das Altenpflegemagazin im Internet
www.altenpflegemagazin.de
Start Log-in Service Registrierung AGB+Datenschutz Suche / Stichwortindex Quiz Mobil Impressum

 

Version 3.05a - 2017

Standard "supervidierende Pflegevisite"

 
Die Überprüfung der Pflege per Pflegevisite hat einen ramponierten Ruf. Nur allzu häufig wird dieses Kontrollinstrument als bloße Machtdemonstration zweckentfremdet. Unser Standard zeigt, wie Sie dieses Qualitätswerkzeug sinnvoll einsetzen, etwa um Wissenslücken zu finden und Gefahrenquellen zu beseitigen.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "supervidierende Pflegevisite"
Definition:
  • Die "supervidierende Pflegevisite" dient der Beurteilung der Pflegekraft im Rahmen der Fachaufsicht durch die Pflegedienstleitung. Daraus werden dann verschiedene Maßnahmen abgeleitet, wie etwa die gezielte Weiterbildung einzelner Mitarbeiter.
  • Von besonderer Bedeutung ist die Pflegevisite bei rechtlichen Auseinandersetzungen. Oftmals stehen Einrichtungen bei Haftungsforderungen vor dem Problem, dass eine für die Schadensentstehung relevante Pflegemaßnahme nicht gesondert dokumentiert wurde. Eine unzureichende Dokumentation von dokumentationspflichtigen Pflegemaßnahmen kann eine Veränderung der Beweislast zum Nachteil der Pflegeeinrichtung auslösen.
  • Allerdings ist es im Nachhinein möglich, trotzdem zu belegen, dass die Leistung ordnungsgemäß erbracht wurde. Für den sog. “Immer-so-Beweis” kann z. B. ein Zeuge vernommen werden, wie üblicherweise in derartigen Pflegesituationen vorgegangen wird. Wichtig sind dabei auch die Pflegestandards, in denen die verbindliche Durchführung einer Pflegemaßnahme beschrieben wird. Vor allem mittels Pflegevisiten kann eine Einrichtung sicherstellen und belegen, dass die im QM-Handbuch hinterlegten Pflegestandards auch tatsächlich in der täglichen Praxis beachtet werden.
  • Verschiedene Faktoren sind entscheidend dafür, dass die Pflegevisite von den Mitarbeitern akzeptiert wird. So sollten Mitarbeiter nicht den Eindruck gewinnen, dass der Hauptzweck der Pflegevisite die Maßregelung der Pflegekräfte ist. Stattdessen muss die Pflegedienstleitung glaubhaft vermitteln, dass das Finden und Analysieren von Fehlern auch im Interesse des Mitarbeiters liegt.
Hinweis:
  • Die supervidierende Pflegevisite ist nur eine Form der Pflegevisite. Bei der "Pflegevisite AEDL" (bzw. "Pflegevisite SIS") steht der Bewohner mit seinen Pflegeproblemen und Pflegeressourcen im Mittelpunkt. Die kollegiale Pflegevisite ist der supervidierenden Pflegevisite ähnlich. Sie wird aber nicht von einem Fachvorgesetzten durchgeführt, sondern wechselseitig von gleichrangigen Pflegekräften.
  • Eine sehr ähnliche Pflegevisite wird im Rahmen der Ausbildung durchgeführt. Teilnehmer sind dann der Praxisanleiter bzw. der Mentor sowie der Auszubildende. Die Anforderungen sind abhängig vom jeweiligen Ausbildungsstand. Auch hier werden die Ergebnisse protokollarisch festgehalten und bewertet.
  • Die supervidierende Pflegevisite unterliegt ggf. der Zustimmungspflicht durch die Arbeitnehmervertretung oder durch den Betriebsrat.
Grundsätze:
  • Die Pflegevisite wird von der Pflegedienstleitung durchgeführt. Diese Kontrollfunktion ist nicht delegierbar.
  • Ein zentraler Erfolgsfaktor für die Pflegevisite ist der faire und kollegiale Dialog zwischen allen Beteiligten.
  • Der Pflegedienstleitung muss stets bewusst sein, dass sie durch die Pflegevisite nur einen kurzen Einblick in die Arbeit des Mitarbeiters gewinnt. Sie muss ebenfalls bedenken, dass die Situation der Pflegevisite "künstlich" ist und sich vom normalen Pflegealltag deutlich unterscheiden kann. Daher dürfen die gewonnenen Eindrücke nur ein Element der Gesamteinschätzung sein.
Ziele:
  • Die Pflegeleistungsqualität wird gesichert und verbessert.
  • Die pflegerische Leistung der Pflegekraft wird fair beurteilt.
  • Die Fähigkeiten des Mitarbeiters werden weiterentwickelt. Anhand der ggf. gefundenen Qualifikationslücken wird die Fortbildungsplanung optimiert.
  • Wir können nachweisen, dass die im QM-Handbuch hinterlegten Vorgaben tatsächlich umgesetzt werden.
  • Durch die Beseitigung von Wissenslücken sinkt das Risiko, für Pflegefehler haftungsrechtlich in Anspruch genommen zu werden.
  • Die täglich geleistete Arbeit wird anerkannt und wertgeschätzt.
  • Abläufe werden analysiert und optimiert. Eine Überlastung der Mitarbeiter ("Burn-out") wird vermieden.
  • Das Verhältnis zwischen Pflegekraft und Bewohner wird analysiert.
  • Die Pflegedokumentation wird überprüft. Gefundene Fehler werden zeitnah beseitigt.
Vorbereitung: Organisation
  • Die Einführung der Pflegevisite in unserer Einrichtung wird mit einer Teambesprechung begleitet. Alle Mitarbeiter sind über den Sinn und Zweck der Pflegevisite informiert.
  • Jeder Bewohner wird bereits beim Heimeinzug darüber informiert, dass in unserem Haus Pflegevisiten durchgeführt werden.
  • Pflegevisiten werden nach einem festen Schema durchgeführt. Soweit möglich sollten alle Mitarbeiter und alle Wohnbereiche visitiert werden, ohne dass es dabei zu einer Häufung kommt. Wir führen diese Pflegevisite durch
    • vor Ablauf der Probezeit, also im Rahmen der Einarbeitung neuer Mitarbeiter
    • im Rahmen des Auswahlprozesses für eine leitende Position, etwa als Wohnbereichsleitung
    • nach Beschwerden durch Bewohner oder durch Angehörige
    • nach Mängelrügen durch den MDK
    • zur Bestimmung des Fortbildungsbedarfs
    • vor dem jährlichen Mitarbeitergespräch
  • Die Visite wird der Pflegekraft mit einigen Tagen Vorlauf angekündigt. Der Zeitpunkt der Pflegevisite ist abhängig von der Zielsetzung. Wenn etwa Mängel in der Grundpflege vermutet werden, sollte die Pflegevisite morgens stattfinden.
  • Die Pflegedienstleitung wählt einen Bewohner aus, der im Rahmen der Pflegevisite besucht werden soll. Der Pflegebedürftige muss der Visite zustimmen. Es sollte ein Bewohner sein, der von dem visitierten Mitarbeiter als Bezugspflegekraft betreut wird.
  • Die Pflegedienstleitung nimmt im Vorfeld Einblick in die Pflegedokumentation. Dieses einerseits, um sich ein Bild vom Gesundheitszustand und vom Pflegebedarf des Bewohners zu machen. Andererseits kann sie dabei die Dokumentation und insbesondere die Pflegeplanung auf Lücken und auf Fehler untersuchen.
  • Im Vorfeld der Pflegevisite findet ein kurzes Vieraugengespräch statt. Die Pflegedienstleitung erläutert dem Mitarbeiter die Schwerpunkte der Pflegevisite, also welche Gesichtspunkte ihr besonders wichtig sind.
Durchführung: angemessenes Verhalten
  • Die Pflegedienstleitung sollte sich im Hintergrund halten und beobachten. Sie beschränkt das Ausfüllen von Unterlagen (etwa des Protokolls) in Anwesenheit des Bewohners auf ein Minimum.
  • Die Pflegedienstleitung sollte die Pflegekraft bei der Arbeit nicht unterbrechen oder gar in die Pflegehandlungen eingreifen. Dieses ist nur bei einer direkten Gefährdung erforderlich.
Prüfkriterien
Wir prüfen die Qualität der Pflege anhand verschiedener Kriterien.
  • Die Pflegekraft sollte pflegefachliche Kompetenzen zeigen und das individuelle Krankheitsbild des Bewohners beachten. Unverzichtbar ist die strikte Beachtung der Pflegestandards des QM-Handbuches.
  • Die Pflegekraft sollte über die notwendige Sozialkompetenz verfügen. Dazu zählen die Fähigkeit zu einer angemessenen Kommunikation mit dem Bewohner sowie professionelle Umgangsformen. Außerdem sollte die Pflegekraft Empathie und Toleranz beweisen. Sollte es zu Differenzen mit dem Bewohner kommen, sind Rücksichtnahme und Konfliktfähigkeit unverzichtbar.
  • Sehr wichtig sind Selbstvertrauen, Entscheidungsfähigkeit und Kritikfähigkeit. Die Pflegekraft sollte sorgfältig und zielgerichtet arbeiten.
  • Relevant ist auch das Erscheinungsbild der Pflegekraft. Also die Sauberkeit der Kleidung und die eigene Körperpflege.
Nachbereitung: Feedback
  • Nach Abschluss der Pflegevisite bedankt sich die Pflegedienstleitung beim Bewohner für die Kooperation.
  • Direkt im Anschluss an die Pflegevisite findet das Auswertungsgespräch statt.
  • Die Pflegedienstleitung benennt zunächst die positiven Eindrücke, dann die gefundenen Schwachpunkte. Für gute Leistungen während der Pflegevisite wird der Mitarbeiter ausdrücklich gelobt.
  • Problembereiche werden stets konkret benannt. Pauschale Aussagen werden vermieden.
  • Beide Gesprächspartner achten darauf, dass sie die Sachebene nicht verlassen. Persönliche Angriffe und Verletzungen müssen unterbleiben.
  • Die Pflegekraft kann jederzeit Fragen stellen und eine ggf. abweichende Einschätzung abgeben.
Ergebnisse
  • Falls Qualifikationsdefizite sichtbar wurden, wird die Fortbildungsplanung entsprechend abgeändert.
  • Die Pflegedienstleitung dokumentiert die Ergebnisse der Pflegevisite.
  • Falls im Rahmen der Pflegevisite neue Pflegeprobleme beim Bewohner selbst deutlich wurden, leitet die Pflegedienstleitung weitere Maßnahmen ein. Dieses können entweder eine Pflegevisite AEDL (bzw. "Pflegevisite SIS") und eine Fallbesprechung sein.
Dokumente:
  • Protokoll "supervidierende Pflegevisite"
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Mitarbeiter
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Pflegevisite; Fachaufsicht; Pflegequalität; MDK
Genereller Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und Textvorlagen ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden. Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.