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Version 1.05 - 2016

Standardmaßnahmenplan "Wachkoma" (neues Strukturmodell)

 
Bei der Pflege von Wachkomapatienten gibt es immer wieder kleine und große Wunder. Denn viele der vermeintlich tief schlafenden Betroffenen sind tatsächlich phasenweise orientiert. Entsprechend sensibel sollte die Versorgung geplant werden.
 
  • Voraussetzung für die Nutzung dieses Standardmaßnahmenplans ist, dass in Ihrer Einrichtung das Strukturmodell zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation bereits umgesetzt ist. Insbesondere ist es erforderlich, dass alle Mitarbeiter entsprechend geschult wurden. Wir setzen auch voraus, dass die notwendigen Dokumentationsbögen entweder von einem externen Anbieter beschafft oder selbst erstellt wurden.
  • Für die Maßnahmenplanung gibt es keine offiziell vorgegebene Struktur. Jedes Pflegeteam kann selbst entscheiden, wie es das Dokument gestalten will. Manche Vordrucke haben vier Spalten, andere sechs oder gar elf. Damit unsere Standardmaßnahmenpläne zu all diesen Systemen kompatibel sind, beschränken wir uns auf die Maßnahmen. Ergänzend dazu bieten wir zusätzliche Erläuterungen an, die nur Ihrer Information dienen, nicht aber in den Maßnahmenplan übernommen werden.
  • Sie können viel Arbeitszeit sparen, wenn Sie für Ihr Team zunächst einen Basismaßnahmenplan entwerfen. Ein Muster dafür finden Sie hier. Hier vermerken Sie sämtliche Pflegemaßnahmen, die bei allen oder zumindest bei den allermeisten Bewohnern / Klienten durchgeführt werden. Dazu zählen etwa das morgendliche Wecken, die Körperpflege, die Grundmahlzeiten sowie Freizeitangebote. Sie verfügen somit über eine Grundstruktur, die Sie im weiteren Anpassungsprozess lediglich erweitern. Sie müssen also nicht bei jedem Pflegebedürftigen die unspezifischen “08/15”-Maßnahmen immer wieder neu beschreiben.
  • Als Nächstes wird die Maßnahmenplanung individualisiert. Dafür müssen Sie zunächst klären, welche Grunderkrankungen beim jeweiligen Bewohner / Klienten vorliegen. Beispiel: Der Pflegebedürftige ist adipös. Er leidet außerdem als Folge eines Schlaganfalls unter einer Hemiplegie. Zudem erlitt er unlängst einen leichten Herzinfarkt, dessen Folgen (wie etwa eine Herzinsuffizienz) nicht vollständig überwunden sind. Sie öffnen nun den Standardmaßnahmenplan “Adipositas”. In den Fallbeispielen sind typische Problemfelder zusammengefasst, die mit dem Krankheitsbild verbunden sind. Treten diese Probleme auch bei Ihrem Bewohner oder Klienten auf, so können sie einzelne oder mehrere Maßnahmen übernehmen und anpassen. Danach suchen Sie in den Standardmaßnahmenplänen “Hemiplegie” sowie “Herzinsuffizienz” ebenfalls nach relevanten Maßnahmen.
  • Im Sinn der gewünschten Entbürokratisierung ist es wichtig, dass Sie nur die allerwichtigsten Punkte aus unseren Standardmaßnahmenplänen übernehmen. Pro Grunderkrankung sollten vier bis sechs Maßnahmen ausreichen.
  • Abhängig davon, wie in Ihrer Einrichtung die Maßnahmenplanungen strukturiert werden, müssen Sie nun weitere Informationen ergänzen. Etwa:
    • Zeitkorridor: Wann muss eine Pflegemaßnahme durchgeführt werden. Um 8.15 Uhr? Immer am Mittwochabend? Nur bei Bedarf?
    • Hilfsmittel: Hier werden die erforderlichen Utensilien aufgelistet. Welche Hilfsmittel werden bei der Durchführung verwendet? Ein Badewannenlifter? Eine Wundauflage? Eine Zahnbürste?
    • Pflegestandard: Um eine Pflegemaßnahme mit nur ein oder zwei Sätzen zu beschreiben, ist es notwendig, dass für alle derartigen Tätigkeiten ein entsprechender Pflegestandard hinterlegt ist. Wenn also eine Ganzwaschung im Bett im Maßnahmenplan vermerkt ist, muss ein passender Standard im QM-Handbuch zu finden sein, der die Durchführung Schritt für Schritt beschreibt. Tragen Sie hier ein, auf welchen Standard Sie sich beziehen.
    • Qualifikation: Welche Berufsausbildung ist erforderlich, um die geplante Maßnahme durchzuführen? Dies sollte hier vermerkt werden. Die Begleitung zur Toilette kann i. d. R. auch von Pflegehilfskräften übernommen werden. Eine Injektion ist examiniertem Personal vorbehalten.
  • Letztlich erhalten Sie einen Maßnahmenplan, der alle individuell notwendigen Pflegemaßnahmen auflistet.
  • Es ist sinnvoll, bei der Planung der Maßnahmen externe Partner wie Therapeuten, den Hausarzt und Fachärzte einzubinden.

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!


 

Standardmaßnahmenplan "Wachkoma" (neues Strukturmodell)
  • Das Wachkoma ist gekennzeichnet durch einen Funktionsausfall der Großhirnrinde. Ursache dafür ist zumeist Sauerstoffmangel, etwa als Folge eines Schädel-Hirn-Traumas nach einem Unfall.
  • Der Bewohner befindet sich in einem schlafähnlichen Zustand mit offenen Augen, aus dem er nicht geweckt werden kann. Ansprache, äußere Reize und selbst Schmerzreize führen zu keinen sichtbaren Reaktionen. Es gibt keine Spontan- oder Reaktivbewegungen.
  • Der Bewohner ist nicht in der Lage, einen Punkt im Raum mit den Augen zu fixieren oder sich in irgendeiner Form verständlich zu machen. Er kann sich nicht bewegen und keine Nahrung eigenständig zu sich nehmen. Die Spontanatmung und die Kreislaufregulation hingegen sind funktionsfähig.
  • Die Störung wird in fünf verschiedene Phasen eingeteilt, die mit Buchstaben gekennzeichnet sind. Die Phase A ist definiert als Akutphase, in der der betroffene Mensch intensivmedizinisch versorgt werden muss. Die letzte Phase "F" beschreibt die Langzeitversorgung in stationären Pflegeeinrichtungen oder in der häuslichen Umgebung.
  • Im Rahmen der Pflege und Betreuung von Menschen im Wachkoma sollten durch das Team folgende Konzepte umgesetzt werden: Das Affolter Modell, basale Stimulation, Kinästhetik, Snoezelen / Musiktherapie, Logopädie, Ergo- und Physiotherapie usw.
  • Hinweis: Dieser Standardmaßnahmenplan deckt die gesamte Bandbreite der Wahrnehmungsstörungen ab, insbesondere auch leichtere Fälle, bei denen die kognitiven Fähigkeiten noch teilweise erhalten sind.
Maßnahmen
Begründung und Anmerkungen
Fallbeispiel: Frau Meier befindet sich im Zustand des Wachkomas. Sie ist nicht mehr in der Lage, auf gewohnte Weise mit uns zu kommunizieren. Es gibt keine verbale Kommunikation und keine Gestik. Ihre Mimik ist schwer deutbar. Es kommt jedoch immer wieder zu körperlichen Reaktionen auf Außenreize, wie etwa Muskelanspannungen oder ein Stöhnen. Sie ist also möglicherweise zu einem begrenzten Maß an nonverbaler Kommunikation fähig.
  • Vor und nach jeder Pflegemaßnahme am Bewohner führen wir eine Initialberührung durch.
  • Frau Meier wird über alle anstehenden Pflegemaßnahmen vorab informiert. Wenn wir Frau Meier anzeigen wollen, dass an einer bestimmten Körperstelle eine Pflegemaßnahme notwendig ist, wird vorab diese Körperstelle deutlich von uns berührt.
  • Die Medikamentenapplikation erfolgt durch die Pflegekraft. Ist die Applikation unangenehm (etwa bei Injektionen) muss die Verabreichung Frau Meier vorab angekündigt werden.
  • Wir beachten dabei, dass die Reaktionen bei Frau Meier ggf. mit zeitlicher Verzögerung auftreten. Wir müssen also immer einige Augenblicke auf eine mögliche Reaktion warten.
  • Wir nutzen die basale Stimulation, um Gefühle zu kommunizieren. Dazu zählen Berührungen, Geräusche oder Musik.
  • Wenn wir mit Frau Meier sprechen, schalten wir unnötige Lärmquellen aus. Insbesondere werden die Fenster geschlossen und der Fernseher und das Radio leise bzw. aus gestellt.
  • Am Bett von Frau Meier sollte immer nur eine Person sprechen. Wenn sich zwei Pflegekräfte in ihrem Bereich aufhalten, sollte ein Mitarbeiter (soweit möglich) schweigen.
  • Die Information von Bewohnern über anstehende Maßnahmen erfolgt auch dann, wenn diese die Information augenscheinlich nicht verarbeiten können. In vielen Fällen wirken Betroffene zwar tief schlafend, tatsächlich jedoch nehmen sie ihre Umwelt durchaus wahr. Ohne Vorwarnung unangenehmen Pflegemaßnahmen ausgesetzt zu werden, führt bei diesen Betroffenen zu erheblichen Stressreaktionen und letztlich zu einem weiteren Rückzug in die Innenwelt.
  • Letztlich kostet es keine zusätzliche Arbeitszeit, den Betroffenen kurz über anstehende Pflegemaßnahmen zu informieren. Im Idealfall gewinnt der Bewohner an Vertrauen und an Orientierung. Er entspannt sich, während die Pflegemaßnahmen oder andere Therapien mit ihm durchgeführt werden.
  • Mehr Informationen in den Standards "basale Aktivierung" und "Passive Musiktherapie".
Fallbeispiel: Eine erhebliche Hirnschädigung führte bei Herrn Müller zu einem Wachkoma. Es scheint sehr unwahrscheinlich, dass er Außenreize wahrnehmen kann. Bislang gab es keinerlei Hinweise auf willentliche Reaktionen. Das Ausmaß der kognitiven Beeinträchtigungen ist unklar. Dadurch wird es erschwert, angemessene Beschäftigungsangebote zu finden. Ein weiteres Problem sind die Angehörigen und der Arzt von Herrn Müller. Diese halten die gesundheitliche Lage für aussichtslos. Sie diskutieren darüber ganz offen am Bett des Bewohners, da sie glauben, dass Herr Müller ohnehin nichts davon hören kann.
  • Wir achten auf nichtsprachliche Kommunikationsversuche. Jede noch so geringe körperliche Reaktion kann der Versuch sein, mit der Umwelt zu interagieren.
  • Wir prüfen, ob Herr Müller Gerüche wahrnimmt. Wir setzen ihn daher einmal wöchentlich unangenehmen Gerüchen aus und beobachten die Reaktionen.
  • Wir prüfen einmal wöchentlich, ob Herr Müller Hautreize verarbeiten kann. Wir berühren z. B. sein Gesicht mit einem kühlen Waschlappen und achten auch hier auf Reaktionen.
  • Wir führen ein Besucherbuch. Dieses liegt im Zimmer von Herrn Müller. Wir bitten Angehörige, Gäste, Therapeuten und Ärzte, darin ihre Eindrücke niederzuschreiben.
  • Wir achten darauf, dass wir in der Nähe von Herrn Müller nicht unbedacht reden. Der Zustand von Herrn Müller wird nicht in dessen Zimmer thematisiert. Wir wirken dahin gehend auch auf externe Partner wie Ärzte oder Therapeuten ein.
  • Wir machen Angehörige darauf aufmerksam, dass sie in Gegenwart des bewusstlosen Bewohners nicht über dessen Zustand reden. Insbesondere sollen sie nicht in der Vergangenheitsform über ihn sprechen.
  • Im Zimmer von Herrn Müller sollte nicht geflüstert werden, da ihn dieses verunsichern würde.
  • Viele ehemalige Wachkomapatienten können davon berichten, dass sie immer wieder Momente des Erwachens erlebten. Sie waren aber dabei in ihrem Körper eingeschlossen und nicht in der Lage, in irgendeiner Form mit der Umwelt zu kommunizieren. Daraus folgt, dass Pflegekräfte selbst bei mutmaßlich komplett bewusstlosen Betroffenen immer davon ausgehen müssen, dass ein Restbewusstsein vorhanden sein könnte.
  • Wir müssen insbesondere stets davon ausgehen, dass er uns hört, da das Hörvermögen auch im Koma funktionieren kann.
  • Dazu kommt, dass ein Wachkoma kein statisches Krankheitsbild ist. Es kann immer Entwicklungen in Richtung Erwachen geben. Mögliche Kommunikationsformen können sein:
    • Der Bewohner blinzelt. Dieses kann auf störendes Licht, auf trockene Augen oder auf verklebte Augenlider hinweisen.
    • Der Bewohner leckt sich über die Lippen und zeigt damit an, dass der Mundraum ausgetrocknet ist.
    • Der Bewohner macht Schmatzgeräusche als Zeichen von Hunger.
    • Der Bewohner verändert seine Körperhaltung und zeigt damit z. B. Schmerzen an.
    • Der Bewohner macht fahrige Handbewegungen als Zeichen von Unruhe oder Überforderung.
    • Der Bewohner schließt die Augen und signalisiert, dass er in Ruhe gelassen werden möchte.
  • Aus Datenschutzgründen verwenden wir für das Besucherbuch einen Abreißblock.  Die Einträge werden in der Pflegedokumentation gesammelt.
  • Alle potenziell unangenehmen Reize dürfen nur selten genutzt werden. In keinem Fall setzen wir Schmerzreize ein.
  • Mehr Informationen im Standard “basale Aktivierung”.
Fallbeispiel: Frau Meier zeigt langsame Fortschritte bei der Überwindung des Wachkomas. Ihre körperlichen Reaktionen zeigen, dass sie mehrere Stunden pro Tag Außenreize wahrnehmen kann und darauf reagiert. Nach Beschäftigungsangeboten wirkt sie entspannt. Unterbleiben solche Aktivitäten, führt dieses zu körperlicher Unruhe; offenbar als Folge von Langeweile.
  • Wir spielen Frau Meier Musik vor. Wir nutzen dafür ihren MP3-Spieler. Frau Meier mag Musik der Beatles, der Rattles, der Lords und der Beach Boys.
  • Wir konfrontieren Frau Meier mit Gegenständen, die Geräusche aussenden. Sie reagiert positiv auf einen Schellenring und auf Maracas (Rumba Rasseln).
  • Wir setzen eine Klangmatratze ein und übertragen damit Musik oder Rhythmen auf ihren Körper.
  • Zweimal in der Woche wird Frau Meier in den Snoezelen-Raum begleitet.
  • Wir bringen Frau Meier in eine erhöhte Rückenlage und schalten den Fernseher ein. Sie mag die Serien “Verbotene Liebe” und “Gute Zeiten, schlechte Zeiten”.
  • Danach drehen wir das Bett so, dass Frau Meier aus dem Fenster sehen kann.
  • Wir konfrontieren Frau Meier mit verschiedenen Gerüchen. Wir stellen Duftlampen im Zimmer auf. Sie bevorzugt Zitrusgerüche sowie Rosenaromen. Sie mag auch das Rasierwasser ihres Ehemanns, Tabac Original Eau de Cologne.
  • Ihr Ehemann bringt Bettwäsche mit in die Einrichtung, die er für einige Tage genutzt hat. Mit dieser wird das Bett von Frau Müller bezogen.
  • Die Dauer solcher Maßnahmen wird zunächst auf wenige Minuten begrenzt und dann schrittweise verlängert. Die Beobachtung der Bewohnerin ist hierbei sehr wichtig. Wenn sie offenbar überfordert ist, wird die Maßnahme beendet.
  • Wir nutzen keine Kopfhörer, da die Bewohnerin der Musik dann hilflos ausgeliefert wäre. Falls dennoch Kopfhörer verwendet werden sollen, so legen wir diese auf einer Seite neben dem Kopf der Bewohnerin ab. Die Bewohnerin soll die Möglichkeit haben, auch andere Geräusche im Raum zu verfolgen.
  • Sofern die Bewohnerin "in gesunden Tagen" gerne Fernsehsendungen verfolgte, führen wir diese Gewohnheit fort. Wir erfragen bei Angehörigen, welche Genre sie interessieren (Nachrichten, Daily-Soaps, Volksmusiksendungen usw.)
  • Bei ehemaligen Rauchern kann ein Duftsäckchen mit Pfeifentabak genutzt werden. Bei Frauen, die gerne gekocht und gebacken haben, können Gewürznelken, Anisund Koriander in das Duftsäckchen gelegt werden.
  • Es ist nicht immer sinnvoll, einen Wachkomapatienten mit dem Geruch des Lebenspartners in Kontakt zu bringen. Oftmals war das Verhältnis zwischen beiden nicht so gut, wie es vom gesunden Ehepartner beschrieben wird. Der Wachkomapatient könnte mit Unruhe und mit Abwehrverhalten reagieren.
  • Ggf. suchen wir den Kontakt zu einer Musiktherapeutin. Diese kann mit Klanginstrumenten prüfen, ob die Bewohnerin auf diese Weise zu erreichen ist.
  • Mehr Informationen in den Standards "Oberkörperhochlagerung", “basale Aktivierung” und "Sinnesstimulierungs- und Entspannungstherapie".
Fallbeispiel: Herr Müller wurde bislang zu Hause von seiner Frau versorgt. Diese jedoch ist mit der Pflege des Wachkomapatienten überfordert. Daher ist nun eine stationäre Versorgung notwendig. Herr Müller hat sich offenbar an die neue Umgebung nicht gewöhnt. Er ist häufig unruhig. Wenn er von einer Pflegekraft versorgt werden soll, reagiert er mit erhöhter Körperspannung, Schweißausbrüchen sowie mit beschleunigter Atmung und Herzfrequenz.
Der Kontakt von Herrn Müller zu seinen Kindern ist beeinträchtigt, da diese im Ausland wohnen und ihn nicht regelmäßig besuchen können.
  • Wir stellen die Pinnwand so auf, dass Herr Müller diese sehen kann. Seine Frau hat dort Familienfotos aufgehängt.
  • Auf dem Nachttisch sollten seine Hertha-BSC-Kaffeetasse und seine Leselampe stehen.
  • Frau Müller ist morgens bei der Grundpflege anwesend. Bevor eine Pflegekraft mit dem Bewohner Kontakt aufnimmt, wird die Pflegekraft von Frau Müller ihrem Ehemann angekündigt.
  • Vor jeder Kontaktaufnahme nennt die Pflegekraft ihren Namen. Wenn sie an sein Bett herantritt, macht sie sich durch eine Berührung an seiner rechten Schulter bemerkbar. Auf die gleiche Weise teilt die Pflegekraft nach Abschluss der Maßnahme mit, dass sie das Zimmer von Herrn Müller wieder verlassen wird.
  • Während der Grundpflege bleibt Frau Müller im Raum, verhält sich jedoch passiv.  
  • Herr Müller erhält regelmäßig Whatsapp-Videos von seinen Kindern und Enkelkindern. Wir spielen ihm diese auf einem Tablett-PC vor.
  • Die Anzahl der Pflegekräfte, die mit der Versorgung des Bewohners betreut sind, sollte möglichst gering gehalten werden. Wir setzen das Konzept der Bezugspflege um.
  • Mehr Informationen in den Standards “Heimeinzug”, “Angststörungen", "Bezugspflege”.
Fallbeispiel: Frau Meier ist als Folge der hirnorganischen Schädigungen vollständig immobil. Eine Mobilisierung in den Rollstuhl oder an einen Stehtisch ist nicht möglich. Als Folge der Bettlägerigkeit ist Frau Meier anfällig für Druckgeschwüre und für Kontrakturen.
  • Frau Meier wird im Bett regelmäßig umgelagert. Sie mag offenkundig die Rückenlage und die 135-Grad-Lagerungen. In der Bauchlage wird sie schnell unruhig. Die 90-Grad-Lagerungen sind aufgrund des Dekubitusrisikos nicht möglich.
  • Wir bringen Frau Meier mehrmals täglich in den "Königssitz".
  • Wir führen mit Frau Meier aktive und passive Bewegungsübungen durch. Sie soll mehrmals täglich knöchelhohe Turnschuhe auch im Bett anziehen.
  • Frau Meier entwickelt schnell Druckgeschwüre am Trochanter und an den Fersen. Hier müssen wir sorgfältig auf Rötungen achten und im Verdachtsfall einen Fingerdrucktest durchführen.
  • Wir führen eine Kompressionstherapie durch. Wir nutzen Kompressionsstrümpfe der Klasse II (CCL 2). Auf das Anlegen von Kompressionsverbänden reagiert Frau Meier mit Unruhe.
  • Wir führen mit Frau Meier passive Bewegungsübungen durch. Wir bewegen zweimal täglich alle Gelenke der Beine und der Arme inkl. der Fingergelenke durch.
  • Für die sog. “Königsstuhllagerung” wird die Bewohnerin mit dem Rückenteil des Pflegebetts in eine Oberkörperhochlagerung gebracht. Mit zusammengerollten Decken und mit weiteren Lagerungshilfsmitteln wird ihre Position stabilisiert. Das Bettende wird tiefer gestellt. Die Bettmitte im Bereich der Kniekehlen wird erhöht.
  • Mehr Informationen in den Standards "30°-, 90°- und 135°-Grad Lagerungen", "Bauchlage", "Königsstuhllagerung" und "Drucktest / Fingertest / Lupentest".
Fallbeispiel: Herr Müller zeigt immer wieder Abschnitte von Wachheit. Wenn er in diesen Phasen in einen Rollstuhl oder an einen Stehtisch mobilisiert wird, wirkt er sehr lebhaft. Nach Abschluss der Mobilisierung lassen Mimik und geringe Körperspannung auf einen Zustand der Entspannung schließen.
  • Herr Müller wird nach den Hauptmahlzeiten in einen Rollstuhl mobilisiert. Wenn das Wetter es zulässt, wird er morgens auf die Terrasse des Neubaus transferiert. Wir stellen den Rollstuhl in den Schatten mit Blick auf den Teich. Nach rund 45 Minuten wird er zurück in sein Zimmer gebracht, damit er sich in seinem Bett ausruhen kann. Am Nachmittag nimmt Herr Müller als passiver Zuhörer und Zuseher am Freizeitprogramm teil. Er reagiert positiv auf die Teilnahme an der Lesestunde und an der Backgruppe.
  • Wenn Herr Müller aus dem Bett an einen Tisch oder in einen Rollstuhl mobilisiert werden soll, ziehen wir ihm seine Laufschuhe an.
  • Wenn Herr Müller Familienbesuch erhält, animieren wir seine Angehörigen dazu, mit ihm einen Spaziergang zu unternehmen. Herr Müller sollte dabei eine Sonnenbrille tragen.
  • Wir testen immer wieder, ob Herr Müller an einen Stehtisch mobilisiert werden kann. Diesen drehen wir so, dass Herr Müller aus dem Fenster in den Garten sehen kann. Wird er unruhig, wird die Mobilisierung beendet.
  • Mehr Informationen in den Standards "Lesestunde" und "Backgruppe”.
Fallbeispiel: Frau Meier zeigt immer wieder Phasen von partieller Wachheit. Sie kann aber aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen nicht aus dem Bett mobilisiert werden. Frau Meier scheint sich zu langweilen. Visuelle oder akustische Angebote (Fernseher, Radio, Bilder oder Musik) zeigen keine Wirkung. Sie reagiert jedoch auf Körperkontakt sowie auf taktile und auf vibratorische Reize.
Ihre Atmung ist phasenweise oberflächlich und schnell. Frau Meier könnte damit anzeigen, dass sie Schmerzen verspürt oder Angst hat.
  • Wir nutzen elektrische Geräte, von denen Vibrationen ausgehen. Dazu zählen etwa elektrische Zahnbürsten oder Rasierapparate.
  • Wir setzen einen Massagestab erst auf der Matratze auf und führen ihn dann zu den Rippen. Der Kontakt mit einem Knochen leitet die Vibrationen durch den gesamten Körper.
  • Wir geben Frau Meier diese Geräte zeitweise auch in die Hand.
  • Die Pflegekraft legt Frau Meier die Hände auf den Brustkorb und spricht oder singt gleichzeitig.
  • Wir legen die Hände von Frau Meier am rechten und am linken Ende ihres Rippenbogens auf. Wir lassen sie damit die eigene Atmung erspüren und vermitteln ihr ein Gefühl der Sicherheit.
  • Wir bewegen Frau Meier regelmäßig in die Seitenlage und schaukeln sie dort vorsichtig vor und zurück. Wir achten auf eine Erhöhung des Muskeltonus und auf eine gesteigerte Aufmerksamkeit. Sie mag es auch, wenn sie aufrecht in das Bett gesetzt wird und aus dieser Position vor und zurück geschaukelt wird.
  • Frau Meier wird in unterschiedlichen Positionen gelagert. Wir nutzen dafür etwa die Nestlagerung in Rückenlage.
  • Frau Meier wird auf unterschiedlich harten Matratzen gelagert. Wir nutzen zudem verschiedene Bezüge für die Matratze, also etwa raues und dann weiches Material.
  • Es ist wichtig, die Effektivität der Maßnahmen zu überprüfen. Mangels einer direkten Kommunikation ist dieses nur abschätzend möglich. Beispiel: Vor einer Maßnahme ist die Bewohnerin unruhig. Sie atmet schnell und stöhnt. Die Muskulatur ist angespannt. Der Puls und der Blutdruck sind erhöht. Nach der Maßnahme wirkt die Bewohnerin entspannter. Die Atmung ist langsam und tief. Auch die anderen Vitalwerte haben sich normalisiert. In einem solchen Fall kann die Maßnahme als erfolgreich gewertet werden.
  • Mehr Informationen in den Standards “basale Aktivierung”, “Nestlagerung”, “Angststörungen" und "Bezugspflege”.
Fallbeispiel: Herr Müller ist anfällig für Atemwegserkrankungen. Er ist nicht in der Lage abzuhusten. Der Schleim verlegt seine Atemwege. Herr Müller befindet sich offenbar in einem Teufelskreis. Er hat Angst vor Atemnot durch Verschleimung. Die Angst wiederum führt zu einer gesteigerten Sekretion.
  • Wir lagern Herrn Müller im Bett in atemunterstützenden Positionen. Er akzeptiert die V-Lagerung und die A-Lagerung, nicht jedoch die T-Lagerung. Die I-Lagerung ist bei ihm nicht möglich, da der Druck im Kreuzbeinbereich zu hoch wäre und ein Druckgeschwür droht.
  • Herr Müller wird mehrmals am Tag aus dem Bett mobilisiert. Er soll einige Zeit in einem Sessel oder in einem Rollstuhl verbringen.
  • Wir führen atemstimulierende Einreibungen durch. Unsere Bewegungen beim Einreiben sollten synchron zur Atmung des Bewohners sein. Herr Müller mag Massageöle.
  • Falls notwendig wird Herr Müller abgesaugt.
  • Mitbewohner oder Angehörige, die an einer leicht übertragbaren Infektionserkrankung (etwa “Erkältungen”) leiden, sollten den Kontakt zu Herrn Müller meiden.
  • Herr Müller wird einmal im Jahr gegen die Virusgrippe geimpft.
  • Mehr Informationen in den Standards "Absaugen”, “V-A-T-I-Lagerungen", "atemstimulierende Einreibung”, "chronische Bronchitis", "akute Bronchitis" sowie "Influenza”.
Fallbeispiel: Frau Meier erreicht immer wieder Phasen von Wachheit. Sie ist körperlich hingegen so beeinträchtigt, dass keine Mobilisierung aus dem Bett möglich ist. Aufgrund des Krankheitsbilds besteht das Risiko, dass es zu Körperbildstörungen kommt. 
  • Die Lagerung wird so gewählt, dass Frau Meier die Grenzen ihres Körpers erspüren kann, etwa durch den Kontakt mit dem hochgefahrenen Seitenteil des Bettes oder mit dem Fußteil des Bettes.
  • Wir bringen Frau Meier in eine Nestlagerung.
  • Wir legen die Arme und die Beine von Frau Meier in Handtücher. Wenn Frau Meier einatmet, heben wir die Extremität einige Zentimeter an, bei der Ausatmung senken wir die Arme bzw. Beine wieder ab.
  • Wir ziehen Frau Müller unterschiedlich enge Kleidung an, etwa einen Rock oder körperbetonte Jeans.
  • Bei einer Nestlagerung wird die Bewohnerin in eingerollte Decken eingepackt, die ihren Körperkonturen folgen.
  • Die Bewohnerin sollte nicht ausschließlich weiche Kleidung tragen, sondern ggf. auch raue Stoffe (etwa Jeansstoffe). Der Schnitt der Kleidung sollte abwechselnd weit und dann wieder körperbetont ausfallen.
  • Es ist besser, wenn die Bewohnerin im Sommer längere Kleidung trägt und dafür eine dünnere Bettdecke verwendet. Kurze Kleidung vermittelt weniger Spürinformationen.
  • Sofern der Bewohner über ein relevantes Maß an Mobilität und Körperkontrolle verfügt, muss eine gerichtliche Anordnung zur Durchführung von freiheitsentziehenden Maßnahmen vorliegen, wenn das Seitenteil hochgefahren wird.
  • Mehr Informationen in den Standards “Nestlagerung” und “basale Aktivierung”.
Fallbeispiel: Als Folge eines Unfalls liegt Frau Meier im Wachkoma. Die Schwere ihrer Verletzungen lässt vermuten, dass sie noch immer einer erheblichen Schmerzbelastung ausgesetzt sein könnte. Darüber hinaus sind bei ihr Pflegemaßnahmen notwendig, die ebenfalls sehr unangenehm sein könnten.
  • Wir bündeln unangenehme Tätigkeiten wie das Absaugen oder Injektionen zu einem festen Block im morgendlichen Tagesablauf. Dieser wird dauerhaft getrennt von angenehmen Pflegemaßnahmen wie etwa der Ganzkörperwaschung oder Einreibungen.
  • Beim Absaugen legen wir die Hand von Frau Meier auf den Arm der Pflegekraft. Frau Meier kann diesen drücken, wenn die Beschwerden zu stark werden. Wir achten auch auf die Mimik und auf die Körperspannung.
  • Es ist immer zu prüfen, ob die Bewohnerin Schmerzen hätte, wenn sie wach wäre (etwa aufgrund von Verletzungsfolgen, Kontrakturen, Druckgeschwüren usw.). In diesem Fall ist es möglich, dass sie den Schmerz im Wachkoma unbewusst wahrnimmt. Wir diskutieren daher mit dem Hausarzt, ob eine Schmerzbehandlung sinnvoll sein kann. Die Auswirkung der Schmerzbehandlung auf das Verhalten der Bewohnerin wird beobachtet und dokumentiert.
  • Die zeitliche Trennung von angenehmen und unangenehmen Pflegemaßnahmen mindert die Stressbelastung. Der Bewohner kann sich entspannen, da er abschätzen kann, dass ab einem bestimmten Tageszeitpunkt keine weiteren unangenehmen Tätigkeiten mehr mit ihm durchgeführt werden.
  • Mehr Informationen in den Standards "Schmerzbekämpfung mit nicht-opioiden Analgetika", "Schmerzbekämpfung mit Opioiden” sowie “PCA-Pumpe".
Fallbeispiel: Die mentalen Einschränkungen sind so erheblich, dass Herr Müller sich an der Körperpflege nicht beteiligen kann. Diese muss von einer Pflegekraft vollumfänglich übernommen werden.
Herr Müller kann nicht aus dem Bett ins Badezimmer transferiert werden. Es ist somit nicht möglich, ihn auf konventionelle Weise zu baden oder zu duschen. Herr Müller lehnt die Intimpflege offenkundig ab. Wenn diese im Rahmen der Körperpflege durchgeführt wird, reagiert er mit Unruhe, Abwehrspannung und angespannter Mimik. Dadurch wird die entspannte Atmosphäre während der Grundpflege deutlich gestört. Herr Müller leidet häufig an Entzündungen der Mundschleimhaut. Die Körperpflege ist für Herrn Müller sehr anstrengend.
  • Es sollte immer nur eine Pflegekraft gleichzeitig mit Herrn Müller arbeiten.
  • Herr Müller wird während der Körperpflege in eine möglichst sitzende Position gebracht. Er soll die Möglichkeit haben, die Durchführung mit seinen Augen zu verfolgen.


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