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Version 3.06c - 2015

Standard "Ermittlung des Dekubitusrisikos" (ambulante Pflege)

 
Trotz des Rauswurfs aus dem Expertenstandard ist die Braden-Skala in Deutschland sehr beliebt. Und das zu Recht, denn sinnvolle Alternativen gibt es weit und breit nicht. Wir zeigen Ihnen, wie Sie das Instrument zur Risikoerfassung optimal anwenden und typische Fehlerquellen vermeiden.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Ermittlung des Dekubitusrisikos" (ambulante Pflege)
Definition:
  • Durch eine geeignete Prophylaxestrategie ist es zumeist möglich, die Entwicklung eines Druckgeschwürs zu verhindern. Allerdings sind die dafür notwendigen Maßnahmen häufig nicht nur personal- und kostenintensiv, sondern auch mit einer Einschränkung der Lebensqualität des Klienten verbunden.
  • Es ist also wichtig, dass die Intensität der Vorsorgemaßnahmen individuell für den jeweiligen Klienten gewählt wird. Wir verhindern damit sowohl eine Unter- als auch eine Überversorgung. Eine Überversorgung liegt z.B. vor, wenn ein schlafender Klient regelmäßig umgelagert wird, obwohl er seine Liegeposition in ausreichendem Maß eigenständig verändert. Eine Unterversorgung wiederum ist gegeben, wenn ein Senior mit hohem Risiko keine Spezialmatratze erhält.
  • Die persönliche Gefährdung jedes Klienten wird von Risikofaktoren bestimmt wie etwa beeinträchtigte Mobilität, Durchblutungsstörungen, Bewusstlosigkeit, Kachexie oder etwa Dehydration. Grundsätzlich gilt: Je mehr dieser Gesundheitsprobleme vorliegen, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die jeweilige Person ein Druckgeschwür entwickeln wird.  Die Gefährdung lässt sich jedoch nicht mit einer Punktwertskala bestimmen. Dafür ist das System aus derzeit mehr als 100 bekannten Risikofaktoren zu komplex. Die aktuell genutzten Assessmentinstrumente berücksichtigen daher nur die wichtigsten dieser Kriterien und weisen ihnen einen Punktwert zu. Die aus der Summe dieser Punkte ermittelten Ergebnisse können daher ungenau sein.
  • In unserem Pflegedienst nutzen wir als ein Element der Gefahreneinschätzung die Braden-Skala. Diese wurde 1987 von der amerikanischen Krankenschwester Barbara Braden entwickelt. Verwendet wurde das System zunächst hauptsächlich in den USA. Im Laufe der 90er Jahre wuchs die Popularität der Braden-Skala auch hierzulande. Um das Jahr 2000 wurde die Braden-Skala schließlich zum vorherrschenden System in der Altenpflege in Deutschland. Die Ressourcen und Pflegeprobleme werden anhand von sechs Bewertungskriterien erfasst:
    • sensorisches Empfindungsvermögen
    • Feuchtigkeit
    • Aktivität
    • Mobilität
    • Ernährung
    • Reibung und Scherkräfte
  • Je nach Zustand des Klienten werden jedem dieser Felder ein bis vier Punkte zugeordnet. Ein geringer Punktwert zeigt an, dass der Klient im jeweiligen Problemfeld einem Dekubitus wenige Ressourcen entgegensetzen kann. Ein hoher Punktwert hingegen spricht dafür, dass in diesem Bereich wenige Defizite bestehen, die die Entwicklung eines Dekubitus fördern würden. Die Gesamtsumme erlaubt einen Rückschluss auf die tatsächliche Dekubitusgefährdung.
Grundsätze:
  • Eine Skala ersetzt niemals die Erfahrung einer qualifizierten Pflegekraft. Die genaue und tägliche Beobachtung eines gefährdeten Klienten bleibt auch bei Nutzung einer standardisierten Risikoerfassung unverzichtbar.
  • Die Anwendung der Braden-Skala dient nicht allein der Risikoerfassung. Sie stellt auch sicher, dass den Pflegekräften die zentralen Gefährdungsfaktoren immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden. Nur ein Mitarbeiter, der die Gefahren kennt, kann die richtigen Prophylaxemaßnahmen wählen und ein Druckgeschwür verhindern.
Ziele:
  • Die Entwicklung eines Dekubitus wird vermieden.
  • Eine Dekubitusgefährdung wird schnell und korrekt erkannt.
  • Das Dekubitusrisiko wird systematisch und kontinuierlich dokumentiert.
  • Geeignete prophylaktische Maßnahmen werden zeitnah eingeleitet.
  • Die Pflegequalität wird verbessert.
  • Der Pflegedienst und die Mitarbeiter sind rechtlich abgesichert.
  • Lagerungsmittel und Lagerungstechniken werden entsprechend des Risikogrades eingesetzt.
  • Die Behandlungs- und Pflegekosten werden gesenkt.
Vorbereitung: Organisation
  • Aus unserem Team werden zwei Pflegefachkräfte zu Wundbeauftragten weitergebildet. Diese stehen allen Mitarbeitern beratend zur Seite. Beide vertreten sich jeweils gegenseitig wie etwa in der Urlaubszeit.
  • Wir setzen konsequent auf Bezugspflege. Durch den täglichen Kontakt zwischen Pflegekraft und Klient lassen sich Hautschäden schneller finden und beseitigen. Folglich wird die Risikoermittlung per Braden-Skala stets von der Bezugspflegekraft durchgeführt.
  • Unsere Pflegekräfte werden regelmäßig fortgebildet. Insbesondere die Nutzung der Braden-Skala wird durch externe und interne Schulungen begleitet. Wir achten darauf, dass die Seminare einen hohen Praxisanteil haben. Vor allem sollte in Kleinstgruppen das eigenständige Ausfüllen der Skala anhand von Musterfällen geübt werden. Wir stellen damit sicher, dass ein möglichst einheitliches Ergebnis erzielt wird. Schwankungen aufgrund subjektiver Eindrücke jeder Pflegekraft sollten minimiert werden.
  • Die Risikoerfassung mittels Braden-Skala wird durch kollegiale Pflegevisiten begleitet.
Informationssammlung
  • Wir stellen alle relevanten Informationen zusammen, um das Risiko des Klienten korrekt einschätzen zu können. Nicht alle hier genannten Risikofaktoren werden in der Braden-Skala erfasst. Für ein umfassendes Bild sind sie jedoch unverzichtbar.
    • Immobilität, also insbesondere das völlige Fehlen von Spontanbewegungen bei bettlägerigen Senioren
    • dauerhaftes Sitzen ohne druckentlastende Maßnahmen
    • Bewusstlosigkeit oder erhebliche Bewusstseinsstörungen wie Depressionen und andere psychiatrische Störungen
    • Einnahme von sedierenden Medikamenten
    • hohes Lebensalter
    • neurologische Erkrankungen wie etwa Lähmungen oder Einschränkungen der Sensibilität
    • Untergewicht und Kachexie
    • Störungen der Durchblutung, insbesondere arterielle Verschlusskrankheit (aVK)
    • Exsikkose
    • infektiöse Erkrankungen mit Fieber
    • Anämie ("Blutarmut")
    • umfangreiche chirurgische Eingriffe
  • Wir nutzen dafür sämtliche zur Verfügung stehenden Informationsquellen, etwa:
    • Pflegedokumentation
    • Angehörige, etwa bei Fragen zum Ernährungsverhalten
    • Hausarzt
    • externe Therapeuten
    • Klient
Indikation für die Erfassung des Dekubitusrisikos:
  • Bei einigen Senioren kann ein Dekubitusrisiko von vornherein ausgeschlossen werden. Mobile und körperlich aktive Senioren erleiden i.d.R. keinen Dekubitus. Beispiel: Demenzpatienten, die ansonsten keine körperlichen Einschränkungen aufweisen. Es sind dann keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Eine erneute Prüfung ist erst notwendig, wenn sich der Gesundheitszustand des Klienten in einem relevanten Maß ändert.
  • Wenn das Dekubitusrisiko nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, gilt:
    • Eine erste Bewertung erfolgt direkt im Anschluss an den Pflegebeginn.
    • Bei Klienten der Pflegestufen I und II wird das Dekubitusrisiko einmal monatlich erhoben.
    • Bei Pflegestufe III erfolgt die Einschätzung alle zwei Wochen.
  • Wenn sich der Gesundheitszustand des Klienten ändert, wird das Risiko kurzfristig erneut bewertet. Dieses gilt insbesondere bei einer Abnahme der Mobilität und der körperlichen Aktivität. Also:
    • ein Sturz, der zur Immobilität führt
    • plötzlich auftretende Gesundheitsstörungen wie etwa Apoplex, Herzinfarkt oder Entgleisungen des Stoffwechsels
    • chirurgische Eingriffe
    • unvermittelt auftretende Störungen des Bewusstseins
    • infektiöse Erkrankungen mit Fieber
    • Dehydration
    • Veränderungen des Ernährungsverhaltens
  • Relevant für die Häufigkeit der Risikoermittlung ist auch die langfristige Tendenz, die aus den bisherigen Untersuchungen abgeleitet werden kann. Wenn also der Zustand eines Klienten seit Monaten stabil ist, kann eine längere Zeitspanne bis zur nächsten Einschätzung gewählt werden. Verschlechtert oder verbessert sich der gesundheitliche Status des Klienten immer wieder binnen kurzer Zeit, muss eine engmaschigere Überwachung gewählt werden.
Durchführung: Wir führen eine differenzierte Risikoanalyse durch.
  • Die Pflegekraft füllt die Braden-Skala aus, addiert die Werte und ermittelt das Risiko.
  • Die Pflegekraft befragt den Klienten. Dabei werden auch subjektive Empfindungen wie etwa Schmerzen oder Druckgefühl erfasst. Wir erfragen auch, ob es Gründe dafür gibt, warum sich der Klient weniger bewegt, etwa Schmerzen, Angst, unzureichende Hilfsmittel usw.
  • Wenn der Mitarbeiter beim Klienten Pflegemaßnahmen durchführt, wird der Klient immer auch beobachtet. Die Pflegekraft achtet auf bislang unbekannte Risikofaktoren, neue Hautschädigungen und Äußerungen des Klienten.
  • Es erfolgt eine erweiterte klinische Einschätzung:
    • Die Pflegekraft erfasst detailliert die Einschränkungen der Beweglichkeit des Klienten.
    • Es wird geprüft, welche Einwirkungen durch Druck oder Scherkräfte vorliegen.
    • Die Pflegekraft ermittelt weitere Risikofaktoren. Dazu können auch Sonden, enge Verbände oder Gegenstände auf der Liegefläche zählen.
    • Der Hautzustand des Klienten wird genau ermittelt. Die Pflegekraft achtet insbesondere auf Hautrötungen. Sie nutzt den Fingertest, um einen Dekubitus im Frühstadium zu identifizieren. Hautschäden jeglicher Herkunft werden mit dem behandelnden Hausarzt abgeklärt.
Nachbereitung:
  • Wenn es hinreichende Anzeichen für eine Dekubitusgefährdung gibt, werden die entsprechenden Schritte eingeleitet. Etwa:
    • Information des Klienten über die Gefahren eines Dekubitus
    • konsequente Mobilisierung
    • regelmäßiges Umlagern
    • Beschaffung von Hilfsmitteln, etwa zur Lagerung
    • Optimierung der Hautpflege
    • Ggf. wird der Klient bei der nächsten Fallbesprechung thematisiert.
    • Das Ergebnis wird an die Pflegedienstleitung weitergeleitet.
    • Die Pflegeplanung wird aktualisiert.
Dokumente:
  • Braden-Skala
  • Pflegeplanung
  • Pflegebericht
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • Pflegefachkräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Braden-Skala; Prophylaxe; Dekubitus; Dekubitusprophylaxe; Hautpflege; Hautbeobachtung; Wunde; Dekubitus-Expertenstandard
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