das Altenpflegemagazin im Internet
www.altenpflegemagazin.de
Start Log-in Service Registrierung AGB+Datenschutz Suche / Stichwortindex Quiz Mobil Impressum

 

Version 1.05 - 2013

Notfallstandard "Anaphylaktischer Schock als Folge einer Medikamentenapplikation"

 
Pflegekräfte, die einmal einen anaphylaktischen Schock erlebt haben, werden dieses Ereignis niemals wieder vergessen. Schon Sekunden nach der Medikamentenapplikation zeigen sich die ersten Symptome. Und nur Minuten später kämpft ein Betroffener um sein Leben. Ein guter Standard hilft dabei, in dieser Extremsituation die richtigen Entscheidungen zu treffen.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!
 

Notfallstandard "Anaphylaktischer Schock als Folge einer Medikamentenapplikation"
Definition:
  • Ein anaphylaktischer Schock ist ein Versagen des peripheren Kreislaufs. Dieser tritt auf, wenn der Körper mit einem Allergen in Kontakt kommt und eine überempfindliche oder allergische Reaktion zeigt. In der Pflege sind das häufig Medikamente wie etwa Antibiotika.
  • Die starke Freisetzung des Gewebehormons Histamin löst insbesondere eine Erweiterung der Blutgefäße aus. Der Blutdruck fällt ab und das Herzminutenvolumen sinkt. Mitunter verengen sich die Atemwege. Da die Durchlässigkeit der Blutgefäßwände rapide zunimmt, tritt viel Flüssigkeit aus dem Blutkreislauf in das Zellgewebe über.
  • Die ersten Symptome zeigen sich i.d.R. innerhalb von Sekunden bis wenige Minuten nach dem Kontakt mit dem Arzneimittel. Schon nach kurzer Zeit kann eine lebensbedrohliche Situation vorliegen. Dieses insbesondere, wenn das Mittel intravenös appliziert wurde.
Grundsätze:
  • Die Applikation von Medikamenten zur Behandlung eines anaphylaktischen Schocks ist immer Aufgabe des Arztes.
  • Wenn hinreichende Anzeichen für einen anaphylaktischen Schock sprechen, wird immer ein Notarzt gerufen. Die Folgen eines oder ggf. auch mehrerer Fehlalarme wiegen weniger schwer als eine verzögerte Behandlung bei einem echten Notfall.
  • Der Notruf erfolgt auch dann, wenn der Bewohner diesen nicht wünscht, etwa weil er die Gefährdung nicht korrekt einschätzt.
  • Bei einem anaphylaktischen Schock geht es zwar oftmals um Minuten, dennoch dürfen Maßnahmen nicht überhastet werden.
  • Die schriftliche Patientenverfügung wird beachtet, insbesondere bei einer Reanimation.
Ziele:
  • Ein anaphylaktischer Schock wird schnell erkannt.
  • Bis zum Eintreffen des Notarztes wird der Bewohner korrekt versorgt.
  • Der Bewohner erleidet keine bleibenden körperlichen Schädigungen.
  • Eine Panik des Bewohners wird vermieden.
Vorbereitung: allgemeine Maßnahmen Wir prüfen, ob es sinnvoll ist, einen Notfallkoffer zusammenzustellen. Dieser enthält Infusionslösungen wie NaCl 0,9%, Ringerlösung und Hydroxyäthylstärke (HES). Zudem halten wir ggf. Medikamente wie Adrenalin, Betamimetika und Kortison bereit. (Hinweis: Dieses ist abhängig vom Typ der Einrichtung und vom pflegerischen Schwerpunkt.)
Symptome Erste Symptome setzen bereits wenige Minuten nach der Applikation ein:
  • Der Bewohner ist unruhig.
  • Auf der Haut des Bewohners bilden sich Quaddeln und "kalter Schweiß". Die Haut ist fleckig und gerötet. Der Bewohner leidet unter Juckreiz und muss häufig niesen.
  • Die Augen tränen.
  • Der Bewohner fröstelt und klagt über Kältegefühl.
  • Es kommt zu Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.
  • Der Blutdruck sinkt. Die Pulsfrequenz steigt. Der Puls wird ungleichmäßig. Dem Bewohner wird schwindelig.
  • Der Bewohner klagt über ein Fremdkörpergefühl im Hals.
  • Das Gesicht des Bewohners schwillt an; insbesondere die Augenlider, die Zunge und die Lippen.
  • Es kommt zum Larynxödem, also zu einer ödematösen Schwellung im Bereich des Kehlkopfes. Der Bewohner berichtet über Luftnot und spricht heiser.
  • Der Bewohner ist desorientiert und panisch.
  • Die Körpertemperatur steigt. Der Bewohner hat Fieber.
  • Im schlimmsten Fall kommt es zum Atemstillstand und zum Herzversagen.
Durchführung: Organisation
  • Beim Stellen der Medikamente werden die Vorgaben des entsprechenden Standards präzise beachtet.
  • Die sorgfältige Erfassung von medikamentösen Unverträglichkeiten erfolgt im Rahmen der Heimaufnahme. Wir arbeiten dafür eng mit dem behandelnden Arzt zusammen.
  • Wir bestehen darauf, dass alle Medikamente, die gehäuft allergische Reaktionen verursachen, zunächst einmal in Anwesenheit des Arztes verabreicht werden. Erst dann übernehmen wir die Applikation.
pflegerische Maßnahmen Wenn hinreichende Anzeichen für einen anaphylaktischen Schock sprechen, führen wir folgende Maßnahmen durch:
  • Die Allergenzufuhr wird sofort unterbrochen, also insbesondere wird eine Medikamentenapplikation wie etwa eine Infusion gestoppt.
  • Sofern kein Larynxödem vorliegt, wird der Bewohner in die Schocklagerung gebracht (Kopftieflagerung). Durch die Schocklagerung wird verhindert, dass das Blut in den Beinen versackt.
  • Der Notarzt wird alarmiert.
  • Der Bewohner wird gut zugedeckt.
  • Die Vitalfunktionen werden engmaschig überwacht; insbesondere Puls, Blutdruck, Atmung, Hautfarbe und Körpertemperatur.
  • Der Bewusstseinszustand des Bewohners wird überprüft.
  • Falls möglich wird die Sauerstoffsättigung per Pulsoxymetrie erfasst.
  • Bei Herz-Kreislauf-Stillstand wird der Bewohner sofort reanimiert. Die Reanimation wird fortgesetzt, bis der Notarzt eingetroffen ist oder das Herz des Bewohners wieder schlägt.
  • Einengende Kleidung wird gelockert oder entfernt.
  • Alle Beobachtungen werden dokumentiert und dem eintreffenden Notarzt mitgeteilt. Falls der Bewohner Betablocker einnimmt, wird auch dieses dem Notarzt mitgeteilt.
  • Alle weiteren im Standard "Krankenhauseinweisung" beschriebenen Maßnahmen werden umgesetzt.
  • Ggf. begleitet eine Pflegekraft, bevorzugt die Bezugspflegekraft, den Bewohner mit in das Krankenhaus.
Mithilfe bei der ärztlichen Therapie Wir assistieren dem Arzt bzw. dem Notarzt bei der Versorgung des Bewohners. Gemäß der ärztlichen Anordnung führen wir folgende Maßnahmen durch, assistieren dabei oder bereiten diese lediglich vor:
  • Der Bewohner erhält Sauerstoff mittels Nasensonde (rund 1 bis 2 Liter pro Minute).
  • Wir bereiten den Volumenersatz per Infusion vor.
  • Es erfolgt eine intravenöse Injektion von Adrenalin. Bei einem Larynxödem (Kehlkopfschwellung) kann das verdünnte Adrenalin ggf. per Inhalation verabreicht werden. Das Stresshormon Adrenalin verengt binnen weniger Augenblicke die Blutgefäße, steigert die Herzleistung und erleichtert die Atmung.
  • Der Arzt appliziert Glukokortikoid (Prednisolon), Antihistaminika (Histamin-H1- und Histamin-H2-Rezeptorenblocker) und falls notwendig Theophyllin.
  • Ggf. erfolgen eine Intubation und eine kontrollierte Beatmung (Hinweis: Eine Intubation sollte bei einem Larynxödem zeitnah erfolgen. Durch die Schwellung wird diese später ggf. unmöglich.
  • Bei einer Atemwegsverlegung als Folge einer Kehlkopfschwellung kann eine Koniotomie notwendig sein; also eine Eröffnung der Atemwege in Höhe des Kehlkopfes.
Nachbereitung: nach Abfahrt des Bewohners im Rettungswagen
  • Das Ereignis wird sorgfältig dokumentiert.
  • Die Pflegedienstleitung und die Heimleitung werden (sofern noch nicht geschehen) informiert.
  • Ggf. werden die Angehörigen informiert.
weitere Maßnahmen
  • Wir führen eine Fallbesprechung durch, um die Ereignisse zu rekonstruieren. Falls der anaphylaktische Schock die Folge eines Fehlers der Pflegekräfte war, werden die Abläufe so weit verändert, dass derartige Vorkommnisse in Zukunft verhindert werden.
Dokumente:
  • Berichtsblatt
  • Vitaldatenblatt
  • Medikamentenblatt
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Pflegekräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Medikament; Schock, anaphylaktischer
Genereller Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und Textvorlagen ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden. Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.