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Version 1.05 - 2014

Standard "Chemotherapie"

 
Die "Chemo" hat unter Krebspatienten einen miesen Ruf. Das liegt nicht zuletzt am Fernsehen, das diese Behandlungsmethode gerne als medikamentöse Höllentour darstellt. Tatsächlich verläuft eine Therapie oftmals für Senioren durchaus erträglich, wenn erfahrene Pflegekräfte bereitstehen.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


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Standard "Chemotherapie"
Definition:
  • Bei vielen Krebserkrankungen ist es nicht möglich, alle Tumorzellen durch einen chirurgischen Eingriff oder durch eine Strahlentherapie zu vernichten. In diesem Fall wird eine Chemotherapie mittels Zytostatika durchgeführt, um das verbleibende maligne Gewebe zu neutralisieren.
  • Eine zielgenaue Applikation von Giftstoffen ist i.d.R. nicht möglich. Häufig hat ein Tumor bereits eine zu große Zahl an Metastasen gebildet. Oder eine einzelne tiefliegende Geschwulst kann nicht ohne erheblichen Schaden am gesunden Gewebe erreicht werden. Zytostatika werden daher nicht lokal eingesetzt, sondern über den Blutkreislauf im gesamten Körper verteilt.
  • Um gesundes von malignem Gewebe zu unterscheiden, macht sich die Medizin die zentrale Eigenschaft von Krebszellen zunutze. Das Tumorgewebe teilt sich nahezu ununterbrochen, während gesunde Zellen nach jeder Teilung eine Ruhephase einlegen. Zytostatika töten gezielt Zellen ab, die sich schnell teilen. Sie wirken nicht auf ruhende Zellen. Dadurch wird primär Tumorgewebe abgetötet, nicht jedoch das gesunde Gewebe des Menschen.
  • Allerdings gibt es im Körper auch zahlreiche gesunde Zelltypen mit einer hohen Zellteilungsaktivität, die dadurch ebenfalls geschädigt werden. So erklären sich die vielfältigen Nebenwirkungen der Chemotherapie wie etwa Haarausfall, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen.
  • Eine einmalige Applikation der Zytostatika ist nicht ausreichend. Es gibt im Tumor immer einen Anteil an entarteten Zellen, die zum Zeitpunkt der Medikamenteneinnahme ruhend sind. Diese überstehen die Zytostatika-Applikation unbeschadet und teilen sich später erneut unkontrolliert. Daher werden Zytostatika mehrere Tage hintereinander verabreicht. Nach einer therapiefreien Phase wird die Behandlung dann abermals für mehrere Tage wiederholt.
  • Noch vor einigen Jahrzehnten waren diese Nebenwirkungen so gravierend, dass eine Chemotherapie älteren Menschen oftmals nicht zugemutet wurde. Inzwischen jedoch können viele belastende Effekte medikamentös gelindert werden. Sofern also keine erheblichen Grunderkrankungen wie Nieren- oder Leberstörungen vorliegen, werden heute auch Senioren mittels Chemotherapie behandelt.
  • Zudem erfolgt die Versorgung heute nicht mehr stationär, sondern in vielen Fällen ambulant. Unsere Bewohner werden also für einen halben Tag in eine onkologische Praxis oder in eine Tagesklinik gefahren und erhalten dort die Infusionen. Danach kehren sie in unsere Einrichtung zurück.
Grundsätze:
  • Eine enge fachliche Zusammenarbeit zwischen Pflegekräften und dem behandelnden Arzt ist entscheidend für den Erfolg der Behandlung.
  • Eine Chemotherapie ist nicht nur eine körperliche, sondern auch eine seelische Extrembelastung. Diese können die meisten Menschen nur dann überstehen, wenn sie auf ein intaktes soziales Umfeld vertrauen können. Pflegekräfte sind ein Teil dieses sozialen Umfeldes. Daraus folgt, dass die zwischenmenschliche Betreuung ebenso wichtig ist wie die medizinisch-pflegerische Versorgung.
  • Die Chemotherapie verliert ihren Schrecken, je mehr der Bewohner über die Behandlung weiß und mitbestimmen kann. Wir stellen daher sicher, dass der Bewohner in alle Entscheidungsprozesse zu medizinischen und zu pflegerischen Fragen eingebunden wird.
  • Wir respektieren stets die Entscheidungen des Bewohners. Dieses auch, wenn er sich gegen die Therapie entscheidet, weil die Nebenwirkungen für ihn unerträglich sind.
Ziele:
  • Durch die Chemotherapie bildet sich der Tumor zurück.
  • Auftretende Nebenwirkungen werden frühzeitig erkannt. Sie werden durch Medikamente und durch pflegerische Maßnahmen auf ein Minimum reduziert.
  • Die Lebensqualität und die Lebensfreude des Bewohners bleiben erhalten.
Vorbereitung:
  • Wir suchen frühzeitig den Dialog mit dem behandelnden Arzt. Wir teilen diesem mit, welche pflegerischen Probleme bereits bestehen. Wir erfragen, welche Auswirkungen auf die Pflegeprobleme und auf die Ressourcen durch die Chemotherapie zu erwarten sind.
  • Wir halten Medikamente zur Bekämpfung der Nebenwirkungen als Bedarfsmedikation bereit. Der Arzt gibt vor, unter welchen Bedingungen eine definierte Dosis eines Medikaments verabreicht werden soll.
Durchführung: allgemeine Nebenwirkungen

  • Die Chemotherapie ist sowohl mental wie auch körperlich sehr kräftezehrend. Der Bewohner ist nach der Behandlung oftmals sehr müde. Wir sorgen für die notwendige Ruhe und passen ggf. die Freizeitaktivitäten entsprechend an.
  • Wenn die Mobilität deutlich eingeschränkt ist, muss eine Neueinschätzung der Dekubitusgefährdung erfolgen. Ggf. werden die entsprechenden Prophylaxemaßnahmen intensiviert.
  • Als Folge der reduzierten körperlichen Ressourcen ist ebenso mit einer erhöhten Sturzgefährdung zu rechnen.
  • Der Bewohner soll den Alkohol- und Nikotinkonsum einstellen, da diese Genussgifte die Schleimhäute zusätzlich schädigen.
Hausausfall
  • Als Folge der Schädigung der Haarwurzelzellen fallen dem Bewohner Haare in großer Menge aus; ggf. bis zur kompletten Glatzenbildung (Alopezie) samt Verlust der Augenbrauen und der Wimpern. Für die meisten Männer ist diese Nebenwirkung durchaus erträglich, insbesondere wenn sie ohnehin über nur noch wenig Haupthaar verfügen. Viele Frauen jedoch empfinden den Haarverlust als erhebliche mentale Belastung, auch wenn sie sich dieses nicht offen anmerken lassen.
  • Eine Bewohnerin sollte frühzeitig vor Therapiebeginn einen pflegeleichten und möglichst kurzen Haarschnitt erhalten. Dann fallen keine langen Haarbüschel aus.
  • Wir nutzen milde Shampoos und weiche Bürsten. Die Haare werden vorsichtig getrocknet. Dauerwellen und Haarfärbungen sollten unterbleiben.
  • Ausgefallene Augenbrauen können mit Augenbrauenstift nachgeschminkt werden. Ggf. ist "Permanent Make-up" sinnvoll. Zum Schutz der Augen vor Umwelteinflüssen wie Staub oder grellem Sonnenlicht sollte der Bewohner eine Sonnenbrille tragen.
  • Wir raten der Bewohnerin, rechtzeitig über den Kauf einer Perücke nachzudenken. Die Kosten dafür werden ggf. von der Krankenkasse übernommen.
  • Alternativ kann sie ein Tuch oder einen Hut tragen. Viele Betroffene tragen diese Kopfbedeckung nur außerhalb der Einrichtung, nicht jedoch im Wohnbereich.
  • Im Sommer sollte die Kopfhaut vor Sonneneinstrahlung geschützt werden; dieses insbesondere durch einen Hut oder durch eine Kappe. Im Winter müssen Bewohner darauf achten, die Kopfhaut vor Kälte zu schützen.
Übelkeit und Erbrechen
  • Die Übelkeit kann durch Antiemetika recht gut kontrolliert werden. Wir stellen sicher, dass diese Arzneimittel konsequent eingenommen werden. Ideal ist eine prophylaktische Einnahme (bevor dem Bewohner schlecht wird) und keine Applikation nach Bedarf (wenn dem Bewohner bereits schlecht ist).
  • Übelkeit wird nur teilweise von körperlichen Faktoren bestimmt. Ebenso wichtig ist die mentale Verfassung. Ein Bewohner, der fest damit rechnet, dass ihm als Folge der Chemotherapie schlecht wird, wird die Übelkeit quälender erleben. Das in einschlägigen Fernsehfilmen oft übertrieben dargestellte Symptombild verstärkt diese negative Erwartungshaltung. Pflegekräfte verdeutlichen dem Bewohner, dass es möglich ist, die Beschwerden in einem erträglichen Rahmen zu halten.
  • Eine stressarme Umgebung und Entspannungstechniken reduzieren oftmals das Unwohlsein.
  • Die Pflegekraft stellt sicher, dass der Bewohner ausreichend Nahrung zu sich nimmt. Ggf. erhält der Bewohner mehrere kleinere Portionen statt der drei Hauptmahlzeiten.
  • Einige Betroffene reduzieren den Speisekonsum in der Erwartung, dadurch Übelkeit zu verhindern. Dieses Vermeidungsverhalten ist ebenso unwirksam wie riskant. Nahrungsverzicht hat keinen Einfluss auf die Übelkeit. Und durch Unterernährung steigt das Risiko einer Komplikation wie etwa die Ausbildung eines Druckgeschwürs.
  • Das Gewicht des Bewohners wird einmal in der Woche erfasst.
  • Achtung: Erbrochenes kann (ebenso wie Urin und Stuhl) Zytostatikareste enthalten. Eine Pflegekraft darf keinen direkten Kontakt damit haben. Das Tragen von Einmalhandschuhen ist strikt notwendig.
Durchfall
  • Durch die Beeinträchtigung der Darmschleimhaut ist mit starken Durchfällen zu rechnen. Es kommt ggf. zur Ausbildung von Nekrosen und von Ulzerationen. Überdies treten Entzündungen sowie Resorptionsstörungen auf.
  • Der Zustand des Bewohners wird sorgfältig kontrolliert. Wir achten z.B. auf Krämpfe sowie auf Hautverletzungen im Analbereich.
  • Die Analhygiene sollte schonend erfolgen. Die Haut wird mit fetthaltigen Salben versorgt.
  • Wir stellen eine ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr sicher.
  • Der Bewohner soll sich "leicht" ernähren und den Konsum von Fett, von Milchzucker und von Ballaststoffen reduzieren.
Entzündungen und Geschwüre im Bereich der Mundschleimhaut

  • Viele Bewohner leiden als Folge der Chemotherapie unter Entzündungen der Mundschleimhaut (Stomatitis), im weiteren Verlauf ggf. auch unter Mundschleimhautgeschwüren (Ulzera). Durch die Abwehrschwäche kann es überdies zu Infektionen im Mundraum kommen.
  • Der Mundraum des Bewohners wird regelmäßig auf Rötungen, auf Blutungen und auf Geschwüre untersucht.
  • Wir achten auf eine sorgfältige Mundhygiene. Alle weiteren Maßnahmen zur Soor- und Parotitisprophylaxe werden konsequent durchgeführt.
  • Eine Mundtrockenheit wird durch eine regelmäßige Flüssigkeitszufuhr gelindert. Der Mund wird regelmäßig (6 bis 8 Mal pro Tag) gespült. Wir nutzen Wasser, Kamillen- oder Salbeitee sowie ggf. desinfizierende bzw. antimykotische Lösungen. Ggf. erhält der Bewohner zuckerfreie Kaugummis oder Bonbons. Alternativ kann künstlicher Speichel als Spray zugeführt werden.
  • Dem Bewohner wird empfohlen, langsam zu essen.
  • Vor dem Essen erhält der Bewohner ggf. anästhesierende Lutschtabletten. Der Bewohner sollte ggf. weiche und wenig gewürzte Speisen konsumieren. Ggf. wird nach einer Schmerzeinschätzung eine umfassendere Schmerzmedikation geplant.
  • Bei einer schweren Stomatitis kann es erforderlich sein, die Ernährung mittels PEG sicherzustellen.
gesteigerte Infektionsanfäl

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Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Chemotherapie; Tumor; Krebs; Strahlentherapie
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