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Version 1.05 - 2014

Standard "Versorgung von Erfrierungswunden"

 
Man muss nicht zum Nordpol reisen oder den Mount Everest erklettern, um sich Erfrierungswunden zuzuziehen. Vor allem im Alter reicht dafür schon ein ausgedehnter Winterspaziergang in Kombination mit schlechtem Schuhwerk und etwas Feuchtigkeit.
 
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Versorgung von Erfrierungswunden"
Definition:
  • Im Winter ist es die zentrale Aufgabe der Wärmeregulation, die Kerntemperatur zu halten und damit die Funktionsfähigkeit der inneren Organe zu sichern. Dazu drosselt der Körper schon bei einer leichten Hypothermie oder bei niedrigen Umgebungstemperaturen die Durchblutung der Haut und der Extremitäten. Daher sind insbesondere Finger, Zehen, Nase und Ohren sehr schnell von Erfrierungen betroffen. Es bilden sich Eiskristalle im Gewebe. Es kommt zu einer lokalen Dehydration und zum mikrovaskulären Gefäßverschluss.
  • Das Schädigungsbild ähnelt der Symptomatik einer Verbrennung. Auch die Behandlung ist in weiten Teilen ähnlich. Dennoch gibt es im Detail relevante therapeutische und pflegerische Abweichungen.
  • Die (lokalen) Erfrierungen treten naturgemäß häufig in Kombination mit einer (systemischen) Unterkühlung auf.
  • Alkohol- und Nikotinmissbrauch erhöhen das Risiko. Betroffen sind vor allem obdachlose Menschen.
Grundsätze:
  • Erfrierungen sind kein Phänomen von sehr kalten Wintertagen. Sie können bereits bei Temperaturen um den Gefrierpunkt auftreten, wenn nasskalte Witterung und unzureichende Kleidung als Begleitumstände vorliegen.
  • Jede Erfrierung ist ein deutlicher Hinweis auf eine systemische Unterkühlung. Eine solche Hypothermie ist lebensgefährlich.
Ziele:
  • Eine Erfrierung wird korrekt erkannt.
  • Wir leiten zeitnah eine effektive Behandlung ein.
  • Folgeschäden werden vermieden oder zumindest minimiert.
  • Die Schmerzbelastung des Bewohners wird reduziert.
Vorbereitung:
  • Wir sammeln alle Informationen über den Vorfall. Relevant sind insbesondere:
    • Welchen Temperaturen war der Bewohner ausgesetzt?
    • Wie lange war der Bewohner diesen Temperaturen ausgesetzt?
    • Welche weiteren Umweltfaktoren sind aufgetreten, etwa feuchte Kleidung oder durchnässte Schuhe?
    • Welche Grunderkrankungen liegen vor, die das Geschehen beeinflussen? Etwa: Alkoholsucht, Drogenmissbrauch, Diabetes mellitus.
  • Wir inspizieren die Haut des Bewohners und bestimmen den Umfang der Schädigung. Erfrierungen werden in drei Schweregrade eingeteilt:
    • 1. Grad: Die Haut ist blass und abgekühlt. Der Bewohner klagt über Gefühllosigkeit. Wenn der Körperbereich wieder erwärmt wird, treten eine Schwellung sowie Schmerzen auf. Ggf. juckt die Haut.
    • 2. Grad: Wie oben. Zusätzlich bilden sich nach 12 bis 24 Stunden Hautblasen. Die Haut ist gerötet. Der Inhalt der Blasen ist zunächst klar, später ggf. blutig.
    • 3. Grad: Es kommt zur Mumifikation, also zu trockenen Nekrosen. Alternativ treten blaurote Blutblasen auf. Nach deren Aufplatzen geben sie Nekrosen mit verschiedenen Wundtiefen frei.
Durchführung: allgemeine Maßnahmen
  • Es ist sinnvoll, den Körper des Bewohners komplett in Augenschein zu nehmen. Wenn es zu Erfrierungen an den Fingern gekommen ist, können ähnliche Schädigungen auch an den Zehen vorliegen.
  • Das Auftauen von betroffenen Extremitäten ist von sekundärer Bedeutung, wenn eine systemische Unterkühlung vorliegt. Es macht keinen Sinn, eine Hand oder einen Fuß zu erwärmen, wenn der Körperkern noch immer unterkühlt ist. Wir beachten dabei den Standard "Hypothermie (Unterkühlung)".
Erfrierungen 1. und 2. Grades
  • Bei Erfrierungen ersten Grades ist es i.d.R. nicht erforderlich, den Bewohner ärztlich untersuchen zu lassen.
  • Der unterkühlte Körperbereich wird ggf. in Wasser getaucht. Wir nutzen ein ansteigendes Wasserbad, beginnend mit 10°C. bis letztlich 40°C. Nach spätestens 20 bis 30 Minuten sollte die Haut wieder eine rosige Farbe annehmen.
  • Der geschädigte Körperbereich wird nicht abgerieben oder massiert. Dadurch würde die Gewebeschädigung verstärkt.
  • Hautschäden werden steril bedeckt. Der Wundgrund ist sehr infektionsgefährdet.
  • Wir prüfen, ob eine Tetanusprophylaxe vorliegt.
  • Bei Schmerzen kann ggf. ein mildes Schmerzmittel verabreicht werden.
  • Blasen werden (nach ärztlicher Anordnung) steril punktiert. Die Blasenhaut wird nicht entfernt. Die Wunde wird dann mit einem hydroaktiven Verband abgedeckt, etwa mit einer Hydrokolloidauflage.
Erfrierungen 3. Grades
  • Wenn es relevante Hinweise auf eine umfangreichere Schädigung gibt, wird zeitnah der Notarzt gerufen. In diesem Fall erfolgen durch uns keine weiteren lokal wirksamen Maßnahmen. Die Extremität wird weder bewegt noch extern erwärmt. Es erfolgt lediglich die systemische Erwärmung des Bewohners.
Nachbereitung: Prognose
  • Die Prognose ist schwierig zu treffen, da sich das Symptombild über mehrere Wochen hinweg verschlimmern oder bessern kann.
  • Auch bei einer nur leichten Erfrierung kann als Dauerschaden eine Kälteempfindlichkeit zurückbleiben.
  • Ab einer Erfrierung zweiten Grades ist mit der Ausbildung von Parästhesien zu rechnen.
  • Ggf. kann es zur Bildung von sog. "Frostbeulen" kommen, also teigigen Schwellungen unter der Haut, die unter Wärmeeinwirkung jucken und brennen können.
  • Nekrosen aus Erfrierungen dritten Grades heilen unter Narbenbildung ab. Bei umfangreicheren Schädigungen kann eine Amputation erforderlich werden.
weitere Maßnahmen
  • Alle Beobachtungen und eingeleiteten Maßnahmen werden präzise dokumentiert.
  • Auch bei kleineren Lautläsionen wird der betroffene Körperbereich in den folgenden Monaten immer wieder inspiziert.
Dokumente:
  • Wunddokumentation
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Kommunikationsblatt mit dem Arzt
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • Pflegefachkräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema

Schlüsselwörter für diese Seite Erfrierung; Wunde; Kälte
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