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Version 3.05a - 2015 |
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Standard "Ermittlung des
Dekubitusrisikos" (stationäre Pflege) |
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Trotz
des Rauswurfs aus dem Expertenstandard ist die Braden-Skala in
Deutschland sehr beliebt. Und das zu Recht, denn sinnvolle Alternativen
gibt es weit und breit nicht. Wir zeigen Ihnen, wie Sie das Instrument
zur Risikoerfassung optimal anwenden und typische Fehlerquellen
vermeiden. |
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Wichtige Hinweise:
- Zweck unseres Musters ist es nicht,
unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser
Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und
an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
- Unverzichtbar ist immer auch eine
inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte,
da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen.
Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten
Krankheitsbildern kontraindiziert.
- Dieser Standard eignet sich für die
ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen
jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen
"Patient".
Dieses Dokument ist auch
als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar.
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Standard "Ermittlung des Dekubitusrisikos" (stationäre Pflege)
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Definition:
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- Durch eine geeignete Prophylaxestrategie ist es
zumeist möglich, die Entwicklung eines Druckgeschwürs zu verhindern.
Allerdings sind die dafür notwendigen Maßnahmen häufig nicht nur
personal- und kostenintensiv, sondern auch mit einer Einschränkung der
Lebensqualität des Bewohners verbunden.
- Es ist also wichtig, dass die Intensität der
Vorsorgemaßnahmen individuell für den jeweiligen Bewohner gewählt wird.
Wir verhindern damit sowohl eine Unter- als auch eine Überversorgung.
Eine Überversorgung liegt z.B. vor, wenn ein Bewohner in der Nacht von
einer Pflegekraft regelmäßig umgelagert wird, obwohl er seine
Liegeposition in ausreichendem Maß eigenständig verändert. Eine
Unterversorgung wiederum ist gegeben, wenn ein Senior mit hohem Risiko
keine Spezialmatratze erhält.
- Die persönliche Gefährdung jedes Bewohners wird
von Risikofaktoren bestimmt wie etwa beeinträchtigte Mobilität,
Durchblutungsstörungen, Bewusstlosigkeit, Kachexie oder etwa
Dehydration. Grundsätzlich gilt: Je mehr dieser Gesundheitsprobleme
vorliegen, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die jeweilige
Person ein Druckgeschwür entwickeln wird. Die Gefährdung lässt
sich jedoch nicht mit einer Punktwertskala bestimmen. Dafür ist das
System aus derzeit mehr als 100 bekannten Risikofaktoren zu komplex.
Die aktuell genutzten Assessmentinstrumente berücksichtigen daher nur
die wichtigsten dieser Kriterien und weisen ihnen einen Punktwert zu.
Die aus der Summe dieser Punkte ermittelten Ergebnisse können daher
ungenau sein.
- In unserem Haus nutzen wir als ein Element der
Gefahreneinschätzung die Braden-Skala. Diese wurde 1987 von der
amerikanischen Krankenschwester Barbara Braden entwickelt. Verwendet
wurde das System zunächst hauptsächlich in den USA. Im Laufe der 90er
Jahre wuchs die Popularität der Braden-Skala auch hierzulande. Um das
Jahr 2000 wurde die Braden-Skala schließlich zum vorherrschenden System
in der Altenpflege in Deutschland. Die Ressourcen und Pflegeprobleme
werden anhand von sechs Bewertungskriterien erfasst:
- sensorisches Empfindungsvermögen
- Feuchtigkeit
- Aktivität
- Mobilität
- Ernährung
- Reibung und Scherkräfte
- Je nach Zustand des Bewohners werden jedem
dieser Felder ein bis vier Punkte zugeordnet. Ein geringer Punktwert
zeigt an, dass der Bewohner im jeweiligen Problemfeld einem Dekubitus
wenige Ressourcen entgegensetzen kann. Ein hoher Punktwert hingegen
spricht dafür, dass in diesem Bereich wenige Defizite bestehen, die die
Entwicklung eines Dekubitus fördern würden. Die Gesamtsumme erlaubt
einen Rückschluss auf die tatsächliche Dekubitusgefährdung.
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Grundsätze:
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- Eine Skala ersetzt niemals die Erfahrung einer
qualifizierten Pflegekraft. Die genaue und tägliche Beobachtung eines
gefährdeten Bewohners bleibt auch bei Nutzung einer standardisierten
Risikoerfassung unverzichtbar.
- Die Anwendung der Braden-Skala dient nicht
allein der Risikoerfassung. Sie stellt auch sicher, dass den
Pflegekräften die zentralen Gefährdungsfaktoren immer wieder ins
Gedächtnis gerufen werden. Nur ein Mitarbeiter, der die Gefahren kennt,
kann die richtigen Prophylaxemaßnahmen wählen und ein Druckgeschwür
verhindern.
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Ziele:
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- Die Entwicklung eines Dekubitus wird vermieden.
- Eine Dekubitusgefährdung wird schnell und
korrekt erkannt.
- Das Dekubitusrisiko wird systematisch und
kontinuierlich dokumentiert.
- Geeignete prophylaktische Maßnahmen werden
zeitnah eingeleitet.
- Die Pflegequalität wird verbessert.
- Die Pflegeeinrichtung und die Mitarbeiter sind
rechtlich abgesichert.
- Lagerungsmittel und Lagerungstechniken werden
entsprechend des Risikogrades eingesetzt.
- Die Behandlungs- und Pflegekosten werden
gesenkt.
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Vorbereitung: |
Organisation
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- Aus unserem Team werden zwei Pflegefachkräfte
zu Wundbeauftragten weitergebildet. Diese stehen allen Mitarbeitern
beratend zur Seite. Beide vertreten sich jeweils gegenseitig wie etwa
in der Urlaubszeit.
- Wir setzen konsequent auf Bezugspflege. Durch
den täglichen Kontakt zwischen Pflegekraft und Bewohner lassen sich
Hautschäden schneller finden und beseitigen. Folglich wird die
Risikoermittlung per Braden-Skala stets von der Bezugspflegekraft
durchgeführt.
- Unsere Pflegekräfte werden regelmäßig
fortgebildet. Insbesondere die Nutzung der Braden-Skala wird durch
externe und interne Schulungen begleitet. Wir achten darauf, dass die
Seminare einen hohen Praxisanteil haben. Vor allem sollte in
Kleinstgruppen das eigenständige Ausfüllen der Skala anhand von
Musterfällen geübt werden. Wir stellen damit sicher, dass ein möglichst
einheitliches Ergebnis erzielt wird. Schwankungen aufgrund subjektiver
Eindrücke jeder Pflegekraft sollten minimiert werden.
- Die Risikoerfassung mittels Braden-Skala wird
durch kollegiale Pflegevisiten begleitet.
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Informationssammlung
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- Wir stellen alle relevanten Informationen
zusammen, um das Risiko des Bewohners korrekt einschätzen zu können.
Nicht alle hier genannten Risikofaktoren werden in der Braden-Skala
erfasst. Für ein umfassendes Bild sind sie jedoch unverzichtbar.
- Immobilität, also insbesondere das völlige
Fehlen von Spontanbewegungen bei bettlägerigen Senioren
- dauerhaftes Sitzen ohne druckentlastende
Maßnahmen
- Bewusstlosigkeit oder erhebliche
Bewusstseinsstörungen wie Depressionen und andere psychiatrische
Störungen
- Einnahme von sedierenden Medikamenten
- hohes Lebensalter
- neurologische Erkrankungen wie etwa Lähmungen
oder Einschränkungen der Sensibilität
- Untergewicht und Kachexie
- Störungen der Durchblutung, insbesondere
arterielle Verschlusskrankheit (aVK)
- Exsikkose
- infektiöse Erkrankungen mit Fieber
- Anämie ("Blutarmut")
- umfangreiche chirurgische Eingriffe
- Wir nutzen dafür sämtliche zur Verfügung
stehenden Informationsquellen, etwa:
- Pflegedokumentation
- andere Mitarbeiter, etwa die Hauswirtschaft
bei Fragen zum Ernährungsverhalten
- Hausarzt
- externe Therapeuten
- Bewohner
- Angehörige
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Indikation für die
Erfassung des Dekubitusrisikos:
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- Bei einigen Senioren kann ein Dekubitusrisiko
von vornherein ausgeschlossen werden. Mobile und körperlich aktive
Senioren erleiden i.d.R. keinen Dekubitus. Beispiel: Demenzpatienten,
die ansonsten keine körperlichen Einschränkungen aufweisen. Es sind
dann keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Eine erneute Prüfung ist
erst notwendig, wenn sich der Gesundheitszustand des Bewohners in einem
relevanten Maß ändert.
- Wenn das Dekubitusrisiko nicht zweifelsfrei
ausgeschlossen werden kann, gilt:
- Eine erste Bewertung erfolgt direkt im
Anschluss an den Heimeinzug.
- Bei Bewohnern der Pflegestufen I und II wird
das Dekubitusrisiko einmal monatlich erhoben.
- Bei Pflegestufe III erfolgt die Einschätzung
alle zwei Wochen.
- Wenn sich der Gesundheitszustand des Bewohners
ändert, wird das Risiko kurzfristig erneut bewertet. Dieses gilt
insbesondere bei einer Abnahme der Mobilität und der körperlichen
Aktivität. Also:
- ein Sturz, der zur Immobilität führt
- plötzlich auftretende Gesundheitsstörungen
wie etwa Apoplex, Herzinfarkt oder Entgleisungen des Stoffwechsels
- chirurgische Eingriffe
- unvermittelt auftretende Störungen des
Bewusstseins
- infektiöse Erkrankungen mit Fieber
- Dehydration
- Veränderungen des Ernährungsverhaltens
- Relevant für die Häufigkeit der
Risikoermittlung ist auch die langfristige Tendenz, die aus den
bisherigen Untersuchungen abgeleitet werden kann. Wenn also der Zustand
eines Bewohners seit Monaten stabil ist, kann eine längere Zeitspanne
bis zur nächsten Einschätzung gewählt werden. Verschlechtert oder
verbessert sich der gesundheitliche Status des Bewohners immer wieder
binnen kurzer Zeit, muss eine engmaschigere Überwachung gewählt werden.
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Durchführung:
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Wir führen eine differenzierte
Risikoanalyse durch.
- Die Pflegekraft füllt die Braden-Skala aus,
addiert die Werte und ermittelt das Risiko.
- Die Pflegekraft befragt den Bewohner. Dabei
werden auch subjektive Empfindungen wie etwa Schmerzen oder Druckgefühl
erfasst. Wir erfragen auch, ob es Gründe dafür gibt, warum sich der
Bewohner weniger bewegt, etwa Schmerzen, Angst, unzureichende
Hilfsmittel usw.
- Wenn der Mitarbeiter beim Bewohner
Pflegemaßnahmen durchführt, wird der Bewohner immer auch beobachtet.
Die Pflegekraft achtet auf bislang unbekannte Risikofaktoren, neue
Hautschädigungen und Äußerungen des Bewohners.
- Es erfolgt eine erweiterte klinische
Einschätzung:
- Die Pflegekraft erfasst detailliert die
Einschränkungen der Beweglichkeit des Bewohners.
- Es wird geprüft, welche Einwirkungen durch
Druck oder Scherkräfte vorliegen.
- Die Pflegekraft ermittelt weitere
Risikofaktoren. Dazu können auch Sonden, enge Verbände oder Gegenstände
auf der Liegefläche zählen.
- Der Hautzustand des Bewohners wird genau
ermittelt. Die Pflegekraft achtet insbesondere auf Hautrötungen. Sie
nutzt den Fingertest, um einen Dekubitus im Frühstadium zu
identifizieren. Hautschäden jeglicher Herkunft werden mit dem
behandelnden Hausarzt abgeklärt.
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Nachbereitung: |
- Wenn es hinreichende Anzeichen für eine
Dekubitusgefährdung gibt, werden die entsprechenden Schritte
eingeleitet. Etwa:
- Information des Bewohners über die Gefahren
eines Dekubitus
- konsequente Mobilisierung
- regelmäßiges Umlagern
- Beschaffung von Hilfsmitteln, etwa zur
Lagerung
- Optimierung der Hautpflege
- Ggf. wird der Bewohner bei der nächsten
Fallbesprechung thematisiert.
- Das Ergebnis wird an die Pflegedienstleitung
weitergeleitet.
- Die Pflegeplanung wird aktualisiert.
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Dokumente: |
- Braden-Skala
- Pflegeplanung
- Pflegebericht
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Verantwortlichkeit
/ Qualifikation: |
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Weitere Informationen
zu diesem Thema |
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Schlüsselwörter für diese Seite |
Braden-Skala; Prophylaxe; Dekubitus;
Dekubitusprophylaxe; Hautpflege; Hautbeobachtung; Wunde;
Dekubitus-Expertenstandard |
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Genereller
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angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen
bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert. |
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