|
|
Version 1.05a - 2013 |
|
Standard "Madentherapie" |
|
Wundermittel
oder Mumpitz? Die Meinungen über das biochirurgische Débridement
mittels Fliegenmaden gehen weit auseinander. Tatsächlich haben die
"gefräßigen Lucies" schon so manche Amputation verhindern können. |
|
Wichtige Hinweise:
- Zweck unseres Musters ist es nicht,
unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser
Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und
an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
- Unverzichtbar ist immer auch eine
inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte,
da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen.
Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten
Krankheitsbildern kontraindiziert.
- Dieser Standard eignet sich für die
ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen
jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen
"Patient".
Dieses Dokument ist auch
als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar.
Klicken Sie hier!
|
|
Standard "Madentherapie" |
Definition:
|
- Maden werden bereits seit Jahrhunderten
erfolgreich zur Therapie chronischer Hautdefekte genutzt. Mit der
Entdeckung des Penicillins geriet die Biochirurgie in Vergessenheit.
Nun führt die zunehmende Resistenz vieler Keime gegen Antibiotika zur
Wiederentdeckung dieser unkonventionellen Behandlungsform.
- Für das biochirurgische Débridement werden
Maden der Gattung Lucilia sericata genutzt, also eine goldgrüne
Schmeißfliegenart. Es handelt sich dabei um Nekrophagen, also um Tiere,
die sich ausschließlich von abgestorbenem Gewebe ernähren. Gesundes,
lebendes Gewebe greifen sie nicht an. Die Maden (umgangssprachlich
"gefräßige Lucies") vertilgen das abgestorbene Gewebe nicht direkt,
sondern verflüssigen es mit dem von ihnen abgesonderten Speichelsekret.
Die Tiere saugen die Flüssigkeit dann als Nahrung auf. Sie können daher
selbst umfangreiche Wundbeläge binnen kurzer Zeit abbauen, ohne dabei
das darunter liegende durchblutete Gewebe zu beeinträchtigen.
- Die Biochirurgie gilt als einfach anwendbar,
kosteneffizient und nebenwirkungsarm. Insbesondere ermöglicht dieses
nicht-chirurgische Débridement eine schnellere Wundreinigung.
- Eine Flucht der Maden ist problematisch, da
diese die Keime des Bewohners in sich tragen und in der Einrichtung
verteilen. Dieses vor allem, wenn sich aus den Maden Fliegen entwickeln.
- Es gibt zwei Formen der Madentherapie:
- Das sog. "BioBag" besteht aus einem
abgeschlossenen Polyester-Netz und einem PVA-Schwamm, der als
Abstandshalter dient. Diese flexible Wundauflage lässt sich für
Hautdefekte verschiedenster Größe einsetzen. Ein Biobag kann zu
Kontrollzwecken jederzeit entfernt und wieder aufgelegt werden.
- "Freiläufer" werden immer dann genutzt, wenn
die Anwendung eines Biobags nicht in Betracht kommt. Die Maden werden
dann direkt auf die Wunde appliziert.
- Insgesamt entscheiden vier Kriterien über den Erfolg der Madentherapie:
- Schutz der Maden vor mechanischem Druck
- ausreichende Sauerstoffversorgung
- hinreichende Feuchtigkeit ohne Nässestau
- kein Ausbruch der Maden aus dem Käfig
|
Grundsätze:
|
- Viele Bewohner haben übersteigerte Erwartungen
an eine Madentherapie. Tatsächlich können diese Tiere einen wichtigen
Beitrag zur Wundreinigung leisten. Es handelt sich dabei aber um kein
Wundermittel.
- Ekel ist bei der Madentherapie immer ein
Faktor. Dieses aber weniger aufseiten der Bewohner, sondern vielmehr
aufseiten der Pflegekräfte.
|
Ziele:
|
- Die Wunde wird von Nekrosen und von Belägen befreit.
- Die Schmerzbelastung wird auf ein Minimum begrenzt.
- Die Maden werden vor schädlichen Umwelteinflüssen geschützt.
- Ein Entweichen der Maden wird verhindert.
|
Vorbereitung: |
Indikation
|
- Wir nutzen die Madentherapie bei folgenden Krankheitsbildern:
- diabetische Wunden
- Dekubitus
- venöse Ulzera
- Brandwunden
- Operationswunden
- infizierte oder infektionsgefährdete Wunden
- Nekrosen an sensiblen Bereichen wie etwa Sehnen
(Hinweis: Die Indikation ist umstritten. Kritiker der Madentherapie
sehen diese bestenfalls als letzte Option vor einer Amputation.)
- Nicht sinnvoll ist die Anwendung, wenn folgende Probleme vorliegen:
- Die Wunde ist mit Pseudomonas besiedelt. Hier gehen die Maden häufig wegen Sauerstoffmangels ein.
- Wir nutzen diese Therapie auch nicht bei
Wunden, die zu Blutungen neigen oder im Bereich größerer Blutgefäße
liegen. Keine Anwendung erfolgt auch bei Hautdefekten, die mit
Körperhöhlen (insbesondere der Bauchhöhle) oder mit inneren Organen in
Verbindung stehen.
- Bei arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) im Stadium IV sind die Maden i.d.R. nicht erfolgreich einsetzbar.
- Problematisch ist die Madentherapie bei
trockener Nekrose. Hier ist es ggf. sinnvoll, das abzubauende Gewebe
z.B. mit Hydrogelen anzufeuchten.
|
Organisation
|
- Die Beschaffung, Lagerung und Anwendung der
Maden muss gut geplant werden. Nur vom 2. bis zum 7. Tag ihres
Entwicklungsstadiums können die Tiere therapeutisch genutzt werden. Die
Maden sollten nach Möglichkeit innerhalb von 12 Stunden nach der
Anlieferung appliziert werden. Wenn dieses nicht möglich ist, sollten
sie bei 3°C bis 8°C lichtgeschützt gelagert werden. Ein Einsatz ist
dann bis zum 3. Tag nach dem Herstellungsdatum (Schlüpfen) möglich.
- Sinnvoll kann es sein, wenn die Maden erst in
der Apotheke schlüpfen. Die Apotheke beschafft dafür sterile Eier in
einer Kulturflasche. Diese werden dann in einem Brutschrank gelagert,
bis die Maden die erforderliche Größe für die Applikation haben.
- Die Pflegekraft spült die Wunde mit steriler
Kochsalz- oder Ringerlösung aus. In keinem Fall darf ein
Desinfektionsmittel genutzt werden, da die Maden dadurch geschädigt
würden.
- Die Pflegekraft inspiziert die Maden vor der Applikation. Sind diese reglos oder braun verfärbt, werden sie nicht eingesetzt.
- Es ist ggf. wichtig, die Angehörigen über die
Therapie zu informieren und Ängste abzubauen. Wichtig ist insbesondere
der Hinweis, dass nur totes Gewebe abgebaut wird und dass die Maden für
den Bewohner ebenso wie für Besucher harmlos sind.
|
Durchführung:
|
Tipps
|
- Maden sind lichtscheu. Sie entwickeln eine
erstaunliche Mobilität, wenn sie mit einem Lichtspot angeleuchtet
werden. Daher sollte die Beleuchtung während der Applikation auf ein
Minimum reduziert werden.
- Erwärmte Maden sind schneller als kühle Maden.
Daher sollten die Tiere erst unmittelbar vor dem Einsetzen aus dem
Kühlschrank entnommen werden.
- Semiokklusive Verbände wie Folien oder
Hydrokolloide sind als Sekundärverband ungeeignet, da es zu
Luftabschluss oder zu Nässestau kommen kann. (Dieser Punkt ist
umstritten. Verschiedene Mediziner empfehlen durchaus die zusätzliche
Nutzung von Hydrokolloid- und anderen Hydroaktiv-Verbänden.)
- Der Verband muss locker aufgelegt werden, damit die Maden nicht zerdrückt werden.
|
Biopacks
|
- Die Pflegekraft entnimmt das BioBag mit einer
Pinzette aus dem Transportbehälter und appliziert es auf der
Wundfläche. Sollen unebene Wundoberflächen oder Wundhöhlen versorgt
werden, kann ein BioBag tamponiert oder gefaltet werden.
- Ist die Wunde größer als ein BioBag, können mehrere Beutel mit Maden eingesetzt werden.
- Ist die Wunde kleiner als ein BioBag, so ist
dieses kein Problem. Der Beutel mit den Maden wird trotzdem eingesetzt,
auch wenn zusätzlich zur Wunde auch intakte Haut überdeckt wird. Die
Tiere werden das gesunde Gewebe nicht angreifen.
- Danach bedeckt die Pflegekraft den Verband mit
Gaze, die zuvor mit Kochsalz- oder mit Ringerlösung befeuchtet wurde.
Den Abschluss bildet eine Fixierung per Bandage oder per Klebeverband.
- Je nach Wundumgebung und Therapiefortschritt
bleibt das BioBag bis zu vier Tage auf dem Hautdefekt. Die Pflegekraft
entsorgt das BioBag danach in einem verschlossenen Beutel im Behälter
für infektiöse Materialien.
|
Freiläufer
|
- Die Wundränder werden mit doppelseitigem
Klebeband umschlossen. Darüber aufgebrachte Wundgaze hindert die Tiere
am Entkommen (sog."Madenkäfig"). Darüber werden saugfähige Kompressen
aufgebracht. Die Fixierung erfolgt auch hier mittels Mullbinden oder
per Schlauchverband.
- Mitunter ist es aber aufgrund der anatomischen
Gegebenheiten schwierig, einen ausbruchssicheren Madenkäfig zu
schaffen. Schwachstellen (wie etwa im Bereich von Gelenken oder
Hautfalten) können mit Stomapaste oder mit Heftpflastern verschlossen
werden.
- Die "Freiläufer" werden in einer Stückzahl von
10 Maden pro Quadratzentimeter eingesetzt. Für eine genaue "Dosierung"
muss die Wundfläche ggf. zuvor vermessen werden. Die Maden werden mit
einigen Millilitern Kochsalzlösung aus dem Liefergefäß auf ein
engmaschiges Nylonne
+++ Gekürzte Version. Das komplette Dokument finden Sie hier. +++
-
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Weitere Informationen
zu diesem Thema |
|
|
Schlüsselwörter für diese Seite |
Dekubitus; Wunde; Wundauflage; Biochirurgie; Madentherapie |
|
Genereller
Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und
Textvorlagen ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch
kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel
diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der
jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt
angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen
bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert. |
|