Notfallstandard
"Anaphylaktischer Schock als Folge einer Medikamentenapplikation" |
Definition:
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- Ein anaphylaktischer Schock ist ein Versagen
des peripheren Kreislaufs. Dieser tritt auf, wenn der Körper mit einem
Allergen in Kontakt kommt und eine überempfindliche oder allergische
Reaktion zeigt. In der Pflege sind das häufig Medikamente wie etwa
Antibiotika.
- Die starke Freisetzung des Gewebehormons
Histamin löst insbesondere eine Erweiterung der Blutgefäße aus. Der
Blutdruck fällt ab und das Herzminutenvolumen sinkt. Mitunter verengen
sich die Atemwege. Da die Durchlässigkeit der Blutgefäßwände rapide
zunimmt, tritt viel Flüssigkeit aus dem Blutkreislauf in das Zellgewebe
über.
- Die ersten Symptome zeigen sich i.d.R.
innerhalb von Sekunden bis wenige Minuten nach dem Kontakt mit dem
Arzneimittel. Schon nach kurzer Zeit kann eine lebensbedrohliche
Situation vorliegen. Dieses insbesondere, wenn das Mittel intravenös
appliziert wurde.
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Grundsätze:
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- Die Applikation von Medikamenten zur Behandlung
eines anaphylaktischen Schocks ist immer Aufgabe des Arztes.
- Wenn hinreichende Anzeichen für einen
anaphylaktischen Schock sprechen, wird immer ein Notarzt gerufen. Die
Folgen eines oder ggf. auch mehrerer Fehlalarme wiegen weniger schwer
als eine verzögerte Behandlung bei einem echten Notfall.
- Der Notruf erfolgt auch dann, wenn der Bewohner
diesen nicht wünscht, etwa weil er die Gefährdung nicht korrekt
einschätzt.
- Bei einem anaphylaktischen Schock geht es zwar
oftmals um Minuten, dennoch dürfen Maßnahmen nicht überhastet werden.
- Die schriftliche Patientenverfügung wird
beachtet, insbesondere bei einer Reanimation.
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Ziele:
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- Ein anaphylaktischer Schock wird schnell
erkannt.
- Bis zum Eintreffen des Notarztes wird der
Bewohner korrekt versorgt.
- Der Bewohner erleidet keine bleibenden
körperlichen Schädigungen.
- Eine Panik des Bewohners wird vermieden.
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Vorbereitung: |
allgemeine Maßnahmen
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Wir prüfen, ob es
sinnvoll ist, einen
Notfallkoffer zusammenzustellen. Dieser enthält Infusionslösungen wie
NaCl 0,9%, Ringerlösung und Hydroxyäthylstärke (HES). Zudem halten wir
ggf. Medikamente wie Adrenalin, Betamimetika und Kortison bereit.
(Hinweis: Dieses ist abhängig vom Typ der Einrichtung und vom
pflegerischen Schwerpunkt.) |
Symptome |
Erste Symptome
setzen bereits wenige Minuten nach der Applikation ein:
- Der Bewohner ist unruhig.
- Auf der Haut des Bewohners bilden sich Quaddeln
und "kalter Schweiß". Die Haut ist fleckig und gerötet. Der Bewohner
leidet unter Juckreiz und muss häufig niesen.
- Die Augen tränen.
- Der Bewohner fröstelt und klagt über
Kältegefühl.
- Es kommt zu Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.
- Der Blutdruck sinkt. Die Pulsfrequenz steigt.
Der Puls wird ungleichmäßig. Dem Bewohner wird schwindelig.
- Der Bewohner klagt über ein Fremdkörpergefühl
im Hals.
- Das Gesicht des Bewohners schwillt an;
insbesondere die Augenlider, die Zunge und die Lippen.
- Es kommt zum Larynxödem, also zu einer
ödematösen Schwellung im Bereich des Kehlkopfes. Der Bewohner berichtet
über Luftnot und spricht heiser.
- Der Bewohner ist desorientiert und panisch.
- Die Körpertemperatur steigt. Der Bewohner hat
Fieber.
- Im schlimmsten Fall kommt es zum Atemstillstand
und zum Herzversagen.
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Durchführung:
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Organisation
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- Beim Stellen der Medikamente werden die
Vorgaben des entsprechenden Standards präzise beachtet.
- Die sorgfältige Erfassung von medikamentösen
Unverträglichkeiten erfolgt im Rahmen der Heimaufnahme. Wir arbeiten
dafür eng mit dem behandelnden Arzt zusammen.
- Wir bestehen darauf, dass alle Medikamente, die
gehäuft allergische Reaktionen verursachen, zunächst einmal in
Anwesenheit des Arztes verabreicht werden. Erst dann übernehmen wir die
Applikation.
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pflegerische
Maßnahmen
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Wenn hinreichende
Anzeichen für einen anaphylaktischen Schock sprechen, führen wir
folgende Maßnahmen durch:
- Die Allergenzufuhr wird sofort unterbrochen,
also insbesondere wird eine Medikamentenapplikation wie etwa eine
Infusion gestoppt.
- Sofern kein Larynxödem vorliegt, wird der
Bewohner in die Schocklagerung gebracht (Kopftieflagerung). Durch die
Schocklagerung wird verhindert, dass das Blut in den Beinen versackt.
- Der Notarzt wird alarmiert.
- Der Bewohner wird gut zugedeckt.
- Die Vitalfunktionen werden engmaschig
überwacht; insbesondere Puls, Blutdruck, Atmung, Hautfarbe und
Körpertemperatur.
- Der Bewusstseinszustand des Bewohners wird
überprüft.
- Falls möglich wird die Sauerstoffsättigung per
Pulsoxymetrie erfasst.
- Bei Herz-Kreislauf-Stillstand wird der Bewohner
sofort reanimiert. Die Reanimation wird fortgesetzt, bis der Notarzt
eingetroffen ist oder das Herz des Bewohners wieder schlägt.
- Einengende Kleidung wird gelockert oder
entfernt.
- Alle Beobachtungen werden dokumentiert und dem
eintreffenden Notarzt mitgeteilt. Falls der Bewohner Betablocker
einnimmt, wird auch dieses dem Notarzt mitgeteilt.
- Alle weiteren im Standard
"Krankenhauseinweisung" beschriebenen Maßnahmen werden umgesetzt.
- Ggf. begleitet eine Pflegekraft, bevorzugt die
Bezugspflegekraft, den Bewohner mit in das Krankenhaus.
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Mithilfe bei der
ärztlichen Therapie
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Wir
assistieren dem Arzt bzw. dem Notarzt bei der Versorgung des Bewohners.
Gemäß der ärztlichen Anordnung führen wir folgende Maßnahmen durch,
assistieren dabei oder bereiten diese lediglich vor:
- Der Bewohner erhält Sauerstoff mittels
Nasensonde (rund 1 bis 2 Liter pro Minute).
- Wir bereiten den Volumenersatz per Infusion vor.
- Es erfolgt eine intravenöse Injektion von
Adrenalin. Bei einem Larynxödem (Kehlkopfschwellung) kann das verdünnte
Adrenalin ggf. per Inhalation verabreicht werden. Das Stresshormon
Adrenalin verengt binnen weniger Augenblicke die Blutgefäße, steigert
die Herzleistung und erleichtert die Atmung.
- Der Arzt appliziert Glukokortikoid
(Prednisolon), Antihistaminika (Histamin-H1- und
Histamin-H2-Rezeptorenblocker) und falls notwendig Theophyllin.
- Ggf. erfolgen eine Intubation und eine
kontrollierte Beatmung (Hinweis: Eine Intubation sollte bei einem
Larynxödem zeitnah erfolgen. Durch die Schwellung wird diese später
ggf. unmöglich.
- Bei einer Atemwegsverlegung als Folge einer
Kehlkopfschwellung kann eine Koniotomie notwendig sein; also eine
Eröffnung der Atemwege in Höhe des Kehlkopfes.
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Nachbereitung: |
nach Abfahrt des
Bewohners im Rettungswagen |
- Das Ereignis wird sorgfältig dokumentiert.
- Die Pflegedienstleitung und die Heimleitung
werden (sofern noch nicht geschehen) informiert.
- Ggf. werden die Angehörigen informiert.
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weitere Maßnahmen |
- Wir führen eine Fallbesprechung durch, um die
Ereignisse zu rekonstruieren. Falls der anaphylaktische Schock die
Folge eines Fehlers der Pflegekräfte war, werden die Abläufe so weit
verändert, dass derartige Vorkommnisse in Zukunft verhindert werden.
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Dokumente: |
- Berichtsblatt
- Vitaldatenblatt
- Medikamentenblatt
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Verantwortlichkeit
/ Qualifikation: |
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