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Version 1.05

Standard "transkutane elektrische Nervenstimulation (‚TENS') in der ambulanten Pflege"

 
Der neue Expertenstandard zu akuten Schmerzen macht es möglich: TENS-Geräte, sonst eher im Homeshopping-TV zu finden, haben ihren festen Platz nun auch in der Altenpflege. An der dünnen Studienlage scheint sich keiner ernsthaft zu stören.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

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Standard "transkutane elektrische Nervenstimulation (‚TENS')  in der ambulanten Pflege"
Definition:
  • Die transkutane elektrische Nervenstimulation ("TENS") ist ein System zur Schmerzlinderung, das auf der Reizwirkung von elektrischen Impulsen basiert. Der Anwender klebt dafür Hautelektroden im Bereich von schmerzenden Körperstellen auf, die daraufhin von leichten Stromstößen durchflossen werden. Je nach Reizstärke, Reizform und Dauer der Anwendung verspürt der Nutzer ein leichtes Kribbeln, Prickeln oder Vibrieren.
  • Wir unterscheiden zwischen einer hochfrequenten und einer niederfrequenten Stimulation.
    • Die hochfrequente Stimulation (50 bis 100 Hz) wirkt insbesondere durch die Wärme, die beim Durchfließen des Stromes im Gewebe erzeugt wird. Der Schmerz wird nahezu sofort gelindert. Diese angenehme Wirkung lässt aber schon nach einigen Minuten bis Stunden wieder nach.
    • Die niederfrequente Stimulation (2 bis 10 Hz) soll angeblich das Ionenmilieu im Körper und die Reizleitung in den sensiblen Nervenbahnen beeinflussen. Erst nach frühestens einer halben Stunde lassen die Beschwerden nach. Dafür kann die Wirkung mehrere Tage anhalten.
  • Die Wirkungsweise von TENS ist wissenschaftlich nur lückenhaft erforscht. Gemäß der "Gate-Control-Theorie" wird vermutet, dass die Schmerzleitung auf Rückenmarksebene gehemmt wird. Die Steigerung der Schmerzschwelle soll somit eine Linderung der Beschwerden bewirken. Andere Forscher vermuten eine erhöhte Freisetzung von Endorphinen bei TENS-Anwendungen.
  • TENS-Geräte haben zumeist die Größe eines Walkmans und sind batteriebetrieben. Sie können in einer Tasche am Gürtel getragen werden. Zwei oder vier Kabel führen dann zu den Elektroden. Das System ist einfach anzuwenden und eignet sich daher insbesondere auch für die ambulante Anwendung. Bei korrekter Nutzung treten i.d.R. keine Nebenwirkungen auf.
  • Der Expertenstandard listet TENS als nichtmedikamentöse Maßnahme bei Erwachsenen auf. Unter Verweis auf einschlägige Studien stellt das DNQP fest, dass TENS den Analgetikabedarf senkt und die Opioid-Effektivität erhöht.
  • TENS-Geräte sind Medizinprodukte und unterliegen den entsprechenden Verordnungen.
  • Sie werden in einschlägigen Kreisen auch zur elektrischen Muskelstimulation genutzt. Anwender versprechen sich davon eine Gewichtsreduktion sowie einen Trainingseffekt.

(Hinweis: Die Literatur zur TENS-Nutzung ist in vielen Punkten widersprüchlich und nur unzureichend mit Studien belegt. Wir haben uns in diesem Standard bei strittigen Details an der Mehrheitsmeinung der verfügbaren Fachliteratur orientiert.)
Grundsätze:
  • Uns ist bewusst, dass es kaum belastbare Studien gibt, die die Wirksamkeit von TENS belegen. Dieses steht im Gegensatz zu unseren Beobachtungen und den Reaktionen unserer Klienten, die häufig von einer signifikanten Schmerzreduktion berichten. Insgesamt stehen wir alternativen Therapien offen gegenüber, sofern sie insgesamt die Lebensqualität unserer Klienten fördern.
  • TENS ist eine medizinische Therapie und kein Lifestyle-Produkt. Die Anwendung sollte daher vom behandelnden Arzt angeordnet werden.
Ziele:
  • Die Schmerzbelastung des Klienten wird gesenkt.
  • Der Klient vertraut darauf, dass er sich bei Schmerzen eigenständig Linderung verschaffen kann.
  • Durch eine gute Beobachtung der Anwendung gewinnen wir Informationen zur individuellen Wirksamkeit. Wir können dann die Therapie anpassen und die schmerzlindernden Effekte verstärken.
Vorbereitung: Organisation

  • Die Pflegekraft sollte sich gemeinsam mit dem Klienten in die Nutzung des Gerätes einweisen lassen. Gemeinsam mit dem Therapeuten werden dann die richtigen Punkte für die Platzierung der Elektroden gefunden. Der Therapeut legt auch fest, welche Stromstärken und Stromfrequenzen genutzt werden dürfen und innerhalb welcher Grenzen der Klient diese eigenständig ändern darf. Wir stellen sicher, dass diese Vorgaben schriftlich vorliegen bzw. in die Pflegedokumentation übernommen werden.
  • Aufgrund der geringen Nebenwirkungen können Pflegekräfte TENS im Selbstversuch testen und somit eigene Eindrücke zur Wirkungsweise sammeln.
  • Wenn wir feststellen, dass das Gerät beschädigt ist, raten wir dem Klienten dringend von der Nutzung und von eigenständigen Reparaturversuchen ab. Das Gerät wird stattdessen an das ausliefernde Geschäft zurückgegeben mit der Bitte um Reparatur bzw. Ersatz.
Indikationen

Wir nutzen TENS bei folgenden Krankheitsbildern:

  • akute oder chronische Rückenschmerzen, insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule; Wurzelreizsyndrom
  • Schmerzen als Folge eines operativen Eingriffes
  • Schmerzen als Folge von Herpes Zoster
  • Zahnschmerzen
  • atypischer Gesichtsschmerz
  • Trigeminusneuralgie
  • Stumpf- und Phantomschmerzen
  • rheumatische Schmerzen im Bewegungsapparat
  • Karzinomschmerzen
Kontraindikationen

Eine Anwendung von TENS ist unter verschiedenen Bedingungen nicht sinnvoll:
  • Klienten mit Herzschrittmachern
  • Klienten mit Schmerzpumpen
  • Epilepsie
  • Herzrhythmusstörungen
  • Schwangerschaft
  • in der Nähe von Metallimplantaten
  • im Bereich von verbrannten oder gereizten Hautbereichen, Wunden oder Zostereffloreszenzen
  • im Mundraum oder an Geschlechtsorganen
(Hinweis: Die Nutzung bei demenziell erkrankten Senioren ist kritisch zu prüfen. Viele tolerieren das Aufbringen der Elektroden nicht und entfernen diese, sobald sie die ungewohnte Wirkung der Stromimpulse spüren. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass die Wirkung von TENS zumindest teilweise auf Autosuggestion zu basieren scheint. Der Anwender muss die Zusammenhänge verstehen und auf die Wirkung vertrauen. Dieses ist bei dementen Senioren krankheitsbedingt oft nicht mehr möglich.)
Durchführung: Platzierung der Elektroden

  • Die Elektroden werden nahe an dem von Schmerzen betroffenen Körperbereich angebracht. Die genauen Punkte unterscheiden sich je nach Klienten deutlich.
  • Alternativ können sog. "Trigger-Punkte" genutzt werden. Diese Körperstellen werden auch für Akupunkturanwendungen genutzt.
  • Im unmittelbaren Bereich von Tumorerkrankungen sollte keine Anwendung erfolgen. Durch den elektrischen Strom kann das Tumorgewebe zu einem beschleunigten Wachstum angeregt werden.


Grafik: TENS-Anlage bei einem Klienten mit HWS- und muskuloskelettalen Schmerzen; also etwa bei entzündlichen und degenerativen Erkrankungen der Gelenke, der Knochen, der Wirbelsäule, der Sehnen, der Muskeln und des angrenzenden Gewebes.
Häufigkeit und Dauer der Anwendung

  • Die Dauer der Anwendung richtet sich nach der Schmerzintensität und den individuellen Vorlieben des Klienten. Sie liegt üblicherweise zwischen 20 bis 30 Minuten, kann aber ggf. auch auf mehrere Stunden ausgedehnt werden. Vor allem neuropathische Schmerzen bessern sich erst nach einer vergleichsweise langen Therapiezeit.
  • Letztlich kann der Bewohner die Dauer der Anwendung frei wählen. Lediglich eine Nutzung im Schlaf sollte unterbleiben, da Hautreizungen unbemerkt auftreten könnten.
  • Die Anwendung kann täglich oder mehrmals täglich erfolgen.
  • Wir achten auf etwaige Nebenwirkungen. Es kann zu Hautirritationen sowie zu einer Schmerzverstärkung kommen. Ggf. wird der behandelnde Hausarzt um eine Anpassung der Therapie gebeten.
  • Bei einer hochfrequenten Stimulation wird die Intensität so lange erhöht, bis der Klient die Wirkung deutlich spürt, ohne dass diese jedoch selbst schmerzhaft wäre. (Hinweis: Viele Anwender berichten davon, dass eine leicht schmerzhafte Anwendung ein bestehendes Schmerzgedächtnis "überschreiben" kann.)
  • Eine niederfrequente Anwendung ist dann richtig dosiert, wenn die motorischen Nerven stimuliert werden und in der Folge Muskelzuckungen sichtbar werden.
Nachbereitung:
  • Der Bewohner soll ein Schmerztagebuch führen. Er soll insbesondere vermerken, welche Stimulationsmuster er nutzt und welche Wirkung er spürte.
Dokumente:
  • Schmerztagebuch
  • Betriebshandbuch des Gerätes
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Mitarbeiter
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema

Schlüsselwörter für diese Seite TENS; Schmerz; Nervenstimulation, transkutane elektrische
Genereller Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und Textvorlagen ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden. Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.