wartet dabei jeweils ab, bis der Schluckvorgang abgeschlossen ist. Wenn der Bewohner zu hastig trinkt, sollte die Pflegekraft nach jedem Schluck das Glas absetzen. Wir nutzen ggf. eine zusätzliche Serviette, um verschüttete Flüssigkeit aufzunehmen.

  • Die Pflegekraft stützt das Trinkgefäß von unten mit der Handfläche. Der Bewohner soll das Glas seitlich umfassen und zum Mund führen. Ggf. kann sie mit der anderen Hand den Kopf des Bewohners noch etwas weiter aufrichten.
  • Speisereste, die im Mundwinkel des Bewohners hängen bleiben, werden mit der Serviette entfern

    +++ Gekürzte Version. Das komplette Dokument finden Sie hier. +++

 
   
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Essen; Trinken; Ernährung; Nahrung
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