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Version 2.15a - 2014

Schmerztherapie bei chronischen Wunden

 
Jede chronische Wunde führt zu chronischen Schmerzen. Eine simple, wenn auch recht neue Erkenntnis. Der konsequente Einsatz von Schmerzmitteln gehört heute ebenso zum Wundmanagement wie moderne Auflagen.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


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Schmerztherapie bei chronischen Wunden
Definition:
  • Die menschliche Haut verfügt über zahllose sensorische Rezeptoren, die auf jede Verletzung mit einem Schmerzsignal reagieren. Bei einer Wunde bleiben die freien Nervenendigungen (Nozizeptoren) an den Wundrändern und unterhalb des Wundbettes aktiv. Sie senden permanent Schmerzimpulse an das Gehirn.
  • Dazu kommen weitere Schmerzspitzen, etwa bei einem Verbandswechsel oder bei einem versehentlichen Stoß auf die Wunde.
  • Während bei einer akuten Wunde als Folge des Wundverschlusses auch die Schmerzbelastung nachlässt, kommt es bei chronischen Hautdefekten zu einer permanenten Schmerzbelastung. Diese ist nicht zwangsläufig auf den Ort der chronischen Wunde lokalisiert. Viele Betroffene klagen über diffuse Beschwerden im ganzen Körper.
  • Die anhaltenden Beschwerden haben körperliche Folgen. Wenn jede Umlagerung oder Mobilisierung schmerzhaft ist, werden viele Betroffene ihr Bewegungspensum reduzieren und - wann immer möglich - eine schonende Körperhaltung einnehmen. Ohne umfassende Umlagerungen jedoch kann eine Druckentlastung nicht erreicht werden. Mangelnde Bewegung reduziert darüber hinaus die Hautdurchblutung und verzögert den Heilungsprozess. Es kommt ggf. zu Kontrakturen.
  • Wundschmerzen führen überdies zu Tachykardie, steigern also das Risiko für einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall. Die Schonatmung ist ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Pneumonie.
  • Schmerz ist für den Körper eine Stresssituation, auf die er mit der Ausschüttung des Stresshormons Cortisol reagiert. Cortisol jedoch hemmt die Wundheilung.
  • Ständige Schmerzen beim Verbandswechsel werden die Kooperationsbereitschaft des Bewohners mindern. Sperrt er sich letztlich gegen die Wundversorgung, macht dieses eine erfolgreiche Therapie unmöglich.
  • Eine wirksame Schmerztherapie erleichtert daher nicht nur das Leben des Bewohners, sondern sichert auch den Heilungsprozess.
Grundsätze:
  • Wir gehen stets davon aus, dass ein Mensch mit chronischen Wunden auch chronische Schmerzen hat.
  • Wir nehmen jede Schmerzäußerung ernst.
  • Eine möglichst umfassende Schmerzfreiheit ist unverzichtbar für eine menschenwürdige Existenz. Es ist erniedrigend, wenn ein Bewohner um ein Schmerzmedikament bitten muss.
  • Wir begreifen Schmerzen nicht nur als rein physische Beeinträchtigung, sondern auch als psychische Belastung. Keine noch so umfassende Schmerztherapie kann die menschliche Zuwendung einer Pflegekraft zum Bewohner ersetzen.
  • Die Vorteile einer medikamentösen Schmerztherapie sind stets gegen die Risiken abzuwägen. Insbesondere besteht immer die Gefahr einer Abhängigkeit. Zudem kann die langfristige Einnahme von Analgetika innere Organe schädigen.
Ziele:
  • Der Bewohner ist möglichst schmerzfrei.
  • Der Bewohner weiß, dass die Pflegekraft seine Beschwerden ernst nimmt.
  • Der Bewohner bewegt sich wieder mehr.
  • Die Lebensqualität des Bewohners wird verbessert.
  • Die psychische Stabilität wirkt sich fördernd auch auf den Wundheilungsprozess aus.
Vorbereitung:
  • Der Bewohner und seine Angehörigen werden von uns eingehend über die Möglichkeiten des Schmerzmanagements beraten. Wir informieren diese über die Wirkungen und die Nebenwirkungen verschiedener Analgetika sowie über begleitende Behandlungsstrategien.
  • Der Bewohner wird an der Planung der schmerzlindernden Maßnahmen beteiligt. Er sollte folgende Fragen beantworten:
    • Möchte er eine vollständige Schmerzfreiheit?
    • Möchte er lediglich eine Linderung der Schmerzen?
    • Welche Nebenwirkungen ist er bereit, dafür zu ertragen?
  • Wir verdeutlichen dem Bewohner, dass es ggf. nicht sinnvoll ist, den Schmerz komplett zu neutralisieren. Insbesondere bei einem Dekubitus Grad 1 oder 2 erfüllt der Schmerz eine wichtige Schutzfunktion. Er veranlasst den Bewohner, eine betroffene Körperstelle vom Druck zu entlasten, etwa indem sich der Bewohner umlagert.
  • Wir führen eine Schmerzanamnese durch. Bei orientierten Senioren erfolgt eine Schmerzerfassung mithilfe einer numerischen Analogskala. Die Vorgaben des Standards "Schmerzanamnese" werden beachtet. Relevant sind insbesondere folgende Kriterien:
    • Welcher Art sind die Schmerzen? Sind sie permanent vorhanden oder einschießend? Sind sie klopfend, dumpf, stechend oder brennend?
    • Wo genau spürt der Bewohner den Schmerz? Direkt im Wundgebiet oder auch im umliegenden Körperbereich?
    • Durch welche Faktoren wird der Schmerz beeinflusst, also gelindert oder verschlimmert? Wird die Belastung durch Hochlegen der Beine oder durch Ruhigstellung reduziert?
    • Zu welchen Tageszeiten tritt der Schmerz am stärksten auf? Kann der Bewohner aufgrund der Beschwerden nicht mehr gut schlafen?
    • Wie lange bleibt der Schmerz nach einem Verbandswechsel bestehen?
  • Der Bewohner wird angeleitet, die Schmerzbelastung eigenständig zu dokumentieren. Dieses insbesondere in Form eines Schmerztagebuches.
  • Wir achten auf verbale und nonverbale Schmerzäußerungen des Bewohners. Wir versuchen festzustellen, welche Faktoren beim Bewohner Schmerzen auslösen. Dieses gilt insbesondere bei demenziell veränderten Senioren, die ihre Beschwerden nicht mehr mit Worten beschreiben können. (Hinweis: Im Detail ist dieses im Text "Schon gewusst? So erkennen Sie Schmerzen bei Demenzpatienten!" beschrieben.)
  • Wir beachten, dass viele ältere Menschen aufgrund ihrer biografischen Prägung nicht oder erst sehr spät über Schmerzen klagen. Wir befragen daher die Patienten regelmäßig nach ihrer Schmerzbelastung. Dieses ist insbesondere Aufgabe der Bezugspflegekraft.
  • Wir prüfen, ob ausschließlich ein chronischer Wundschmerz vorliegt. Ggf. befindet sich die Schmerzquelle an anderer Stelle und strahlt lediglich in das Wundgebiet aus. Als Auslöser oder als verstärkender Faktor kommen z.B. zu stramm angelegte Verbände oder Gipsverbände, falsche oder einseitige Lagerungen, Blähungen, Harnverhalt, arterielle Minderdurchblutung oder Infektionen in Betracht. Auch rheumatische Erkrankungen können in das Wundgebiet abstrahlen und dort die Schmerzbelastung erhöhen.
Durchführung: allgemeine Maßnahmen zur Schmerzbekämpfung:
  • Infektionen werden konsequent bekämpft, da diese die Schmerzbelastung deutlich steigern können.
  • Wir achten auf Ödeme. Bei venösen Erkrankungen ist eine Kompressionstherapie ggf. sinnvoll.
  • Schmerzreize werden vermieden, etwa:
    • unnötige Manipulationen an der Wunde und am Verband
    • thermische Schmerzreize durch nicht körperwarme Spüllösung
  • Wenn die Wunde durch einen exulzerierenden Tumor ausgelöst wurde, wird dieser konsequent bekämpft. Dieses reduziert den Druck auch auf die Schmerz auslösenden Nervenzellen.
Nutzung von nicht-medikamentösen Techniken zur Schmerzbekämpfung
  • Wir nutzen TENS. Der Standard "transkutane elektrische Nervenstimulation (‚TENS') in der ambulanten Pflege" wird beachtet.
  • Wir prüfen, ob Kälteanwendungen die Schmerzbelastung reduzieren. Die Anwendungszeit wird nur langsam und schrittweise gesteigert.
  • Wundschmerzen lassen sich oft durch eine Umlagerung reduzieren. Testweise werden z.B. Beine hochgelagert oder tiefgelagert.
  • Je nach Wundtyp können verschiedene Mobilisierungen durchgeführt werden, also etwa Gehübungen.
  • Sofern der Bewohner alternative Heilmethoden als wirksam betrachtet, können diese begleitend eingesetzt werden.  Also etwa Bach-Blüten-Therapie, Feldenkrais-Therapie, Schüßler-Salze, Homöopathie oder Aromatherapie.
  • Wir prüfen, ob der Bewohner Techniken wie Meditation, Atem- oder Entspannungstechniken nutzen möchte und nutzen kann.
Nutzung von Analgetika:
  • Der Bewohner sollte zunächst nur ein Schmerzmittel erhalten (Monotherapie), etwa antipyretische Analgetika oder Opioide. Wenn die Dosierung entsprechend angepasst wird, ist in den meisten Fällen mit einer ausreichenden Schmerzreduktion zu rechnen.
  • Falls eine Monotherapie zu keinem Erfolg führt, prüfen wir die Notwendigkeit einer Kombinationstherapie. Hierfür können z.B. Opioide und antipyretische Analgetika gemeinsam verabreicht werden. Sinnvoll ist häufig auch die kombinierte Nutzung von Lokalanästhetika und systemisch wirkenden Schmerzmitteln.
  • Wir nutzen zusätzlich ggf. Clonidin, Neuroleptika, Ketamin, Kortikoide und Antidepressiva.
  • Die Maßnahmen zur Schmerztherapie sowie zum Umgang mit den jeweiligen Nebenwirkungen sind detailliert in folgenden Standards beschrieben:
    • Standard "nichtmedikamentöse Schmerztherapie"
    • Standard "Schmerzbekämpfung mit nichtopioiden Analgetika"
    • Standard "Schmerzbekämpfung mit Opioiden"
  • (Hinweis: Grundsätzlich entspricht die Schmerzbekämpfung bei chronischen Wunden dem Vorgehen bei Tumorschmerzen. Dieses insbesondere hinsichtlich der Nutzung des "modifizierten WHO-Stufenschemas". Es ist also zeitsparend, beide Themenbereiche parallel umzusetzen.)

 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Dekubitus; Wunde; Schmerz; Wundschmerz
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